Livereview: Transatlantic

05. März 2014, Pratteln – Z7
By Rockslave
 
Eigentlich hätte ich an diesem Abend ja in Aarau im Radiostudio von Kanal-K, zusammen mit Metalrose und Rocknrolla, sitzen und unsere Sendung «Rock Lounge» mitmoderieren sollen. Doch für einmal hatte ich mich ausgeklinkt, und damit wurde der Weg frei für Transatlantic, die ich, soweit ich das beurteilen, respektive mich zurück erinnern kann, bisher noch nie live gesehen hatte. Im Wissen darum, dass diese Allstar-Truppe nicht einfach nur aus einem wild zusammengewürfelten Haufen egozentrischer Musiker besteht, liess echte Vorfreude in mir aufkommen. Solche Paarungen müssen zwar nicht zwingend harmonieren, respektive haben oft einen kurzen Atem und hinterlassen dann immerhin die entsprechenden Tonträger als ewigliche Klangschätze. Was die soeben angesprochene Ausdauer angeht, so besteht die Band bereits seit beachtlichen fünfzehn Jahren! In dieser Zeit sind verständlicherweise nicht schon sieben oder noch mehr Alben erschienen, da die Protagonisten ja noch diverse andere Betätigungsfelder abdecken mussten. Fünf Jahre nach «The Whirlwind» steht nun mit «Kaleidoscope» ein brandneues Studio-Album in den Startlöchern, das die Zielgruppe wiederum nicht enttäuscht. Da live mit jeweils an die drei Stunden Spielzeit gerechnet werden kann, erübrigte sich die Frage nach einem Support im gleichen Atemzug.

Transatlantic

Um etwa 20.10 Uhr ging das Licht über den Köpfen von gut 750 Fans dann endlich aus und es erklang «The Orchestral Whirlwind» als instrumentales Intro, das sich etwa zehn Minuten hinzog. Die Fotographen warteten derweil alle schön brav beim Eingang zum Fotograben, da sich auf der Bühne ja noch nichts tat. Als sich der grosse Uhrenzeiger in Richtung halb neun bewegte, fand das Warten ein Ende. Nacheinander kamen Roine Stolt (The Flower Kings), Neil Morse (Spock’s Beard), Pete Trewavas (Marillion) und Drum-Zampano Mike Portnoy (Ex-Dream Theater, The Winery Dogs) unter grossem Anfangsapplaus auf die Bühne. Wer genau hinschaute, sah dann aber gleich einen fünften Mann, der sich zunächst unauffällig im hinteren Teil der Bühne installierte. Dabei handelte es sich um den auf der Tour aushelfenden zweiten Gitarristen Ted Leonard, der, wie Kollege Morse, sonst auch noch bei Spock’s Beard zockt und ebenso das Lineup von Enchant ziert. Eigentlich hätte da Daniel Gildenlöw von Pain Of Salvation auflaufen sollen, doch der war privat verhindert. Das freilich veränderte die Ausgangslage für Transatlantic nicht, denn Leonard zeigte von Anfang an, dass er es genau so drauf hat. Als Opener wurde mit «Into The Blue» gleich ein neuer Song gewählt, der zunächst mal herrlich nach den alten Genesis klang und den langen Konzertabend optimal einleitete. Bis der Gesang beim über 25-minütigen Epos einsetzte, musste man sich allerdings einige Zeit (so an die sieben Minuten) gedulden, doch wer ein echter Progger ist, schwelgte bereits jetzt schon in anderen Sphären.

Anders als bei „normalen“ Konzerten, lauschte das Publikum andächtig und ruhig, um dann jeweils am Ende der Songs überaus lautstark zu applaudieren. Wer hingegen grundsätzlich nicht auf dem Mund sitzen konnte, war natürlich Blaubart-Träger Mike Portnoy, der sich laufend mit den Fans unterhielt. Bevor mit dem verhältnismässig ruhigen «Shine» der zweite neue Song aufzeigte, wie gut das aktuelle Material geworden ist, drehte «My New World» das Rad der Zeit zurück zu den Anfängen des Debüts von 2000, als noch die aneinander gereihten Nachnamen der Musiker als Albumtitel herhalten mussten. Es dauerte nicht lange, bis sich die Topstar-Riege warm gespielt hatte und danach alle Register zog, die man aus dieser Stilecke erwarten kann. Dabei zeigte Neil Morse, dass er nebst seiner Stimme auch mit seinem Keyboard-Spiel glänzte und sich etwas später beim absolut hammermässigen Duett mit Roine Stolt auch auf der akustischen Gitarre keinerlei Blösse gab. Der Leadgesang wechselte immer wieder mal zwischen Morse, Stolt und auch Portnoy hin und her, während Trewavas wie auch Leonard Backing Vocals beisteuerten. Es war ein Augen- und vor allem riesiger Ohrenschmaus, diesem Profi-Ensemble lauschen zu können. Die Leichtigkeit des präzisen Zusammenspiels war nichts anderes als absolute Weltklasse und trieb dem begeisterten Publikum schier die Tränen in die Augen. Was dabei Mike Portnoy am Schlagzeug ablieferte, erinnerte logischerweise an die guten alten Dream Theater Zeiten, die jedoch definitiv vorbei zu sein scheinen. Langweilig wird es dem Ausnahmemusiker deswegen dennoch nicht, da dieser ja bekanntlich bei diversen anderen Projekten und Bands, wie zuletzt bei The Winery Dogs und Bigelf, aktiv mittut.

Der reguläre Teil des Konzertes wurde nach über zwei Stunden Spielzeit mit dem grandiosen Titeltrack «Kaleidoscope» abgeschlossen. Hierbei schlug mehr als eine halbe Stunde zu Buche, während der die ganze Spannbreite von Progressive Metal in Reinkultur zelebriert wurde und die anwesenden Prog-Fans verzückte. Das Urteil meiner persönlichen Premiere fiel ebenso euphorisch aus. Besser oder vergleichbar kann man das, ausser in den angestammten Bands der Musiker, nicht machen und Transatlantic stehen fester denn je als homogene Band da, die eine grosse Bereicherung der Szene darstellt. Es darf wohl auch künftig, ja hoffentlich von weiteren Klangjuwelen ausgegangen werden, die unter diesem Banner noch entstehen werden. «Stranger In Your Soul» vom zweiten Opus «Bridge Across Forever» (2001) schraubte schliesslich die totale Spielzeit zumindest in die Region von drei Stunden und empfahl sich wärmstens für den nächsten Besuch in der Schweiz. Ob das Ganze heuer im Juni auch am «Sweden Rock» funktioniert, kann ich leider nicht mit eigenen Augen sehen und hören, aber Metal Factory wird vor Ort sein und mitunter auch davon berichten.

Setliste: «Intro ("The Orchestral Whirlwind")» - «Into The Blue» - «My New World» - «Shine» - «Whirlwind Medley» - «Overture (Abridged)» - «Rose Colored Glasses» - «Evermore» - «Is It Really Happening?» - «Dancing With Eternal Glory» - «(Whirlwind [Reprise] section)» - «Guitar Duet (Morse and Stolt)» - «We All Need Some Light» - «Black As The Sky» - «Beyond The Sun» - «Kaleidoscope» - «Encore: All of the Above (Full Moon Rising/October Winds)» - «Stranger In Your Soul (Slide/Stranger In Your Soul)».