Es ist kein Wunder, dass so eine eigenständige und auffällige
Band wie Tÿr ausgerechnet auf den Färöer-Inseln entstand, denn dank
der kleinen Fläche und Isoliertheit sind da normannische Traditionen und
Färöisch, das als eine der archaischsten Formen der skandinavischen
Sprachen gilt, erhalten geblieben. Es stand auch noch der Auftritt
der Schweizer Folk/Death Metal-Band Abinchova aus Luzern bevor. Diese
sind mittlerweile nicht nur inner- sondern auch ausserhalb der Heimat
ziemlich bekannt. Kurz und gut, es stand ein interessanter Abend
auf dem Menüplan.
Abinchova
Um halb zehn kamen nacheinander die Band-Mitglieder von Abinchova auf
die Bühne. Man spürte, dass sich die Musiker dank dem Auftritt am
Heimatort sehr wohl auf der Bühne fühlten. Die ersten Riffs von
«Hörensagen» hoben gleich die Stimmung der Zuschauer. Abinchova wurden
lautstark abgefeiert. Natürlich
starrten alle zuerst auf die Sängerin/Geigerin Nora. Der
zweite Sänger Arnaud war auch sehr auffällig, verhielt sich sehr
ausdrucksvoll und heizte das Publikum auf. Nora hatte eine Korsage
mit weissen Musterungen an und hob sich dadurch gegenüber ihren
Mitmusikern hervor, die eher wie Vertreter einer jungen Metalcore Band
aussahen. Wie ich später heraus fand, hatte dieser Kontrast eine
entsprechende Bedeutung (wer den Clip zu «Wegweiser» kennt, versteht den
Sinn). Ich muss beifügen, dass der Sound in der Halle so eingestellt
wurde, dass die Gesangsstimmen leider in den Hintergrund gemischt und
somit schlecht zu hören waren. Vermutlich wollten die Techniker
dadurch mehr die Rhythm-Section akzentuieren, wie man es traditionsgemäss
bei Death Metal Konzerten macht. Im Folk Metal Genre sind die
Gesangs-Parts jedoch vor grosser Bedeutung, da sie der Musik den
eigentümlichen Charme verleihen. Es ist bekannt, dass neben den Chören
der a appella Gesang als höchst urtümlicher und authentischer Gesang gilt.
Ebenso wäre es wünschenswert, dass auch die Pianoklänge, die zweifellos als
Schmuckstück dieser Musik gelten, hörbarer gewesen wären.
Die Band nutzte ihren Auftritt dazu, die neu heraus gegebene 7" Vinyl
Single «Handgeschrieben» vorzustellen. Das Publikum durfte sich die
Lieder von dieser Single nun live anhören. Diese Songs rückten ins
Rampenlicht durch ihre Neuausrichtung hin zur Folkmusik. Eher merkwürdig
hörte sich hingegen die folkartige Melodie an, die mit Samples
gemixt wurde (was im Metalcore an sich typisch ist). Aus dem neuem Album
spielten Abinchova
nur
zwei Lieder, nämlich «Wegweiser» und «Wandlung». Diese kamen bei Fans
sehr gut an. Ganz zu schweigen von den alten Songs, die mehrmals auf
Folkfest-Spielen und Konzerten aufgeführt wurden. Der Hit «Abendteuer»
war besonders schmissig. Vor dem letzten Lied «Pestfinger» setzte
der Sänger zu einer One-Man Show an. Er erzählte dabei eine furchterregende
Geschichte von einem Bauern, der ein schwarzes Geschwür, als
Zeichen einer tödlichen Krankheit, am Finger trug. Der Arzt des Mittelalters
empfahl ihm nichts anderes ausser einer Fingeramputation. Arnaud begleitete
seine Narration durch Gesten und Elementen der Mimik. Als Folge davon
tobte ein Sturm des Beifalls durch den Saal.
Setliste: «Hörensagen» - «HundertRaben» - «Eule» - «Wegweiser» - «Wandlung»
- «Abenteuer» - «Heimatlos» - «Pestfinger».
Tÿr
Der Soundcheck des Headliners dauerte ziemlich lange. Heri Jonsen sang
Chansonetten aus «Regin Smiður», in färöischer Sprache und ohne
Instrumentalbegleitung. Es war sehr interessant, ihn dabei zu
beobachten. Es ist erfreulich, dass die Band mit Aufführungen
solcher Art nicht geizte und nicht nur «Regin Smiður», sondern
auch «Tróndur Í Gøtu» und «Sinklars Vísa» zum Besten gab. Bemerkenswert
ist dabei, dass der Live-Gesang solcher Lieder einen besonders
starken Eindruck hinterlässt, denn es bestehen keine Zweifel,
dass die Lieder auch von den Normannen in dieser Art und Weise
gesungen wurden. Auch die anderen Musiker sangen mit Heri mit. Die hohe
Gesangsstimme des Bassisten Gunnar H. Thomsen war auch hörbar
und bildete so eine harmonische Ergänzung zu Heri. Man muss noch anmerken,
dass Tÿr nicht nur dank ihrer Herkunft und Authentizität einzigartig
sind. Diese Band durchlief auch eine interessante Entwicklung und
erfand am Beginn ihrer Karriere ihren eigenen einzigartigen Sound,
der bis heute von den Musikkritikern nicht ganz verstanden wird.
Zuerst spielte die Gruppe gemässigte Stücke, die ab und zu
an Black Sabbath erinnerten. Aus der Frühphase ihres Schaffens
spielten Tÿr die zwei Lieder «Dreams» und «Wings Of Time». Ich bin
der Band sehr dankbar dafür, dass sie ihren Wurzeln treu blieb.
Meiner Meinung nach sollten die Nordländer aber auch progressive
Kompositionen wie zum Beispiel «Alive» spielen. Keine Ahnung, warum
sie diese Seite ihres Backkataloges auslassen. Natürlich legte man
den Schwerpunkt auf das letzte Power/Heavy Metal Album «The Lay Of
Trym», das die Zuschauer blitzschnell mit Energie auflud. Wie immer,
durften die Fans das wunderbare Gitarren-Duo Terji Skibenaes
und Heri Jonsen geniessen. Für mich stellt diese Band die am besten
eingespielte Mannschaft unter den neueren Bands dar. Dank der genialen
Gitarren-Arbeit gelangen auch die Covers von «I» (Black Sabbath) und
«Stargazer» (Rainbow) besonders gut. Leider trauen sich die Musiker
noch nicht, diese Klassiker auf Konzerten aufzuführen.
Setliste: «Flames Of The Free» - «Shadow Of The Swastika» - «Hall Of
Freedom» - «Northern Gate» - «Regin Smiður» - «Dreams» - «Wings Of
Time» - «Evening Star» - «Sinklars Vísa» - «Tróndur Í Gøtu» - «Hail To
The Hammer» - «Take Your Tyrant» - «Hold The Heathen Hammer High» - «By
The Sword In My Hand» -- «The Lay Of Thrym».
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