Hiobsbotschaft! Kurz vor der Tour verbreitete sich die
Information, dass Udo Dirkschneider an einem ernsthaften Knieproblem
laboriert. Laufen nur mit Schmerzen und eigentlich war es "uns Udo"
verboten auf die Bühne zu gehen, sich zu bewegen und schon gar nicht
zu tanzen. Gut, getanzt hat der Sänger noch nie auf der Bühne und so
engte sich der Deutsche seinen Bewegungsradius selber ein. ABER!
Getourt wurde. Dies mit dem neuen, bärenstarken Album «Steelfactory»
im Gepäck, einer Setliste OHNE Accept-Songs und zwei neuen
Bandmitgliedern. Dass Bill Hudson nicht ins Bandgefüge passte,
entpuppte sich schnell nach den ersten Shows. Dass Langzeit Bassist
Fitty Wienhold jedoch seinen Hut nahm, überraschte aber umso mehr. Aber!
Udo wäre nicht U.D.O., hätte die Truppe nicht einen zu erwartenden
tollen Gig abgeliefert. Bevor die Stahlschmiede auf die Stage ging,
schickte sie Reece und Dead City Ruins ins Rennen.
Dead
City Ruins Die Labelkollegen von Udo versuchten von
Beginn weg mit einer agilen Show zu überzeugen. Ihre
bewegungsfreudige Darbietung machte aber nicht wett, dass das
Songmaterial noch nicht über alle Zweifel erhaben ist. Die
Australier boten mit ihrem Hardrock, der mit vielen Elementen der
Siebziger und einigen modernen Parts gefüttert ist, sicher einen
guten Auftakt und hatten mit ihrer sympathischen Art auch keine
Berührungsängste mit dem Publikum. Und trotzdem war es wieder eines
dieser Konzerte, bei dem man sich am Ende des Abends an kaum mehr was
erinnerte. Auch wenn man mit «Dirty Water» einen coolen Track bot,
so richtig knallte der Gig nicht. Einige sahen dies aber ganz anders,
feuerten ihre Band an und machten Stimmung. Sänger Jack Wiffen
war bemüht, schrie sich die Seele aus dem Körper, aber dies leider
auch mit mehr brachialer Urgewalt, denn mit den nötigen Emotionen.
Man darf Dead City Ruins sicher nicht abschreiben, sondern muss sie
im Auge behalten, respektive was die kommende Zeit mit sich bringen wird.
Reece
Der ehemalige Accept- und Bonfire-Sänger hat nach Sainted Sinners
wieder seine Soloband reformiert. David Reece ist für mich eine
ähnlich "tragische" Figur wie Tim "Ripper" Owens. Beide Shouter
sind mit Stimmen gesegnet, die Ihresgleichen suchen. Beide erhielten
die undankbare Aufgabe, einen Sänger zu ersetzen (David, Udo bei
Accept / Tim, Rob Halford bei Judas Priest), die unersetzbar sind
und beide halfen den Bands aus ihren musikalischen Irrläufen und wurden
nicht "glücklich" dabei (David bei Bonfire / Tim bei Iced Earth).
Eines sah man aber an diesem Abend sofort. Mister Reece stand um
einiges lockerer auf der Bühne, als noch zuletzt bei Bonfire.
Selten habe ich den Shouter so viel lächeln gesehen, wie an diesem
Abend. Seine äusserst dankbare Art trug vieles dazu bei, dass die
Fans ihn mit offenen Armen empfingen. "I meet this little band
called Accept und this monster of a man. A legend! Scream for Udo!".
Immer wieder zeigte er seine Dankbarkeit und erwähnte, welch tolle
Zeit sie damals im Studio hatten, als Udo sein erstes Soloalbum
einspielte und Accept an «Eat The Heat» arbeiteten. Heute hat die
Stimme von David nichts von ihrer Erhabenheit verloren. Da verliert
fast jede (Begleit-) Band an Bedeutung und scheint auswechselbar zu
sein. Mister Reece nahm seinen Platz ein, liess den
Instrumentalisten aber auch ihren und poste oft mit ihnen. – Dass
das Publikum schon beim Intro mit lauten "Reece, Reece"-Rufen die
Band empfing, sei nur am Rande erwähnt. – Mit vier Accept- und fünf
«Resilient Heart»-Tracks fand der Ami sofort den Draht zum Publikum.
Mit dem Brecher «D-Train» eröffnete David die Show. Auch wenn der
Sound nicht über alle Zweifel erhaben war, so machte die Show von
Beginn weg Laune. Klar waren es die Accept-Klassiker, welche für
mehr Stimmung sorgten, aber auch die Reece-Tracks wussten zu
überzeugen. Allen voran «Life Before You Die», «Karma» und «Anytime
At All». Udo wurde «Generation Clash» gewidmet (Ansage: "Can you
hear me father?"), «XTC» servierte uns Mister Reece mit einem
unglaublich geilen Gesang und als Rausschmeisser fungierte das
schnelle «Hellhammer». Dieser Auftritt war beste Werbung in eigener Sache, und
wenn man vielleicht das nächste Mal noch einen Track von Bangalore Choir
einbaut…
U.D.O. Die Knieverletzung
merkte man Udo selten an. Er bestach auch an diesem Abend wieder mit
seiner kumpelhaften Art und sang wie in seinen besten Tagen. Es ist
ein Phänomen, dass der Solinger gesanglich in den letzten Jahren
kaum Abstriche machen musste. Während andere Shouter selten mehr an
ihre Leistungen von früher heran reichen, schreit sich der Deutsche
locker durch seine Setliste, die, wie
angedroht,
ab sofort ohne Accept-Songs auskommen muss. Und! Es klappte. Was
eigentlich logisch ist, wenn man den Backkatalog von U.D.O. kennt.
Und an diesem Abend verzichtete Udo auf Lieder aus den Alben «Mean
Machine», «No Limits», «Thunderball», «Dominator» und der vorletzten
Scheibe «Decadent», was bedeutet, dass er noch einiges an Hits in
der Hinterhand gehabt hätte und selbst bei den anderen Scheiben oft nur
einen Track daraus spielte. Dafür wurde der letzte Streich «Steelfactory»
mit sechs Liedern berücksichtigt. Ein Werk, das, bedingt durch die
vorherigen Dirkschneider-Auftritte (bei denen er nur Accept-Lieder
spielte), wieder um einiges erdiger ausfiel. Dazu gesellten sich
viele Hits, wie «24/7», «Independence Day», «Heart Of Gold», «Holy»,
«Animal House» und «They Want War». Unverhofft, aber deswegen nicht
minder kultig geriet die Wiederberücksichtigung von «Mastercutor», «I Give
As Good As I Get», «Timebomb» und «Man And Machine». U.D.O.
überliess nichts dem Zufall. Mit einem schlichten, aber effektiven
Bühnenaufbau, der einer Stahlfabrik gleich kam, liess der Fünfer einmal
mehr die Musik für sich sprechen.
Dies mit einer Band, die
sicherlich noch nicht zu 101% zusammengeschweisst ist, aber schon
einen sehr homogenen Eindruck hinterliess. Udos Sohn Sven trommelte
sehr dynamisch und auf den Punkt genau. Mit seinem extrem coolen
Drumkit gab er den Tracks die rhythmische Unterlage, die es braucht,
um diesen kraftvollen, vorantreibenden Metal zu spielen. Andrey
Smirnov hat sich in der Zwischenzeit zur Nummer Zwei neben Udo
entwickelt. Gefühlte 90% der Solos spielt er, duelliert sich aber
auch immer wieder mit Dee und hat mit seiner herzlichen und
sympathischen Art so gar nichts mit der ansonsten eher unterkühlten
und reservierten russischen Art am Hut. Fabian "Dee" Dammers, sein
neuer Mitspieler an den sechs Saiten, stammt von den englischen The
Treatment und den deutschen Dirty D'Sire. Mit seinen vielen Tattoos
und seinem Baseball-Cap ist er ein zusätzlicher, optischer
Farbklecks. Spielerisch bringt er der Truppe die Unterstützung mit,
welche bestens zu Andrey passt. Wenn sich die beiden die Riffs und
Solos zuspielen und sich mit einem Lächeln auf den Lippen und einem
grinsenden Blick dabei ansehen, weiss man, da haben sich Zwei
gefunden, bei denen noch vieles zu erwarten ist. Auch wenn ich die
Konstellation Smirnov/Heikkinen liebte, das neue Gitarrenduo scheint
auf einem guten Weg zu sein, meine alte Lieblingskonstellation
abzulösen. Speziell auch wenn Fabian bei seinem Kurzsolo einen
kleinen spanischen Part (Flamenco like) einbaut. Schwerer hat es da
Tilen Hudrap. Auch wenn er schon bei Vicious Rumors, Pestilence oder
Paradox in die dicken vier Saiten gegriffen hat, sein Vorgänger
hinterliess übergrosse Fussabdrücke. Fitty war ein Bassmonster.
Einer, der mit seinem bärenartigen Auftreten für eine unglaubliche
Dynamik auf der Bühne sorgte. Einer, bei dem ich mir nie vorstellen
konnte, dass er nicht mehr bei U.D.O. spielt, da er nicht nur auf
der Bühne extrem wichtig war für die Combo. Nun steht da ein
schlanker, junger mit langen Haaren bewaffneter Bassist, der noch
etwas schüchtern wirkt und bei seinem
kurzen Basssolo kurz die Einleitung von Megadeths «Peace Sells»
spielte. Klar haben sich die beiden Neuen sehr gut in die
Performance von U.D.O. integriert. Da hat sich zu früher überhaupt
nichts verändert. Dee wie auch Tilen sind handwerklich sehr gut und
der Gig war, wie nicht anders zu erwarten, einfach nur geil. Wenn man
die Truppe aber über all die Jahre verfolgt und unzählige Gigs im
In- und Ausland gesehen hat, so wirken gewisse "Dinge" noch ein bisschen
"unsicher". Ich bin mir sicher, dass die Truppe noch näher
zueinander finden wird, wir somit noch viele extrem geile
Konzerte sehen werden und dies ein "Mosern" auf ganz ganz extrem
hohen Niveau ist.
U.D.O. sind nach wie vor eine Bank, haben
das "Risiko" keine Accept-Songs zu spielen locker bewältigt, was ich
aber auch nicht anders erwartet habe, und verfügen mit ihren eigenen Tracks
über eine unglaubliche Spannbreite. Sind es Stampfer wie «Independence
Day» und «Man And Machine», Schnelles in Form von «Mastercutor»,
Hymnen wie «They Want War» und «24/7», einen Groover vor dem Herrn à
la «Hungry And Angry», unter die Haut gehende Balladen mit «In The
Darkness» und «I Give As Good I Get», leicht Modernes in der Art von
«Metal Machine», Melodiösem mit «Heart Of Gold» oder einem
Schädelspalter mit «Timebomb». Es war ein sehr abwechslungsreiches
Konzert von einer Truppe, die noch immer sehr viel zu sagen hat und
sich auf das besinnt, was sie ausmacht. Ihre eigenen Tracks mit einem
Dirigenten, der trotz gesundheitlicher Probleme alles gab und mehr
als nur zufrieden mit sich und seiner Band sein konnte.
Setliste: «Intro», «Tongue Reaper», «Make The Move», «24/7»,
«Mastercutor», «A Cry Of A Nation», «Metal Machine», «Independence
Day», «In The Heat Of The Night», «Vendetta», «Rising High»,
«Intro-Guitar Solo Dee Dammers/In The Darkness», «I Give As Good As
I Get», «Timebomb», «Intro-Bass/Drum Solo Tilen Hudrap & Seven
Dirkschneider/Hungry And Angry», «Heart Of Gold», «One Heart One
Soul» - «Holy», «Animal House» - «Man And Machine», «They Want War»,
«Outro-The Show Must Go On (Queen)»
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