Acht Tage zuvor stand die britische Rock-Legende UFO noch
beim "Sweden Rock" Festival auf der Bühne. Dennoch war der wohl
letzte Auftritt auf Schweizer Boden absolute Pflicht! Obwohl diese
Abschiedstourneen, bei den Scorpions mittlerweile ein Running Gag
und den Rolling Stones nach wie vor kein Thema, langsam aber sicher
nicht mehr zu kaschieren sind, verdienen sie höchste Aufmerksamkeit.
Wer diese gegenwärtige Tatsache verpennt, wird dies je länger je
mehr bereuen. Selbst der erste und gleichzeitig vielleicht
letztmögliche Konzertbesuch eines jungen Fans kann zu einem
unbezahlbar wichtigen Lebensereignis werden. Würde diese Einstellung
altermässig querbeet vorliegen, hätte das Z7 heute Abend allerdings
"sold out" verkünden können, ja eigentlich müssen. Immerhin waren
aber dennoch einige Hundertschaften zugegen, die sich noch einmal
vor Augen und Ohren führten, welche Menge an geilen Songs UFO im
Verlauf ihrer grossartigen Karriere geschrieben haben. Als Support
spielten die mir zuvor völlig unbekannten Nine Eyes Nation aus
Wilhelmshaven (D) auf, die mit ihrer knackigen Mucke voll
überraschen wie punkten konnten.
Nine Eyes Nation
Dass die fünfköpfige Truppe bisher nicht gross auf sich aufmerksam
gemacht hat, liegt wohl in erster Linie daran, dass sie erst seit
rund drei Jahren in dieser Form existiert. Schaut man sich das
Line-Up allerdings etwas genauer an, fallen vorab zwei Namen auf,
die schon eine ganze Weile im Music-Business verbracht haben! Die
Rede ist vom Axt-Duo Oliver Fuhlhage und Matthias Mineur, das
zumindest mit deren ehemaliger Stamm-combo Mob Rules den eigentlich
längst verdienten grösseren Erfolg trotz neun mehrheitlich
überzeugenden Studioalben und dem aktuellen Live-Album «Beast Over
Europe» nicht realisieren konnte. Für Nine Eyes Nation versammelten
die beiden erfahrenen Recken mit Frontmann Carsten Stepanowicz sowie
der Rhythm Section, bestehend aus Miles Lamberty (b) und Janneck
Risse (d / backing vocals), neues Blut um sich. Das Resultat hörte
sich mit jedem gespielten Song besser an! Der melodische Hard &
Heavy Sound mit kernigen Gitarren klang überaus eingängig und
die Band spielte tight auf den Punkt. Die sich oft
wiederholenden Ansagen von Carsten wie "Habt ihr Spass?" wirkten mit
der Zeit zwar etwas aufgesetzt, mutierten aber durch die agile
Performance
zu einem letztlich unbedeutenden Detail. Das, was Mob Rules früher
schon immer auszeichnete, ist nun auch bei Nine Eyes Nation deutlich
vorhanden, respektive heraus zu hören. Tonträgermässig ist bisher
nur eine 2-Track Single-CD erschienen, von deren Inhalt heute Abend
«Going Down» als letzter Track zu Live-Ehren kam. Die Stimmung der
Fans entwickelte sich prächtig, und man hätte den Deutschen gerne
noch eine Weile mehr, sprich länger zugehört. Bleibt zu hoffen, dass
die Jungs bald wieder ein Aufnahme-Studio entern und ihr full lenght
Debüt in Kürze einspielen werden. Das Potenzial zu geiler Mucke, die
zwischendurch auch mal ein paar Hammond Organ oder dezente
Snythie-Einsätze offenbart, ist auf jeden Fall vorhanden, und es
wäre echt eine Schande, wenn dieser aufstrebenden Combo eines
hoffentlich nahen Tages kein Erfolg beschieden würde. Darüber hinaus
wäre es auch Mob Rules zu gönnen, wieder wahr genommen zu werden.
Setliste: «Intro Hurt (Johnny Cash Cover)» - «Under The Radar» -
«Beautiful» - «Rainmaker» - «On The Edge» - «Move It On Over» - «In
A Lifetime» - «Still Alive» - «Going Down».
UFO
Wenn von szeneprägenden Live-Alben die Rede ist, und davon gibt es
bekanntlich etwa ein gutes Dutzend, dann gehört «Strangers In The
Night» von 1979 ohne mit der Wimper zu zucken auch dazu. Das Konzert
der 78er-Tour, das in der damaligen Hochburg Chicago vor 15'000 Fans
aufgenommen wurde, wurde in der Bestbesetzung mit Phil Moog (v),
Michael Schenker (g), Paul Raymond (g/keyb), Pete Way (b) und Andy
Parker (d) für die Nachwelt festgehalten. Aus dieser Zeit stammen
auch die grössten Hits der Briten mit
dem deutschen Wunderknaben an der Gitarre. Die meisten der
UFO-Klassiker stammen denn auch aus der Feder von Michael Schenker,
der bei seinem Einstieg 1973 einen gewissen Bernie Marsden
(Ex-Whitesnake) quasi über Nacht aus-bootete. Wer sich mit der ganzen
Bandhistorie befasst, wird noch auf einen ganzen Haufen bekannter
Namen stossen. Bei UFO in der Ausgabe 2019, also unglaubliche
fünfzig Jahre (!) nach der Gründung, sind nach dem bedauerlichen Tod
von Paul Raymond (R.I.P.) in diesem Frühling nur noch Phil Moog und
Andy Parker übrig geblieben. Dieses betrübliche Ereignis konnte die
"50 Years Anniversary" Tour jedoch nicht aufhalten, zumal Phil,
mittlerweile auch schon 71 Jahre alt, im Vorfeld bekannt gab, dass
danach definitiv Schluss sei. Gitarrist Vinnie Moore, der seit 2004
dabei ist, konnte den Geist von Schenker zwar nicht ganz weiter
tragen, sorgte aber in den letzten Jahren für Kontinuität und prägte
die späteren wie durchaus guten Alben nachhaltig. Nach dem
persönlich miterlebten Auftakt am "Sweden Rock" war es unumgänglich,
ein zweites Mal Abschied von dieser Rock-Legende zu nehmen! Für den
verstorbenen Paul gereichte es nun Neil Carter (Ex-Gary Moore),
der ja von 1980 bis 1983 bei UFO dabei war, zu einer
unerwarteten
Dernière, die dieser absolut würdig bestreitet und mit seiner
kernigen Spielart gar für Härte-Akzente sorgt. Das Alter ging aber
auch an ihm nicht spurlos vorüber, denn wo früher massig blonde
Haare waren, ist aktuell kaum mehr was übrig davon.
Die
Setliste der abschliessenden UFO-Tour enthielt Songs aus insgesamt
zehn Alben, wobei der Schwerpunkt nach wie vor bei vielen Klassikern
von 1974/'75 und 1977/'78 lag. «Run Boy Run» markierte dem gegenüber
den "jüngsten Song" ab dem vorletzten Studioalbum «A Conspiracy Of
Stars» (2015). Phil Mogg, der ja jahrelang einen Kampf mit dem
"Demon Alcohol" ausfocht, hinterlässt auf der abschliessenden Tour,
trotz hagerem Körper, einen erfreulich guten Eindruck. Sein Gesang
war zu jeder Zeit echt klasse, und getragen durch seine Kollegen,
kriegten die begeisterten Fans zahlreiche wie von anderen Bands
immer wieder gecoverte Kult-Songs ein letztes Mal mit der
Originalstimme zu hören. Natürlich wurde «Rock Bottom» als
abschliessender Song des regulären Sets in der "Extended Version"
mit dem unverzichtbaren Guitar-Solo gezockt. Vinnie Moore
lieferte hierbei voll ab, und er wird sich nun nach fünfzehn Jahren
bei UFO ein neues Standbein suchen müssen. Gut möglich, dass uns
bald eine weitere Super-Group ins Haus steht. Allerdings muss die
Musikwelt in den nächsten Jahren nicht ganz auf UFO-Songs
verzichten, da einige davon zum festen Bestandteil bei "Michael
Schenker Fest" geworden sind und das auch bleiben werden. Mit «Shoot
Shoot» als zweite Zugabe von heute Abend und nota bene der gleiche
Schlusssong wie auf der «Strangers...» schloss sich der Kreis.
Unmittelbar nach dem Konzert war eine spürbare Wehmut auszumachen,
und leider wird uns dieses Gefühl in den nächsten Jahren noch einige
Male ereilen. Deshalb geht jeweils hin zu solchen Gigs und verpasst
diese unwiederbringbaren Momente nicht! Einziger negativer Punkt war
allerdings, dass Paul Raymond mit keiner Silbe erwähnt wurde. Sowas
gehört sich einfach nicht, und selbst der egozentrische Mr.
Schenker, in dessen Band im Januar der Verlust von Drummer Ted
McKenna (Ex-The Sensational Alex Harvey Band/Ex-Rory
Gallagher/Ex-MSG) beklagt werden musste, gedachte seines ehemaligen
Kollegen. UFO - Goodbye and thank you for the music.
Setliste: «Mother Mary» - «We Belong To The Night» - «Run Boy Run» -
«Venus» - «Lights Out» - «Baby Blue» - «Only You Can Rock Me» -
«Burn Your House Down» - «Cherry» - «Love To Love» - «Makin' Moves»
- «Too Hot To Handle» - «Rock Bottom» -- «Doctor Doctor» - «Shoot
Shoot».
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