Es war wohl die Nachricht des letzten Jahres, als wie aus
dem Nichts die Trennung von Frontmann Damian Wilson und Threshold
bekannt gegeben wurde. Schon bald sickerte einmal durch, dass dies
nicht einfach so geschehen sei, und vor allem von der Bandseite her
wurde nur wenig bis gar nichts dazu kommentiert. Die Prog-Fans
rieben sich weltweit wie zurecht die Augen und fragten sich, was da
passiert sein könnte, nachdem sich Damian seit seinem Wiedereinstieg
2007 und den beiden brillanten Studioalben «March Of Progress»
(2012) und «For The Journey» (2014) bärenstark zurück gemeldet
hatte. Am diesjährigen ICE ROCK Festival gab Damian dann die
definitive Antwort auf diese Frage preis, die kaum zu glauben war:
Die letztjährige Crowdsurf-Einlage mit anschliessender Landung im
Hot Pot fanden Karl Groom & Co. offenbar so daneben, dass sie ihren
Sänger deshalb gleich schassten! Profiteur dieser total absurden
Situation wurde Glynn Morgan, der bekanntlich das zweite Album
«Psychedelicatessen» (1994) und auch gleich die neue Scheibe
«Legends Of The Shires» eingesungen hat. Als Support-Bands standen
Damnation Angels und Day Six auf der Bühne.
Day Six Die seit 2002 unter diesem Bandnamen
existierenden Oranjes stehen für Progressive Rock / Metal und
passten somit stilistisch, zumindest mal auf dem Papier, gut zum
Rest des Billings. Wie immer bei Bands, die man zuvor noch nie
gehört oder gesehen hat, geht meine Wenigkeit ohne Scheuklappen ran
an die Buletten und gibt der jeweiligen Truppe erstmal eine Chance,
sich mit einer guten Performance entsprechend zu empfehlen. Und
genau das taten dann Robbie van Stiphout (Guitars/Vocals), Desmond
Robberegt (Synthesizers, vertrat Rutger Vlek, der auf Ende Jahr
Vater wurde), Eric Smits (Bass) und Daan Liebregts (Drums). Im
Vorfeld der bald anstehenden Veröffentlichung des dritten full
lenght Studio-Albums «Solitary League» (VÖ: 15.12.2017) vermochte
das Quartett zu bloss knapp 35 Minuten Spielzeit dennoch
eindrücklich aufzuzeigen, was der Day Six Klangkosmos im
Wesentlichen hergibt. Teils gar nicht so weit weg vom Headliner
traten aber noch andere Einflüsse wie Pink Floyd oder Porcupine Tree
hervor, ergänzt um eigene Kreationen aus der
unerschöpflichen
Welt des Progressive Metals, die, wenn genregerecht gepimpt,
natürlich mehr als nur 3 Minuten 30 dauern. Bezeichnend für Day Six
ist zudem, wie die Songs immer wieder durch ruhigere Parts
aufgelockert werden. Frontmann Robbie van Stipout lieferte dazu
jedoch eine ziemlich agile Show ab und gab sichtlich alles. Die
vorgetragenen Songs stammten nebst von der neuen Langrille noch vom
Vorgänger «The Grand Design» (2010). Das Debüt «Eternal Dignity» von
2003 konnte leider nicht mehr berücksichtigt werden. Beim neuen Song
«Myriad Scars», beinahe ein Zehnminüter, liessen die Niederländer
ihrer musikalischen Kreativität freien Lauf und flochten gar noch
jazzige Sprengsel mit ein. Die Grundessenz ist jedoch hochstehender
Progressive Metal, und man hätte Day Six definitiv gerne noch länger
zugehört und zugesehen.
Setliste: «Massive Glacial Wall» -
«Deadlock» - «Myriad Scars» - «Castel Gandolfo» - «Hypervigilant».
Damnation Angels
Nach dem gelungenen Auftakt „Made in the Nederlands“ ging es schon
vorzeitig zurück zum United Kingdom, denn die Damnation Angels
stammen erstens aus Doncaster und zweitens waren die Landsleute von
Threshold auch schon auf der 2016er als (erste) Anheizer mit dabei.
Sie hinterliessen im KiFF in Aarau jedoch eine eher durchwachsene
Visitenkarte! Die Erinnerungen daran sind nach wie vor mau, und so
kriegten die Jungs einfach mal eine faire zweite Chance von mir.
Gemäss der eigenen Definition zocken die Briten ja Symphonic Metal,
was von der Stilschublade her schon relativ klare Assoziationen
hervor ruft. Da jedoch keine Frontfrau im Line-Up steht, gehört die
volle Aufmerksamkeit demnach Ignacio Rodriguez (Vocals), Will Graney
(Guitars, Orchestration, Backing Vocals), Nic Southwood (Bass) und
John Graney (Drums). Rein von der Optik her würde man zwar nicht
zwingend auf eine Symphonic Metal Combo schliessen, denn Frontmann
Ignacio ist ein
stattlicher
Brocken mit Bart und Glatze, während der unaufgeregte Gitarrero Will
eine gepflegte Kurzhaar-Frisur spazieren fährt. Der dritte Mann im
Bunde ist der langhaarige Tieftöner Nic, der seine Mähne immer
wieder im Takt fliegen lässt and last, but not least haben wir noch
den Stockartisten John, der weniger mit Haarpracht, dafür umso mehr
Drum-Power aufwartet. Und die Jungs zockten in der Tat symphonischen
Metal, dessen unerlässliche Synthie-Sounds allerdings zumeist ab
Konserve eingespielt wurden. Zwischendurch setzte sich Ignacio bei
ruhigeren Tunes an ein Keyboard und bewies seine Vielseitigkeit als
Musiker. Nicht unwesentlich waren die Co- und Backing-Vocals
Beiträge von Will und Nic, aber auch diesmal wollte das Ganze nicht
so richtig zünden, zumindest bei mir. Obwohl technisch ohne Fehl und
Tadel, blieb insgesamt einfach zu wenig Griffiges hängen, da es über
weite Strecken an prägnanten Melodiy-Lines mangelte. Die Performance
als Solche ging absolut in Ordnung, aber in dieser Soundecke kommt
man(n), nebst hochstehendem Songwriting, kaum ohne ein talentiertes
Mädel aus. Die anwesenden Fans goutierten den etwas über vierzig
Minuten dauernden Auftritt von den Reaktionen her trotzdem. Ob man
so als Symphonic Metal Band allerdings in Zukunft wirklich was auf
Niveau Headliner reissen kann, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Threshold Zwischen diesem Konzert hier
im Z7 und dem Auftritt elf Monate zuvor am ICE ROCK Festival liegen
turbulente Monate, wie der Einleitung zu entnehmen ist. Obwohl auf
dem grossen Bildschirm mit den Konzertankündigungen mitunter immer
noch Damian Wilson neben seinen ehemaligen „Kollegen“ zu sehen war,
stand heute Abend an seiner Stelle der zurück gekehrte oder präziser
ausgedrückt zurück geholte zweite
Sänger der Band, nämlich Glynn Morgan im Line-Up. Ob man das als Fan
nun guthiess oder nicht, war nicht das Thema, und letztlich konnte
Glynn für all das ja nichts dafür, respektive macht jetzt aus seiner
Sicht einfach das Beste daraus. Dazu gehört in erster Linie die
aktuelle Prachtsscheibe «Legends Of The Shires», die kompositorisch
den beiden brillanten Vorgängern das Wasser locker zu reichen
vermag. Wie das alles mit Damian geklungen hätte, wird aber für
immer in der Vorstellung seiner Fangemeinde verharren. Und wenn wir
gerade bei den personellen Veränderungen weiter ansetzen, muss
natürlich auch der Abgang von Pete Morten, dem zweiten Gitarristen,
erwähnt werden. Das war leider ebenso eine Tatsache wie der Wechsel
am Frontmikro, und dies bereitete mir echte Sorgen, denn der
wuchtige Gitarren-Sound der britischen Prog-Ikonen war bisher immer
ein tragendes Element. Die Spannung auf das bevorstehende Konzert
stieg somit kontinuierlich an und entlud sich erstmal mit dem Opener
«Slipstream». Somit einem von Andrew eingesungenen Klassiker, den
Damian letztlich voll drauf hatte und nun von Glynn interpretiert
wird! Verkehrte Welt, doch es hörte
sich
ganz ordentlich an. Um die Live-Vakanz von Pete zu kaschieren, wurde
Karl Grooms Klampfen-Lautstärke garantiert entsprechend frisiert,
denn blutleer klang der Live-Sound keinesfalls.
Mit «The Man
Who Saw Through Time» folgte dann bereits der erste neue Song und
nota bene gleich der längste von «Legends…». Das war natürlich
umgehend die Steilvorlage für Glynn Morgan, sich den Fans
entsprechend mit gewohntem Material präsentieren zu können. Das
gelang ziemlich gut, obwohl die Stimme zu Beginn noch etwas kratzig
klang. Das wurde mit jedem Song besser und galt zwischendurch auch
für den Anteil an Gitarren, denn Glynn schnallte sich dann und wann
eine Klampfe um und unterstützte so Chef Karl unüberhörbar.
Spätestens beim Song «Sunseeker» vom vorher bisher einzigen
Morgan-Album «Psychedelicatessen» konnten die Fans wohl langsam
erahnen, was der Sängerwechsel für einen Einfluss auf die Setliste
ausübt, und so kam es denn auch: kein einziger Song der Wilson-Ära!
Allerdings gehe ich jetzt mal davon aus, dass das mehr damit zu tun
hatte, dass Glynn in der Kürze Damians Gesangslinien nicht
bühnenreif adaptieren konnte. Kann aber auch sein, dass ich falsch
liege, da Glynn sich schliesslich auch einige Songs von Andrew drauf
packen musste. Wo da die Grenzen liegen, zeigte «Pilot In The Sky Of
Dreams» entlarvend auf, denn hier musste Mr. Morgan hartes Brot
essen bewegte sich ohne Wenn und Aber am Limit. Nichtsdestotrotz
schlugen sich die „neuen“ Threshold überzeugend, was sie in dieser
Situation zu einem guten Teil dem neuen Hammer-Album verdanken
können. Nach gut hundert Minuten und drei Zugaben hinterliessen die
Briten ein begeistertes Publikum. Doch nebst dem Rezensenten können
nicht wenige Leute kaum richtig verstehen, warum die erfolgreiche
Ära von Damian Wilson so enden musste.
Setliste: «The Shire
(Part 1)» - «Slipstream» - «The Man Who Saw Through Time» - «Long
Way Home» - «Innocent» - «Stars And Satellites» - «Hollow» -
«Sunseeker» - «The Shire (Part 2) » - «Snowblind» - «Pilot In The
Sky Of Dreams» - «Mission Profile» -- «Lost In Translation» - «Small
Dark Lines» - «Swallowed (Outro)».
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