Livereview: U.D.O. - Sister Sin - Garagedays

30. März 2015, Pratteln – Z7
By Tinu
 
Während alle in die Konzertsäle rennen wenn Accept spielen, bleibt oftmals unbemerkt, dass Udo Dirkschneider in all den Jahren immer am Leben war. Während sich seine ehemalige Hauptband mit amerikanischen Musikern das eigene Grab schaufelte oder zwischendurch total von der Bildfläche verschwunden war, stand der «Metal Tank» mit seinem Tarnanzug immer an vorderster Front und kämpfte für seinen Sound. Seit zwei Jahren wird er von einem neuen, unglaublichen Gitarrenduo unterstützt. Waren früher gewisse Lieder auf der Bühne nicht umsetzbar, ist dies heute für Udo und seine Mitstreiter kein Thema mehr. Aus diesem Grund konzentriert sich der Deutsche mehr auf seine eigene U.D.O.-Historie und lässt seine Accept-Vergangenheit höchstens noch im Zugabeblock zu Worte kommen. Auf dieser Tour musste Mister Dirkschneider zusätzlich auf seinen langjährigen Schlagzeuger Francesco Jovino verzichten, der aus persönlichen Gründen seinen Stuhl frei gab. Kein Geringerer als Sven Dirkschneider, der Sohn des Bandleaders, sitzt nun hinter dem Schlagzeug und haut einen dermassen wuchtigen Groove in die Konzerthallen, dass man Francesco sehr schnell vergisst.

Garagedays
Doch bevor U.D.O. ihren Siegeszug antraten, standen Garagedays auf der Bühne. Die Jungs stammen aus Österreich und konnten echt einen Achtungserfolg verbuchen. Irgendwo zwischen coolem Groove, 80er Metal und Thrash angesiedelt, spielte sich der Vierer in die Herzen der Besucher. Die Jungs sehen mit ihrem streetliken Look wirklich so aus, als kämen sie gerade direkt aus einer Garage. Optisch präsentierte sich neben Tattoos, wilden Harren, Jeans und Leder eine bangende Truppe, die vorangetrieben von Sänger Marco Kern (erinnert mit seiner Stimme an eine Mischung aus Mille, Chris Boltendahl und Udo) und dem solistisch sattelfesten Gitarristen Rene Auer rastlos auf der Bühne stand. Mit viel Abwechslung in den Songs, leichte Erinnerungen an alte Metallica-Songs wurden wach, und einem breiten Spektrum an Metal, Rock, Punk und auch Balladen, wurden die Anwesenden schon mal aus der Lethargie geholt. So gut es dann auch ging, denn der Pratteler Saal, beziehungsweise die Besucher, entpuppten sich an diesem Abend als schwer zu knackendes Publikum. Dafür machten die Österreicher ihren Job aber sehr gut und ich denke, wir werden in den kommenden Monaten noch das eine oder andere von den Jungs hören.


Sister Sin
Weiter gings mit einer gehörigen Portion Sex, Kick Ass-Attitüde, harten Klängen und einer Frontfrau, die am Stuhl von Doro Pesch sägt. Tja, die eigentliche Metal Queen bekommt starke Konkurrenz. Eine, die sich auf eine ganz andere Art als Doro zu präsentieren weiss und sich dabei, den Songs entsprechend, auf der Bühne zur Show stellt. Liv Jagrell ist der wahr gewordene, feuchte Männertraum, der sich in Menschengestalt verwandelt hat. Eine Frau, die dich mit ihrer grossartigen, rauen und kräftigen Rockröhre fest an den Eiern packt und mit einem süffisanten Lächeln zugreift. Daneben stehen mit Jimmy (Gitarre) und Strandh (Bass) zwei Rüpel auf der Bühne, denen das Bier und der Whisky aus den Adern fliesst und die mit ihren Instrumenten den Songs eine unglaubliche Power einhauchen. Mittelpunkt bleibt aber klar Frontlady Liv. Die breitbeinig bangend oder wie eine Schlange tanzend («Desert Queen») das Publikum begeistert, verzaubert und animiert. So mancher will der Rockröhre dabei unter den extrem knappen Rock schauen, wenn die heisse Lady, Bruce Dickinson mässig das eine Bein lässig auf die Monitorbox stellt. Ihre Performance ist extrem professionell, was aber auch dazu führt, dass ihre Mitmusiker zu Statisten degradiert werden. Liv ist im Grunde aber eine ganz einfach Person, die nach «Desert Queen» als Dank unzählige Handküsschen ins Publikum verteilt und sich für die gute Resonanz beim Publikums bedankt. Interessanterweise spielen Sister Sin die Cover-Version «24/7» von U.D.O., mit der wohl niemand gerechnet hat. Diese Nummer passt aber wie der berühmte Deckel zur Truppe, die sich hier laut, rüde und ungehobelt durch die Songs spielt. Hoffen wir, dass uns der Vierer schon bald wieder besucht, denn hier baut sich seit 2003 eine hoffnungsvolle, talentiert und an sich glaubende Band auf.

Setliste: «Food For Worms» - «Outrage» - «Chaos Royal» - «Heading For Hell» - «24/7» - «Desert Queen» - «Fight Song» - «Sail North» - «Hearts Of Gold».

U.D.O.
Finnen können lächeln! Zumindest wenn man sich Kasperi Heikkinen anschaut, der während den kompletten zwei Stunden Spielzeit ein nicht aus dem Gesicht zu sprengendes Lächeln zur Show trägt. Zusammen mit Andrey Smirnov bildet er das neue Gitarrenduo, welches sich in den folgenden 120 Minuten in einen wahren Rausch spielte. Solierend und oftmals sehr nahe an den U.D.O.-Originalen, bauten die beiden immer wieder eigene kleine Ideen ein, die aber sehr passend und extrem virtuos klangen. Erinnerungen an die Zeit mit Mathias Dieth wurden wach, als der damalige Derwisch sich sicher und filigran über die Saiten bewegte und heute gleich in doppelter Manier vertreten wurde. War es alleine oder zu zweit, Andrey und Kasperi spielten sich um den Verstand und hinterliessen nur verbrannte Erde. WAHNSINN! Wer es nicht glauben kann und will, dem sei alleine die Interpretation vom Accept-Klassiker «Fast As A Shark» als Beweismittel entgegen geschleudert! Mitten drin Fitty Wienhold, der langhaarige Bär, der bangend wie solide seine Bassgrooves in die Menge pfeffert, dass kein Auge trocken bleibt und hinter ihm neu Sven Dirkschneider mit einem unglaublichen Punch seine Felle und Becken zerdeppert. Dabei jongliert er seine Drumsticks mit einer Coolness, die locker an jene von Tommy Lee (Mötley Crüe) erinnert. Mit Harrison Young hat sich der Fünfer ein sechstes Bandmitglied (von Doro) in die Reihen geholt. Energisch, den Songs entsprechend und mit technischen Finessen bestückt, passt der Keyboarder bestens in die Truppe.

Der Meister «himself» röhrte sich gewohnt souverän durch die Songs. Unglaublich, dass Udo nach all den Jahren, er ist mittlerweile 63 Jahre jung, noch immer wie am ersten Tag klingt. Mit seinem typischen Tarnanzug stand der Shouter auch an diesem Abend auf der Bühne, liess die Musik für sich sprechen und sprach wie gewohnt eher selten zum Publikum. Er ist nicht der grosse Entertainer. Er singt, dirigiert und überlässt die Show seinen Nebenleuten, die bangend und als U.D.O.-Ballett den Liedern die nötige optische Würze verliehen. Als hätte Udo durch seine beiden neuen Gitarristen eine Verjüngungskur gemacht, stand der Sänger zwei Stunden ohne Abnützungs-erscheinungen auf der Bühne und schrie sich nach dem «Heidi-Heido-Heida»-Intro von «Fast As A Shark» mit einem markerschütternden Schrei die Seele aus dem Hals. Udo stachelt das Publikum immer wieder an. Es schien aber, dass die Anwesenden nur an der Vergangenheit von Accept interessiert waren. Zumindest bekamen die letzten drei Songs fast den grössten Applaus. Schade, denn U.D.O. spielte an diesem Abend ein extrem breites, musikalisches Spektrum. War es der eher moderne Titelsong des neusten Albums «Decadent», das eher melodische «Never Cross My Way» vom Vorgänger-Werk «Steelhammer», die brachiale Evergreen-Nummer «Independence Day», das ultraschnelle «Metal Eater», das AC/DC-like «Break The Rules», oder das lockere «Blitz Of Lightning», U.D.O. spielten Hit an Hit. Dabei wurden noch nie oder sehr selten gespielte Tracks wie «Black Widow» vom Debüt-Album «Animal House» oder eine akustische Version von «Tears Of A Clown» eingestreut und das bereits erwähnte «Blitz Of Lightning». Anstelle dessen wurden Standards wie «Animal House», «Holy», «24/7», «They Want War» oder viele Accept-Tracks nicht gespielt. BRAVO! Genau so will ich meinen Udo hören, denn oftmals wird der Sänger nur auf seine «A»-Vergangenheit reduziert und dabei vergessen, welche grandiosen Studioscheiben er unter dem Namen U.D.O. veröffentlichte. Auch die Zusammenstellung, die Durchmischung der Songs in der Setliste war der Hammer. Alleine der Übergang, oftmals wurden die Songs ohne Pause gespielt, von «Black Widow» zu «Never Cross My Way», von Härte zu Melodie blieb ein unvergesslicher Moment.

«Gehts euch gut da draussen?» Was für eine Frage! Logisch, auch wenn die Anwesenden immer noch verhalten mit ihrer Euphorie umgingen. Zumindest nach dem musikalischen Brett in Form von «The Bullet And The Bomb» und dem U.D.O. typischen Gitarren Ballett (alle drei Saitenhelden stehen zusammen und machen die gleichen Posen) wurde das Eis zwischen Band und Publikum dünner. Mit dem klassisch angehauchten Keyboardsolo und dem folgenden Akustik-Set mit «Tears Of A Clown» und «Secrets In Paradise» betraten die Herren Neuland. Einen neuen Boden, der gefestigt wurde durch das famose Zusammenspiel von (Akustik-)Gitarren und Keyboard und der packenden Stimme von Udo. Nach diesem emotionalen Ausflug ging es weiter mit dem filigran vorgetragenen «Faceless World», das in seiner Art kaum zu toppen ist. Ebenso wenig wie die Doppelsolos bei «Pain», «Metal Machine» oder «Fast As A Shark». Zudem schlug das vom neusten Studiowerk bekannte «Untouchable» wie eine Bombe ein und könnte zukünftig zu einem unverzichtbaren Hit werden. Udo und seine Mannschaft sind vom neusten Album überzeugt. Spielten sie doch sieben Songs daraus und hielten mit zwei Songs des Vorgängers «Steelhammer» an der Richtung fest. Daneben gab es drei Accept-Songs und sechs Lieder aus den ersten fünf Scheiben. Der Zugabeblock mit «Break The Rules» und den drei Accept-Klassikern beendete einen fulminanten Abend mit einer Band, die ihren Zenith noch lange nicht überschritten hat. Da hat es noch Luft nach oben.

Setliste: «Speeder» - «Blitz Of Lightning» - «King Of Mean» - «Decadent» - «Independence Day» - «Black Widow» - «Never Cross My Way» - «The Bullet And The Bomb» - «Under Your Skin» - «Tears Of A Clown (Acoustic)» - «Secrets In Paradise (Acoustic)» - «Faceless World» - «Pain» - «Untouchable» - «Let Me Out» - «Metal Machine» - «Metal Eater» -- «Break The Rules» - «Princess Of The Dawn» - «Fast As A Shark» - «Balls To The Wall».