Livereview: U.D.O. - Reece - Dead City Ruins

07. Februar 2019, Pratteln – Z7
By Tinu
Hiobsbotschaft! Kurz vor der Tour verbreitete sich die Information, dass Udo Dirkschneider an einem ernsthaften Knieproblem laboriert. Laufen nur mit Schmerzen und eigentlich war es "uns Udo" verboten auf die Bühne zu gehen, sich zu bewegen und schon gar nicht zu tanzen. Gut, getanzt hat der Sänger noch nie auf der Bühne und so engte sich der Deutsche seinen Bewegungsradius selber ein. ABER! Getourt wurde. Dies mit dem neuen, bärenstarken Album «Steelfactory» im Gepäck, einer Setliste OHNE Accept-Songs und zwei neuen Bandmitgliedern. Dass Bill Hudson nicht ins Bandgefüge passte, entpuppte sich schnell nach den ersten Shows. Dass Langzeit Bassist Fitty Wienhold jedoch seinen Hut nahm, überraschte aber umso mehr. Aber! Udo wäre nicht U.D.O., hätte die Truppe nicht einen zu erwartenden tollen Gig abgeliefert. Bevor die Stahlschmiede auf die Stage ging, schickte sie Reece und Dead City Ruins ins Rennen.

Dead City Ruins

Die Labelkollegen von Udo versuchten von Beginn weg mit einer agilen Show zu überzeugen. Ihre bewegungsfreudige Darbietung machte aber nicht wett, dass das Songmaterial noch nicht über alle Zweifel erhaben ist. Die Australier boten mit ihrem Hardrock, der mit vielen Elementen der Siebziger und einigen modernen Parts gefüttert ist, sicher einen guten Auftakt und hatten mit ihrer sympathischen Art auch keine Berührungsängste mit dem Publikum. Und trotzdem war es wieder eines dieser Konzerte, bei dem man sich am Ende des Abends an kaum mehr was erinnerte. Auch wenn man mit «Dirty Water» einen coolen Track bot, so richtig knallte der Gig nicht. Einige sahen dies aber ganz anders, feuerten ihre Band an und machten Stimmung. Sänger Jack Wiffen war bemüht, schrie sich die Seele aus dem Körper, aber dies leider auch mit mehr brachialer Urgewalt, denn mit den nötigen Emotionen. Man darf Dead City Ruins sicher nicht abschreiben, sondern muss sie im Auge behalten, respektive was die kommende Zeit mit sich bringen wird.

Reece
Der ehemalige Accept- und Bonfire-Sänger hat nach Sainted Sinners wieder seine Soloband reformiert. David Reece ist für mich eine ähnlich "tragische" Figur wie Tim "Ripper" Owens. Beide Shouter sind mit Stimmen gesegnet, die Ihresgleichen suchen. Beide erhielten die undankbare Aufgabe, einen Sänger zu ersetzen (David, Udo bei Accept / Tim, Rob Halford bei Judas Priest), die unersetzbar sind und beide halfen den Bands aus ihren musikalischen Irrläufen und wurden nicht "glücklich" dabei (David bei Bonfire / Tim bei Iced Earth). Eines sah man aber an diesem Abend sofort. Mister Reece stand um einiges lockerer auf der Bühne, als noch zuletzt bei Bonfire. Selten habe ich den Shouter so viel lächeln gesehen, wie an diesem Abend. Seine äusserst dankbare Art trug vieles dazu bei, dass die Fans ihn mit offenen Armen empfingen. "I meet this little band called Accept und this monster of a man. A legend! Scream for Udo!". Immer wieder zeigte er seine Dankbarkeit und erwähnte, welch tolle Zeit sie damals im Studio hatten, als Udo sein erstes Soloalbum einspielte und Accept an «Eat The Heat» arbeiteten. Heute hat die Stimme von David nichts von ihrer Erhabenheit verloren. Da verliert fast jede (Begleit-) Band an Bedeutung und scheint auswechselbar zu sein. Mister Reece nahm seinen Platz ein, liess den Instrumentalisten aber auch ihren und poste oft mit ihnen. – Dass das Publikum schon beim Intro mit lauten "Reece, Reece"-Rufen die Band empfing, sei nur am Rande erwähnt. – Mit vier Accept- und fünf «Resilient Heart»-Tracks fand der Ami sofort den Draht zum Publikum. Mit dem Brecher «D-Train» eröffnete David die Show. Auch wenn der Sound nicht über alle Zweifel erhaben war, so machte die Show von Beginn weg Laune. Klar waren es die Accept-Klassiker, welche für mehr Stimmung sorgten, aber auch die Reece-Tracks wussten zu überzeugen. Allen voran «Life Before You Die», «Karma» und «Anytime At All». Udo wurde «Generation Clash» gewidmet (Ansage: "Can you hear me father?"), «XTC» servierte uns Mister Reece mit einem unglaublich geilen Gesang und als Rausschmeisser fungierte das schnelle «Hellhammer». Dieser Auftritt war beste Werbung in eigener Sache, und wenn man vielleicht das nächste Mal noch einen Track von Bangalore Choir einbaut…

U.D.O.
Die Knieverletzung merkte man Udo selten an. Er bestach auch an diesem Abend wieder mit seiner kumpelhaften Art und sang wie in seinen besten Tagen. Es ist ein Phänomen, dass der Solinger gesanglich in den letzten Jahren kaum Abstriche machen musste. Während andere Shouter selten mehr an ihre Leistungen von früher heran reichen, schreit sich der Deutsche locker durch seine Setliste, die, wie angedroht, ab sofort ohne Accept-Songs auskommen muss. Und! Es klappte. Was eigentlich logisch ist, wenn man den Backkatalog von U.D.O. kennt. Und an diesem Abend verzichtete Udo auf Lieder aus den Alben «Mean Machine», «No Limits», «Thunderball», «Dominator» und der vorletzten Scheibe «Decadent», was bedeutet, dass er noch einiges an Hits in der Hinterhand gehabt hätte und selbst bei den anderen Scheiben oft nur einen Track daraus spielte. Dafür wurde der letzte Streich «Steelfactory» mit sechs Liedern berücksichtigt. Ein Werk, das, bedingt durch die vorherigen Dirkschneider-Auftritte (bei denen er nur Accept-Lieder spielte), wieder um einiges erdiger ausfiel. Dazu gesellten sich viele Hits, wie «24/7», «Independence Day», «Heart Of Gold», «Holy», «Animal House» und «They Want War». Unverhofft, aber deswegen nicht minder kultig geriet die Wiederberücksichtigung von «Mastercutor», «I Give As Good As I Get», «Timebomb» und «Man And Machine». U.D.O. überliess nichts dem Zufall. Mit einem schlichten, aber effektiven Bühnenaufbau, der einer Stahlfabrik gleich kam, liess der Fünfer einmal mehr die Musik für sich sprechen.

Dies mit einer Band, die sicherlich noch nicht zu 101% zusammengeschweisst ist, aber schon einen sehr homogenen Eindruck hinterliess. Udos Sohn Sven trommelte sehr dynamisch und auf den Punkt genau. Mit seinem extrem coolen Drumkit gab er den Tracks die rhythmische Unterlage, die es braucht, um diesen kraftvollen, vorantreibenden Metal zu spielen. Andrey Smirnov hat sich in der Zwischenzeit zur Nummer Zwei neben Udo entwickelt. Gefühlte 90% der Solos spielt er, duelliert sich aber auch immer wieder mit Dee und hat mit seiner herzlichen und sympathischen Art so gar nichts mit der ansonsten eher unterkühlten und reservierten russischen Art am Hut. Fabian "Dee" Dammers, sein neuer Mitspieler an den sechs Saiten, stammt von den englischen The Treatment und den deutschen Dirty D'Sire. Mit seinen vielen Tattoos und seinem Baseball-Cap ist er ein zusätzlicher, optischer Farbklecks. Spielerisch bringt er der Truppe die Unterstützung mit, welche bestens zu Andrey passt. Wenn sich die beiden die Riffs und Solos zuspielen und sich mit einem Lächeln auf den Lippen und einem grinsenden Blick dabei ansehen, weiss man, da haben sich Zwei gefunden, bei denen noch vieles zu erwarten ist. Auch wenn ich die Konstellation Smirnov/Heikkinen liebte, das neue Gitarrenduo scheint auf einem guten Weg zu sein, meine alte Lieblingskonstellation abzulösen. Speziell auch wenn Fabian bei seinem Kurzsolo einen kleinen spanischen Part (Flamenco like) einbaut. Schwerer hat es da Tilen Hudrap. Auch wenn er schon bei Vicious Rumors, Pestilence oder Paradox in die dicken vier Saiten gegriffen hat, sein Vorgänger hinterliess übergrosse Fussabdrücke. Fitty war ein Bassmonster. Einer, der mit seinem bärenartigen Auftreten für eine unglaubliche Dynamik auf der Bühne sorgte. Einer, bei dem ich mir nie vorstellen konnte, dass er nicht mehr bei U.D.O. spielt, da er nicht nur auf der Bühne extrem wichtig war für die Combo. Nun steht da ein schlanker, junger mit langen Haaren bewaffneter Bassist, der noch etwas schüchtern wirkt und bei seinem kurzen Basssolo kurz die Einleitung von Megadeths «Peace Sells» spielte. Klar haben sich die beiden Neuen sehr gut in die Performance von U.D.O. integriert. Da hat sich zu früher überhaupt nichts verändert. Dee wie auch Tilen sind handwerklich sehr gut und der Gig war, wie nicht anders zu erwarten, einfach nur geil. Wenn man die Truppe aber über all die Jahre verfolgt und unzählige Gigs im In- und Ausland gesehen hat, so wirken gewisse "Dinge" noch ein bisschen "unsicher". Ich bin mir sicher, dass die Truppe noch näher zueinander finden wird, wir somit noch viele extrem geile Konzerte sehen werden und dies ein "Mosern" auf ganz ganz extrem hohen Niveau ist.

U.D.O. sind nach wie vor eine Bank, haben das "Risiko" keine Accept-Songs zu spielen locker bewältigt, was ich aber auch nicht anders erwartet habe, und verfügen mit ihren eigenen Tracks über eine unglaubliche Spannbreite. Sind es Stampfer wie «Independence Day» und «Man And Machine», Schnelles in Form von «Mastercutor», Hymnen wie «They Want War» und «24/7», einen Groover vor dem Herrn à la «Hungry And Angry», unter die Haut gehende Balladen mit «In The Darkness» und «I Give As Good I Get», leicht Modernes in der Art von «Metal Machine», Melodiösem mit «Heart Of Gold» oder einem Schädelspalter mit «Timebomb». Es war ein sehr abwechslungsreiches Konzert von einer Truppe, die noch immer sehr viel zu sagen hat und sich auf das besinnt, was sie ausmacht. Ihre eigenen Tracks mit einem Dirigenten, der trotz gesundheitlicher Probleme alles gab und mehr als nur zufrieden mit sich und seiner Band sein konnte.

Setliste: «Intro», «Tongue Reaper», «Make The Move», «24/7», «Mastercutor», «A Cry Of A Nation», «Metal Machine», «Independence Day», «In The Heat Of The Night», «Vendetta», «Rising High», «Intro-Guitar Solo Dee Dammers/In The Darkness», «I Give As Good As I Get», «Timebomb», «Intro-Bass/Drum Solo Tilen Hudrap & Seven Dirkschneider/Hungry And Angry», «Heart Of Gold», «One Heart One Soul» - «Holy», «Animal House» - «Man And Machine», «They Want War», «Outro-The Show Must Go On (Queen)»