Livereview: Threshold - Damnation Angels - Day Six

03. Dezember 2017, Pratteln - Z7
By Rockslave (written in 2018)
Es war wohl die Nachricht des letzten Jahres, als wie aus dem Nichts die Trennung von Frontmann Damian Wilson und Threshold bekannt gegeben wurde. Schon bald sickerte einmal durch, dass dies nicht einfach so geschehen sei, und vor allem von der Bandseite her wurde nur wenig bis gar nichts dazu kommentiert. Die Prog-Fans rieben sich weltweit wie zurecht die Augen und fragten sich, was da passiert sein könnte, nachdem sich Damian seit seinem Wiedereinstieg 2007 und den beiden brillanten Studioalben «March Of Progress» (2012) und «For The Journey» (2014) bärenstark zurück gemeldet hatte. Am diesjährigen ICE ROCK Festival gab Damian dann die definitive Antwort auf diese Frage preis, die kaum zu glauben war: Die letztjährige Crowdsurf-Einlage mit anschliessender Landung im Hot Pot fanden Karl Groom & Co. offenbar so daneben, dass sie ihren Sänger deshalb gleich schassten! Profiteur dieser total absurden Situation wurde Glynn Morgan, der bekanntlich das zweite Album «Psychedelicatessen» (1994) und auch gleich die neue Scheibe «Legends Of The Shires» eingesungen hat. Als Support-Bands standen Damnation Angels und Day Six auf der Bühne.

Day Six

Die seit 2002 unter diesem Bandnamen existierenden Oranjes stehen für Progressive Rock / Metal und passten somit stilistisch, zumindest mal auf dem Papier, gut zum Rest des Billings. Wie immer bei Bands, die man zuvor noch nie gehört oder gesehen hat, geht meine Wenigkeit ohne Scheuklappen ran an die Buletten und gibt der jeweiligen Truppe erstmal eine Chance, sich mit einer guten Performance entsprechend zu empfehlen. Und genau das taten dann Robbie van Stiphout (Guitars/Vocals), Desmond Robberegt (Synthesizers, vertrat Rutger Vlek, der auf Ende Jahr Vater wurde), Eric Smits (Bass) und Daan Liebregts (Drums). Im Vorfeld der bald anstehenden Veröffentlichung des dritten full lenght Studio-Albums «Solitary League» (VÖ: 15.12.2017) vermochte das Quartett zu bloss knapp 35 Minuten Spielzeit dennoch eindrücklich aufzuzeigen, was der Day Six Klangkosmos im Wesentlichen hergibt. Teils gar nicht so weit weg vom Headliner traten aber noch andere Einflüsse wie Pink Floyd oder Porcupine Tree hervor, ergänzt um eigene Kreationen aus der unerschöpflichen Welt des Progressive Metals, die, wenn genregerecht gepimpt, natürlich mehr als nur 3 Minuten 30 dauern. Bezeichnend für Day Six ist zudem, wie die Songs immer wieder durch ruhigere Parts aufgelockert werden. Frontmann Robbie van Stipout lieferte dazu jedoch eine ziemlich agile Show ab und gab sichtlich alles. Die vorgetragenen Songs stammten nebst von der neuen Langrille noch vom Vorgänger «The Grand Design» (2010). Das Debüt «Eternal Dignity» von 2003 konnte leider nicht mehr berücksichtigt werden. Beim neuen Song «Myriad Scars», beinahe ein Zehnminüter, liessen die Niederländer ihrer musikalischen Kreativität freien Lauf und flochten gar noch jazzige Sprengsel mit ein. Die Grundessenz ist jedoch hochstehender Progressive Metal, und man hätte Day Six definitiv gerne noch länger zugehört und zugesehen.

Setliste: «Massive Glacial Wall» - «Deadlock» - «Myriad Scars» - «Castel Gandolfo» - «Hypervigilant».


Damnation Angels
Nach dem gelungenen Auftakt „Made in the Nederlands“ ging es schon vorzeitig zurück zum United Kingdom, denn die Damnation Angels stammen erstens aus Doncaster und zweitens waren die Landsleute von Threshold auch schon auf der 2016er als (erste) Anheizer mit dabei. Sie hinterliessen im KiFF in Aarau jedoch eine eher durchwachsene Visitenkarte! Die Erinnerungen daran sind nach wie vor mau, und so kriegten die Jungs einfach mal eine faire zweite Chance von mir. Gemäss der eigenen Definition zocken die Briten ja Symphonic Metal, was von der Stilschublade her schon relativ klare Assoziationen hervor ruft. Da jedoch keine Frontfrau im Line-Up steht, gehört die volle Aufmerksamkeit demnach Ignacio Rodriguez (Vocals), Will Graney (Guitars, Orchestration, Backing Vocals), Nic Southwood (Bass) und John Graney (Drums). Rein von der Optik her würde man zwar nicht zwingend auf eine Symphonic Metal Combo schliessen, denn Frontmann Ignacio ist ein stattlicher Brocken mit Bart und Glatze, während der unaufgeregte Gitarrero Will eine gepflegte Kurzhaar-Frisur spazieren fährt. Der dritte Mann im Bunde ist der langhaarige Tieftöner Nic, der seine Mähne immer wieder im Takt fliegen lässt and last, but not least haben wir noch den Stockartisten John, der weniger mit Haarpracht, dafür umso mehr Drum-Power aufwartet. Und die Jungs zockten in der Tat symphonischen Metal, dessen unerlässliche Synthie-Sounds allerdings zumeist ab Konserve eingespielt wurden. Zwischendurch setzte sich Ignacio bei ruhigeren Tunes an ein Keyboard und bewies seine Vielseitigkeit als Musiker. Nicht unwesentlich waren die Co- und Backing-Vocals Beiträge von Will und Nic, aber auch diesmal wollte das Ganze nicht so richtig zünden, zumindest bei mir. Obwohl technisch ohne Fehl und Tadel, blieb insgesamt einfach zu wenig Griffiges hängen, da es über weite Strecken an prägnanten Melodiy-Lines mangelte. Die Performance als Solche ging absolut in Ordnung, aber in dieser Soundecke kommt man(n), nebst hochstehendem Songwriting, kaum ohne ein talentiertes Mädel aus. Die anwesenden Fans goutierten den etwas über vierzig Minuten dauernden Auftritt von den Reaktionen her trotzdem. Ob man so als Symphonic Metal Band allerdings in Zukunft wirklich was auf Niveau Headliner reissen kann, wage ich allerdings zu bezweifeln.


Threshold
Zwischen diesem Konzert hier im Z7 und dem Auftritt elf Monate zuvor am ICE ROCK Festival liegen turbulente Monate, wie der Einleitung zu entnehmen ist. Obwohl auf dem grossen Bildschirm mit den Konzertankündigungen mitunter immer noch Damian Wilson neben seinen ehemaligen „Kollegen“ zu sehen war, stand heute Abend an seiner Stelle der zurück gekehrte oder präziser ausgedrückt zurück geholte zweite Sänger der Band, nämlich Glynn Morgan im Line-Up. Ob man das als Fan nun guthiess oder nicht, war nicht das Thema, und letztlich konnte Glynn für all das ja nichts dafür, respektive macht jetzt aus seiner Sicht einfach das Beste daraus. Dazu gehört in erster Linie die aktuelle Prachtsscheibe «Legends Of The Shires», die kompositorisch den beiden brillanten Vorgängern das Wasser locker zu reichen vermag. Wie das alles mit Damian geklungen hätte, wird aber für immer in der Vorstellung seiner Fangemeinde verharren. Und wenn wir gerade bei den personellen Veränderungen weiter ansetzen, muss natürlich auch der Abgang von Pete Morten, dem zweiten Gitarristen, erwähnt werden. Das war leider ebenso eine Tatsache wie der Wechsel am Frontmikro, und dies bereitete mir echte Sorgen, denn der wuchtige Gitarren-Sound der britischen Prog-Ikonen war bisher immer ein tragendes Element. Die Spannung auf das bevorstehende Konzert stieg somit kontinuierlich an und entlud sich erstmal mit dem Opener «Slipstream». Somit einem von Andrew eingesungenen Klassiker, den Damian letztlich voll drauf hatte und nun von Glynn interpretiert wird! Verkehrte Welt, doch es hörte sich ganz ordentlich an. Um die Live-Vakanz von Pete zu kaschieren, wurde Karl Grooms Klampfen-Lautstärke garantiert entsprechend frisiert, denn blutleer klang der Live-Sound keinesfalls.

Mit «The Man Who Saw Through Time» folgte dann bereits der erste neue Song und nota bene gleich der längste von «Legends…». Das war natürlich umgehend die Steilvorlage für Glynn Morgan, sich den Fans entsprechend mit gewohntem Material präsentieren zu können. Das gelang ziemlich gut, obwohl die Stimme zu Beginn noch etwas kratzig klang. Das wurde mit jedem Song besser und galt zwischendurch auch für den Anteil an Gitarren, denn Glynn schnallte sich dann und wann eine Klampfe um und unterstützte so Chef Karl unüberhörbar. Spätestens beim Song «Sunseeker» vom vorher bisher einzigen Morgan-Album «Psychedelicatessen» konnten die Fans wohl langsam erahnen, was der Sängerwechsel für einen Einfluss auf die Setliste ausübt, und so kam es denn auch: kein einziger Song der Wilson-Ära! Allerdings gehe ich jetzt mal davon aus, dass das mehr damit zu tun hatte, dass Glynn in der Kürze Damians Gesangslinien nicht bühnenreif adaptieren konnte. Kann aber auch sein, dass ich falsch liege, da Glynn sich schliesslich auch einige Songs von Andrew drauf packen musste. Wo da die Grenzen liegen, zeigte «Pilot In The Sky Of Dreams» entlarvend auf, denn hier musste Mr. Morgan hartes Brot essen bewegte sich ohne Wenn und Aber am Limit. Nichtsdestotrotz schlugen sich die „neuen“ Threshold überzeugend, was sie in dieser Situation zu einem guten Teil dem neuen Hammer-Album verdanken können. Nach gut hundert Minuten und drei Zugaben hinterliessen die Briten ein begeistertes Publikum. Doch nebst dem Rezensenten können nicht wenige Leute kaum richtig verstehen, warum die erfolgreiche Ära von Damian Wilson so enden musste.

Setliste: «The Shire (Part 1)» - «Slipstream» - «The Man Who Saw Through Time» - «Long Way Home» - «Innocent» - «Stars And Satellites» - «Hollow» - «Sunseeker» - «The Shire (Part 2) » - «Snowblind» - «Pilot In The Sky Of Dreams» - «Mission Profile» -- «Lost In Translation» - «Small Dark Lines» - «Swallowed (Outro)».