Eigentlich grenzt es ja an ein Wunder, dass Thin Lizzy wieder auf
der Z7-Bühne stehen durften! Wie das? Einige Fans dürften die "Ära
Sykes" noch in bester oder eben schlechter Erinnerung haben. Nebst
mehrfach an- und wieder abgesagten Shows schoss man beim letzten
Besuch im Herbst 2008 den Vogel schliesslich total ab! Mit dem
damaligen Bandboss John Sykes zusammen, lieferte eine bis auf
Drum-Legende Tommy Aldridge (Ex-Ozzy, Ex-Whitesnake) eher
uninspirierte Band ein wirklich desaströses wie unhaltbar kurzes
Konzert (70 Minuten!) als Headliner ab, das einfach nur ein Schlag
ins Gesicht eines jeden Besuchers gewesen ist, der dafür 50 Franken
Eintritt bezahlt hatte! Unter diesen Umständen war es nur
verständlich, dass für die Organisatoren die "Akte Thin Lizzy"
fortan geschlossen war. Umso grösser war dann die Überraschung im
noch jungen Jahr, dass man hierzu tatsächlich wieder Positives
vermelden konnte. Das lag vor allem am neuen, sackstarken Lineup mit
Ex-The Almighty Sänger/Gitarrist Ricky Warwick, Ex-Dio/Def Leppard
Klampfer Vivian Campbell, Bass-Monster Marco Mendoza, sowie den
Ur-Musikern Scott Gorham (g), Darren Wharton (keyb) und Brian Downey
(d). Supersuckers als Support aus Übersee rundeten diesen Neuanfang
erfreulich ab.
Supersuckers
Aufgrund der Optik und der ersten Sprüche hatten wohl bald alle
bemerkt, dass die Vorband des Abends untrüglich aus Amerika stammte.
Die Punk "Country" Rocker, ursprünglich gegründet in Tucson (AZ) und
jetzt in Seattle beheimatet, sind allerdings keine Frischlinge, was
man zum einen dem Alter der Musiker ansah und auch bald hörte, denn
die von Anfang an rotzig groovende Mucke klang ziemlich fett und
tight. Hinzu kam die typische, auf-gesetzte und etwas überheblich
wirkende we are "The greatest Rock'n'Roll band in the world"
Attitüde, aber was kann man schon erwarten, wenn sich der Leadsänger
und Bassist mit Cowboy Hut entsprechend Eddie Spaghetti nennt?!
Weiter von der Stammformation dabei war Gitarrist Dan 'Thunder'
Bolton. Ergänzt wurde das Quartett durch die Neuzugänge 'Metal'
Marty Chandler (g/v) und Scott 'Scottzilla' Churilla (d). Die beiden
Gitarristen zeigten ihr Können und rifften wie solierten beide
abwechselnd wie abwechslungsreich und steuerten auch noch Backing
Vocals bei. Die Songs waren grundsätzlich eher kurz gehalten und
klangen in meinen Ohren oft nach den alten Sex Pistols, Motörhead
und nicht selten kamem mir die glorreichen Tage von Zodiac Mindwarp
(And The Love Reaction) in den Sinn.
Die gut 300 bis eher gegen 400
Fans machten mit und beklatschten die Amis ganz ordentlich. Diese
beantworteten die anerkennende Reaktion des Publikums mit wirklich
beherztem Spiel, das total auf den Punkt gebracht wurde.
Beeindruckend war auch das Drum-Solo von Scott Churilla, der seinem
optisch spärlich anmutenden Arbeitsgerät hammergeile Beats und Fills
entlockte. Klischeebehaftet waren dann allerdings die Bemerkungen
von Master Spaghetti, der ein Loblied auf unseren Käse, die Messer
und die Uhren anstimmte. Warum er dann sogar zweimal noch The
Beatles in diesem Kontext nannte, verstand ich jetzt nicht, aber
egal..., war wohl mehr als Joke gedacht. Das letzte Studio-Album «Get
It Together» stammt aus dem Jahre 2008 und somit waren die
Amerikaner nicht auf der klassischen Promo-Tour für ein aktuelles
Werk. Nichtsdestotrotz wussten sie ihre 45 Minuten optimal
auszufüllen und empfahlen sich bestens für weitere Auftritte. Zum
Glück behielten sie dabei ihre countrymässigen Anwandlungen unter
Verschluss, spielten keine Covers (soviel ich weiss) und erfüllten ihre
Aufgabe als Anheizer zu 100%.
Thin Lizzy
Also ich muss schon ehrlich zugeben, dass ich zuerst ungläubig mit
dem Kopf geschüttelt habe, als ich davon las, in welcher Besetzung
der Name Thin Lizzy wieder zu neuem Leben erweckt werden sollte.
Obwohl ich die Diva John Sykes für seine Zeit bei den Lizzies,
Whitesnake und Blue Murder für immer aufrichtig verehren werde, hat
der gelockte Blondschopf mit dem Theater der jüngeren Vergangenheit
einige Punkte liegen gelassen. Dieser Meinung muss wohl auch Scott
Gorham gewesen sein, der Sykes sicher keine einzige Träne nachweinte
und stattdessen das wohl beste Lineup seit den seligen Zeiten mit
dem unvergessenen Phil Lynott (R.I.P.) Tatsache werden liess. Dabei
stach mir natürlich, wie schon im Vorspann erwähnt, vor allem Ricky
Warwick ins Auge. Ich wusste um seine vergangenen Qualitäten als
Frontmann / Songwriter und Gitarrist von The Almighty in den 90ern, aber
würde nun diese neue Kombination im Umfeld zahlloser Kultsongs
wirklich ins Schwarze treffen? Ich musste es zuerst selber sehen,
obwohl die ersten Eindrücke von ein paar Youtube-Videos schon mal
gewaltig aufhorchen liessen. Gleiches galt natürlich auch für Vivian
Campbell als zweiten Gitarristen, der sich kurz darauf ebenso als
Volltreffer erweisen sollte. Angeprochen war ansich aber die
gesamte, aktuelle Besetzung, zu der neu auch Bassist Marco Mendoza
gehört, den man nun wirklich nicht mehr näher vorstellen muss. Dass
mit Keyboarder Darren Wharton, nebst
Drummer Brian Downey gar zwei
alte Recken von früher wieder mit an Bord sind, machte das Ganze
noch gehaltvoller. Punkt 21.30 Uhr stiegen dann also tatsächlich Thin Lizzy in der Ausgabe 2011 auf die Bühne des Z7. Das war an
dieser Stelle schon die erste, echte Sensation des Abends, bevor
überhaupt ein Ton gespielt worden war! Der Opener konnte dann mit
«Are You Ready?" nicht besser ausgewählt werden und schon mit dem
nachfolgenden «Waiting For An Alibi» waren alle Zweifel, die ich
noch irgendwo mit mir rum trug, wie weggeblasen! Du heilige
Scheisse..., ich traute meinen Augen und Ohren nicht: Es klang
einfach nur genial! Ricky mimte nicht nur den Frontmann, er war es
auch zu 100% und das von der ersten Minute an. Mit einer Leichtig-
und Lässigkeit ohnegleichen wurde einem Klassiker nach dem anderen
neues Leben eingehaucht.
Eigentlich kann ja nichts schief gehen, wenn man Top-Musiker in eine
Band rein holt, aber die Chemie muss stimmen, sonst verpufft die
ganze Technik im Nichts. Doch einen John Sykes ersetzt man nicht
einfach so mit einem Fingerschnippen und darum erstaunte zunächst
die Zusage von Vivian Campbell, seines Zeichens aktuell in Lohn und Brot
bei Def Leppard. Erfreulicherweise landete man hiermit den zweiten Exploit, der besser nicht hätte sein können. Oldie Scott Gorham und
sein neuer Sidekick harmonierten bestens und das so gut, wie wenn
sie es schon seit Jahren zusammen zelebrieren würden. Beide
steuerten Riffs wie Soli bei und zwischendurch schnallte sich auch
Herr Warwick eine Gitarre (teils die akustische) um, weil dieser ja
nicht nur über eine charismatische Stimme verfügt. Je länger das
Konzert andauerte, desto mehr ver-schmolz die neue Gesangsstimme im
Geiste des seligen Phil Lynott (R.I.P.) - Egal ob «Angel Of Death»
(nicht etwa eine Cover-Version des gleich benamsten Slayer-Classix!)
oder das traumhaft gelungene «Still In Love With You». Ich konnte
schon sehr bald mit Fug und Recht behaupten, dass Thin Lizzy noch
nie wieder so stark nach Phil's Tod waren, wie jetzt! Dass dabei die Sykes-Ära setlistenmässig ganz bewusst ausgeklammert wurde, fand ich
auf der einen Seite schade, aber nachvollziehbar. Die Qualität der
gespiel-ten Songs litt natürlich bei der Menge an Hits zu keiner
Zeit. Was war das für eine Wohltat nach all dem Knatsch der
vergangenen Jahre. Die Fans im Z7 gerieten immer mehr aus dem
Häuschen und feierten den Headliner grandios ab. «Sha La La» kam
heuer auch bedeutend besser als das letzte Mal daher, wo Drum-Ikone
Tommy Aldridge alles in Grund und Boden geklopft hatte. Überhaupt
war der Sound von heute Abend
schlicht eine Wucht, transparent und
mit mächtig Wumms zugleich! Nach lautem Mitsingen zum Smasher «The
Boys Are Back In Town» verwaiste die Bühne, aber nicht für lange!
Die erste Zugabe gebührte darauf hin «Rosalie» und schon war innert
Kürze wieder der Teufel los in Pratteln. Doch das sollte es aber
noch nicht gewesen sein, denn nun zog man entgegen der offenbar
fixierten Tour-Setliste (es sollte «Bad Reputation» gespielt werden)
alle Register mit einer unfassbar geilen Version von «Killer On The
Loose»! Ich kriegte den Kiefer für den Rest des Abends nicht mehr zu
und als das Licht nach dem finalen «Black Rose», respektive 100
Minuten voller Spielfreude wieder anging (auch ohne dem ansich
notierten «The Rocker» als Absacker), waren sich alle einig, soeben
dem Konzert-Highlight von 2011 gelauscht zu haben. Bitte bitte...,
kommt bald wieder und dann wird die Hütte voll sein, wetten?!!
Setliste: «Are You Ready» - «Waiting For An Alibi» - «Jailbreak» -
«Do AnythingYou Want To» - «Don't Believe A Word» - «Dancing In The
Moonlight» - «Massacre» - «Angel Of Death» - «Still In Love With You»
- «Whiskey In The Jar» - «Emerald» - «Wild One» - «Sha La La» -
«Cowboy Song» - «The Boys Are Back In Town» -- «Rosalie» - «Killer On The
Loose» - Black Rose» - «The Rocker» (wurde leider nicht gespielt!).
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