Eigentlich hätte ich an diesem
Abend ja in Aarau im Radiostudio von Kanal-K, zusammen mit Metalrose
und Rocknrolla, sitzen und unsere Sendung «Rock Lounge» mitmoderieren
sollen. Doch für einmal hatte ich mich ausgeklinkt, und damit wurde der
Weg frei für Transatlantic, die ich, soweit ich das beurteilen,
respektive mich zurück erinnern kann, bisher noch nie live gesehen
hatte. Im Wissen darum, dass diese Allstar-Truppe nicht einfach nur aus
einem wild zusammengewürfelten Haufen egozentrischer Musiker besteht,
liess echte Vorfreude in mir aufkommen. Solche Paarungen müssen zwar
nicht zwingend harmonieren, respektive haben oft einen kurzen Atem und
hinterlassen dann immerhin die entsprechenden Tonträger als ewigliche
Klangschätze. Was die soeben angesprochene Ausdauer angeht, so besteht
die Band bereits seit beachtlichen fünfzehn Jahren! In dieser Zeit sind
verständlicherweise nicht schon sieben oder noch mehr Alben erschienen,
da die Protagonisten ja noch diverse andere Betätigungsfelder abdecken
mussten. Fünf Jahre nach «The Whirlwind» steht nun mit «Kaleidoscope»
ein brandneues Studio-Album in den Startlöchern, das die Zielgruppe
wiederum nicht enttäuscht. Da live mit jeweils an die drei Stunden
Spielzeit gerechnet werden kann, erübrigte sich die Frage nach einem
Support im gleichen Atemzug.
Transatlantic
Um etwa 20.10 Uhr ging das Licht über den Köpfen von
gut 750 Fans dann endlich aus und es erklang «The Orchestral Whirlwind»
als instrumentales Intro, das sich etwa zehn Minuten hinzog. Die
Fotographen warteten derweil alle schön brav beim Eingang zum
Fotograben, da sich auf der Bühne ja noch nichts tat. Als sich der
grosse Uhrenzeiger in Richtung halb neun bewegte, fand das Warten ein
Ende. Nacheinander kamen Roine Stolt (The Flower Kings), Neil Morse
(Spock’s Beard), Pete Trewavas (Marillion) und Drum-Zampano Mike
Portnoy (Ex-Dream Theater, The Winery Dogs) unter grossem
Anfangsapplaus auf die Bühne. Wer genau hinschaute, sah dann aber
gleich einen fünften Mann, der sich zunächst unauffällig im hinteren
Teil der Bühne installierte. Dabei handelte es sich um den auf der Tour
aushelfenden zweiten Gitarristen Ted Leonard, der, wie Kollege Morse,
sonst auch noch bei Spock’s Beard zockt und ebenso das Lineup von
Enchant ziert. Eigentlich hätte da Daniel Gildenlöw von Pain Of
Salvation auflaufen sollen, doch der war privat verhindert. Das
freilich veränderte die Ausgangslage für Transatlantic nicht, denn
Leonard zeigte von Anfang an, dass er es genau so drauf hat. Als Opener
wurde mit «Into The Blue» gleich ein neuer Song gewählt, der zunächst
mal herrlich nach den alten Genesis klang und den langen Konzertabend
optimal einleitete. Bis der Gesang beim über 25-minütigen Epos
einsetzte, musste man sich allerdings einige Zeit (so an die sieben
Minuten) gedulden, doch wer ein echter Progger ist, schwelgte bereits
jetzt schon in anderen Sphären.
Anders als bei „normalen“ Konzerten, lauschte das Publikum andächtig
und ruhig, um dann jeweils am Ende der Songs überaus lautstark zu
applaudieren. Wer hingegen grundsätzlich nicht auf dem Mund sitzen
konnte, war natürlich Blaubart-Träger Mike Portnoy, der sich laufend
mit den Fans unterhielt. Bevor mit dem verhältnismässig ruhigen «Shine»
der zweite neue Song aufzeigte, wie gut das aktuelle Material geworden
ist, drehte «My New World» das Rad der Zeit zurück zu den Anfängen des
Debüts von 2000, als noch die aneinander gereihten Nachnamen der
Musiker als Albumtitel herhalten mussten. Es dauerte nicht lange, bis
sich die Topstar-Riege warm gespielt hatte und danach alle Register
zog, die man aus dieser Stilecke erwarten kann. Dabei zeigte Neil
Morse, dass er nebst seiner Stimme auch mit seinem Keyboard-Spiel
glänzte und sich etwas später beim absolut hammermässigen Duett mit
Roine Stolt auch auf der akustischen Gitarre keinerlei Blösse gab. Der
Leadgesang wechselte immer wieder mal zwischen Morse, Stolt und auch
Portnoy hin und her, während Trewavas wie auch Leonard Backing Vocals
beisteuerten. Es war ein Augen- und vor allem riesiger Ohrenschmaus,
diesem Profi-Ensemble lauschen zu können. Die Leichtigkeit des präzisen
Zusammenspiels war nichts anderes als absolute Weltklasse und trieb dem
begeisterten Publikum schier die Tränen in die Augen. Was dabei Mike
Portnoy am Schlagzeug ablieferte, erinnerte logischerweise an die guten
alten Dream Theater Zeiten, die jedoch definitiv vorbei zu sein
scheinen. Langweilig wird es dem Ausnahmemusiker deswegen dennoch
nicht, da dieser ja bekanntlich bei diversen anderen Projekten und
Bands, wie zuletzt bei The Winery Dogs und Bigelf, aktiv mittut.
Der reguläre Teil des Konzertes wurde nach über zwei Stunden Spielzeit
mit dem grandiosen Titeltrack «Kaleidoscope» abgeschlossen. Hierbei
schlug mehr als eine halbe Stunde zu Buche, während der die ganze
Spannbreite von Progressive Metal in Reinkultur zelebriert wurde und
die anwesenden Prog-Fans verzückte. Das Urteil meiner persönlichen
Premiere fiel ebenso euphorisch aus. Besser oder vergleichbar kann man
das, ausser in den angestammten Bands der Musiker, nicht machen und
Transatlantic stehen fester denn je als homogene Band da, die eine
grosse Bereicherung der Szene darstellt. Es darf wohl auch künftig, ja
hoffentlich von weiteren Klangjuwelen ausgegangen werden, die unter
diesem Banner noch entstehen werden. «Stranger In Your Soul» vom
zweiten Opus «Bridge Across Forever» (2001) schraubte schliesslich die
totale Spielzeit zumindest in die Region von drei Stunden und empfahl
sich wärmstens für den nächsten Besuch in der Schweiz. Ob das Ganze
heuer im Juni auch am «Sweden Rock» funktioniert, kann ich leider nicht
mit eigenen Augen sehen und hören, aber Metal Factory wird vor Ort
sein und mitunter auch davon berichten.
Setliste: «Intro ("The Orchestral Whirlwind")» - «Into The Blue» - «My
New World» - «Shine» - «Whirlwind Medley» - «Overture (Abridged)» -
«Rose Colored Glasses» - «Evermore» - «Is It Really Happening?» -
«Dancing With Eternal Glory» - «(Whirlwind [Reprise] section)» -
«Guitar Duet (Morse and Stolt)» - «We All Need Some Light» - «Black As
The Sky» - «Beyond The Sun» - «Kaleidoscope» - «Encore: All of the
Above (Full Moon Rising/October Winds)» - «Stranger In Your Soul
(Slide/Stranger In Your Soul)».
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