Während alle in die Konzertsäle rennen wenn Accept
spielen, bleibt oftmals unbemerkt, dass Udo Dirkschneider in all den
Jahren immer am Leben war. Während sich seine ehemalige Hauptband
mit amerikanischen Musikern das eigene Grab schaufelte oder
zwischendurch total von der Bildfläche verschwunden war, stand der
«Metal Tank» mit seinem Tarnanzug immer an vorderster Front und
kämpfte für seinen Sound. Seit zwei Jahren wird er von einem neuen,
unglaublichen Gitarrenduo unterstützt. Waren früher gewisse Lieder
auf der Bühne nicht umsetzbar, ist dies heute für Udo und seine
Mitstreiter kein Thema mehr. Aus diesem Grund konzentriert sich der
Deutsche mehr auf seine eigene U.D.O.-Historie und lässt seine
Accept-Vergangenheit höchstens noch im Zugabeblock zu Worte kommen.
Auf dieser Tour musste Mister Dirkschneider zusätzlich auf seinen
langjährigen Schlagzeuger Francesco Jovino verzichten, der aus
persönlichen Gründen seinen Stuhl frei gab. Kein Geringerer als Sven
Dirkschneider, der Sohn des Bandleaders, sitzt nun hinter dem
Schlagzeug und haut einen dermassen wuchtigen Groove in die
Konzerthallen, dass man Francesco sehr schnell vergisst.
Garagedays
Doch bevor U.D.O. ihren Siegeszug antraten, standen Garagedays auf der
Bühne. Die Jungs stammen aus Österreich und konnten echt einen
Achtungserfolg verbuchen. Irgendwo zwischen coolem Groove, 80er
Metal und Thrash angesiedelt, spielte sich der Vierer in die Herzen
der Besucher. Die Jungs sehen mit ihrem streetliken Look wirklich
so aus, als kämen sie gerade direkt aus einer Garage. Optisch präsentierte sich
neben Tattoos, wilden Harren, Jeans und Leder eine bangende Truppe,
die vorangetrieben von Sänger Marco Kern (erinnert mit seiner Stimme
an eine Mischung aus Mille, Chris Boltendahl und Udo) und dem
solistisch sattelfesten Gitarristen Rene Auer rastlos auf der Bühne
stand. Mit viel Abwechslung in den Songs, leichte Erinnerungen an
alte Metallica-Songs wurden wach, und einem breiten Spektrum an
Metal, Rock, Punk und auch Balladen, wurden die Anwesenden schon mal
aus der Lethargie geholt. So gut es dann auch ging, denn der
Pratteler Saal, beziehungsweise die Besucher, entpuppten sich an
diesem Abend als schwer zu knackendes Publikum. Dafür machten die
Österreicher ihren Job aber sehr gut und ich denke, wir werden in
den kommenden Monaten noch das eine oder andere von den Jungs hören.
Sister Sin Weiter gings mit einer
gehörigen Portion Sex, Kick Ass-Attitüde, harten Klängen und einer
Frontfrau, die am Stuhl von Doro Pesch sägt. Tja, die eigentliche
Metal Queen bekommt starke Konkurrenz. Eine, die sich auf eine ganz
andere Art als Doro zu präsentieren weiss und sich dabei, den Songs
entsprechend, auf der Bühne zur Show stellt. Liv Jagrell ist
der wahr gewordene, feuchte Männertraum, der sich in
Menschengestalt
verwandelt hat. Eine Frau, die dich mit ihrer grossartigen, rauen
und kräftigen Rockröhre fest an den Eiern packt und mit einem
süffisanten Lächeln zugreift. Daneben stehen mit Jimmy (Gitarre) und
Strandh (Bass) zwei Rüpel auf der Bühne, denen das Bier und der
Whisky aus den Adern fliesst und die mit ihren Instrumenten den
Songs eine unglaubliche Power einhauchen. Mittelpunkt bleibt aber
klar Frontlady Liv. Die breitbeinig bangend oder wie eine Schlange
tanzend («Desert Queen») das Publikum begeistert, verzaubert und
animiert. So mancher will der Rockröhre dabei unter den extrem
knappen Rock schauen, wenn die heisse Lady, Bruce Dickinson mässig
das eine Bein lässig auf die Monitorbox stellt. Ihre Performance
ist extrem professionell, was aber auch dazu führt, dass ihre
Mitmusiker zu Statisten degradiert werden. Liv ist im Grunde aber
eine ganz einfach Person, die nach «Desert Queen» als Dank unzählige
Handküsschen ins Publikum verteilt und sich für die gute Resonanz
beim Publikums bedankt. Interessanterweise spielen Sister Sin die
Cover-Version «24/7» von U.D.O., mit der wohl niemand gerechnet hat.
Diese Nummer passt aber wie der berühmte Deckel zur Truppe, die sich
hier laut, rüde und ungehobelt durch die Songs spielt. Hoffen wir,
dass uns der Vierer schon bald wieder besucht, denn hier baut sich
seit 2003 eine hoffnungsvolle, talentiert und an sich glaubende Band
auf.
Setliste: «Food For Worms» - «Outrage» - «Chaos
Royal» - «Heading For Hell» - «24/7» - «Desert Queen» - «Fight Song» -
«Sail North» - «Hearts Of Gold».
U.D.O.
Finnen können lächeln! Zumindest wenn man sich Kasperi Heikkinen
anschaut, der während den kompletten zwei Stunden Spielzeit ein
nicht aus dem Gesicht zu sprengendes Lächeln zur Show trägt.
Zusammen mit Andrey Smirnov bildet er das neue Gitarrenduo, welches
sich in den folgenden 120 Minuten in einen wahren Rausch spielte.
Solierend und oftmals sehr nahe an den U.D.O.-Originalen, bauten die
beiden immer wieder eigene kleine Ideen ein, die aber sehr passend
und extrem virtuos klangen. Erinnerungen an die Zeit mit Mathias Dieth
wurden wach, als der damalige Derwisch sich sicher und filigran über
die Saiten bewegte und heute gleich in doppelter Manier vertreten
wurde. War es alleine oder zu zweit, Andrey und Kasperi spielten
sich um
den Verstand und hinterliessen nur verbrannte Erde. WAHNSINN! Wer es
nicht glauben kann und will, dem sei alleine die Interpretation vom
Accept-Klassiker «Fast As A Shark» als Beweismittel
entgegen geschleudert! Mitten drin Fitty Wienhold, der langhaarige
Bär, der bangend wie solide seine Bassgrooves in die Menge pfeffert,
dass kein Auge trocken bleibt und hinter ihm neu Sven Dirkschneider
mit einem unglaublichen Punch seine Felle und Becken zerdeppert.
Dabei jongliert er seine Drumsticks mit einer Coolness, die locker
an jene von Tommy Lee (Mötley Crüe) erinnert. Mit Harrison Young hat
sich der Fünfer ein sechstes Bandmitglied (von Doro) in die Reihen
geholt. Energisch, den Songs entsprechend und mit technischen
Finessen bestückt, passt der Keyboarder bestens in die Truppe.
Der Meister «himself» röhrte sich gewohnt souverän durch die
Songs. Unglaublich, dass Udo nach all den Jahren, er ist
mittlerweile 63 Jahre jung, noch immer wie am ersten Tag klingt.
Mit seinem typischen Tarnanzug stand der Shouter auch an diesem
Abend auf der Bühne, liess die Musik für sich sprechen und sprach
wie gewohnt eher selten zum Publikum. Er ist nicht der grosse
Entertainer. Er singt, dirigiert und überlässt die Show seinen
Nebenleuten, die bangend und als U.D.O.-Ballett den Liedern die
nötige optische Würze verliehen. Als hätte Udo durch seine beiden neuen
Gitarristen
eine Verjüngungskur gemacht, stand der Sänger zwei Stunden
ohne Abnützungs-erscheinungen auf der Bühne und schrie sich nach dem
«Heidi-Heido-Heida»-Intro von «Fast As A Shark» mit einem
markerschütternden Schrei die Seele aus dem Hals. Udo stachelt das
Publikum immer wieder an. Es schien aber, dass die Anwesenden nur an
der Vergangenheit von Accept interessiert waren. Zumindest bekamen die
letzten drei Songs fast den grössten Applaus. Schade, denn U.D.O.
spielte an diesem Abend ein extrem breites, musikalisches Spektrum.
War es der eher moderne Titelsong des neusten Albums «Decadent», das
eher melodische «Never Cross My Way» vom Vorgänger-Werk
«Steelhammer», die brachiale Evergreen-Nummer «Independence Day», das
ultraschnelle «Metal Eater», das AC/DC-like «Break The Rules», oder
das lockere «Blitz Of Lightning», U.D.O. spielten Hit an Hit. Dabei
wurden noch nie oder sehr selten gespielte Tracks wie «Black Widow»
vom Debüt-Album «Animal House» oder eine akustische
Version von «Tears Of A Clown» eingestreut und das bereits erwähnte «Blitz Of
Lightning». Anstelle dessen wurden Standards wie «Animal House»,
«Holy», «24/7», «They Want War» oder viele Accept-Tracks nicht
gespielt. BRAVO! Genau so will ich meinen Udo hören, denn oftmals
wird der Sänger nur auf seine «A»-Vergangenheit reduziert und dabei
vergessen, welche grandiosen Studioscheiben er unter dem Namen U.D.O.
veröffentlichte. Auch die Zusammenstellung, die Durchmischung der
Songs in der Setliste war der Hammer. Alleine der Übergang, oftmals
wurden die Songs ohne Pause gespielt, von «Black Widow» zu «Never
Cross My Way», von Härte zu Melodie blieb ein unvergesslicher Moment.
«Gehts euch gut da draussen?» Was für eine Frage! Logisch, auch
wenn die Anwesenden immer noch verhalten mit ihrer Euphorie umgingen.
Zumindest nach dem musikalischen Brett in Form von «The Bullet And
The Bomb» und dem U.D.O. typischen Gitarren Ballett (alle drei
Saitenhelden stehen zusammen und machen die gleichen Posen) wurde
das Eis zwischen Band und Publikum dünner. Mit dem klassisch
angehauchten Keyboardsolo und dem folgenden Akustik-Set mit «Tears
Of A Clown» und «Secrets In Paradise» betraten die Herren Neuland.
Einen neuen Boden, der gefestigt wurde durch das famose
Zusammenspiel von (Akustik-)Gitarren und Keyboard und der packenden
Stimme von Udo. Nach diesem emotionalen Ausflug ging es weiter mit
dem filigran vorgetragenen «Faceless World», das in seiner Art kaum
zu toppen ist. Ebenso wenig wie die Doppelsolos bei «Pain», «Metal
Machine» oder «Fast As A Shark». Zudem schlug das vom neusten
Studiowerk bekannte «Untouchable» wie eine Bombe ein und könnte
zukünftig zu einem unverzichtbaren Hit werden. Udo und seine
Mannschaft sind vom neusten Album überzeugt. Spielten sie doch
sieben Songs daraus und hielten mit zwei Songs des Vorgängers «Steelhammer»
an der Richtung fest. Daneben gab es drei Accept-Songs und sechs
Lieder aus den ersten fünf Scheiben. Der Zugabeblock mit «Break The
Rules» und den drei Accept-Klassikern beendete einen fulminanten
Abend mit einer Band, die ihren Zenith noch lange nicht überschritten
hat. Da hat es noch Luft nach oben.
Setliste:
«Speeder» - «Blitz Of Lightning» - «King Of Mean» - «Decadent» -
«Independence Day» - «Black Widow» - «Never Cross My Way» - «The Bullet
And The Bomb» - «Under Your Skin» - «Tears Of A Clown (Acoustic)» -
«Secrets In Paradise (Acoustic)» - «Faceless World» - «Pain» -
«Untouchable» - «Let Me Out» - «Metal Machine» - «Metal Eater» -- «Break
The Rules» - «Princess Of The Dawn» - «Fast As A Shark» - «Balls To The
Wall».
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