Livereview: Ulver - RM74

09.02.2014, Zürich - Dynamo
By Natalia N.
Das war eine Veranstaltung von:
Am 9. Februar trat eine wunderbare Band in Zürich auf. Die norwegische Gruppe Ulver machte einen unglaublichen Entwicklungsweg durch. Am Anfang ihrer Karriere, zu Beginn der 90er, waren Ulver einfach eine der zahlreichen, norwegischen Black Metal-Bands. Aber bis zum heutigen Zeitpunkt dehnte die Gruppe den Bereich des von ihnen produzierten Materials mehrfach aus. Bis jetzt sind in ihrer Diskografie Alben aus folgenden Genres vorhanden: Acoustic Folk, Post/Black Metal, Avantgarde/Dark Ambient, Indie Rock und Psychedelic Rock. Mit dem letzten Release «Messe I.X-VI.X» zeigte die Band ihre Fähigkeiten, sich auch in Symphonic/Ambient/Modern Classical-Musikrichtungen auszudrücken. Ich füge hinzu, dass sich sogar die Weltanschauung der Musiker im Laufe der Zeit sehr verändert hat. Die Möglichkeit, die Zuhörer zur Wahrnehmung der Musik von Ulver einzustimmen, hatte der Schweizer Reto Mäder bewerkstelligt – er ist der Gründer der One Man-Band RM74, die Drone/Post Rock-Material darbietet.

RM74
Der Dynamo-Saal wurde speziell für den Auftritt von Reto Mäder umgebaut. Grundsätzlich wurde die Bühne natürlich für Ulver vorbereitet, aber Reto erhielt noch einen kleinen Bereich vor der Hauptbühne zur Verfügung. Dieser glich quasi einem Nebenplaneten, der nur noch für einen Bewohner vorgesehen war. Aber es gab da alles Nötige: Ausser der Bassgitarre, den Verstärkermodulen und allerlei Fusspedalen lagen auf dem Apparaturkorb noch verschiedene merkwürdige Dinge: ein mit Klebeband zusammen geklebter CD-Player, Kuhglöckchen, ein antikes Horn und ein kleines, abgerissenes Notizbuch. Das alles wurde von Kerzen verschiedener Grössen umrahmt - dadurch schien diese kleine Welt noch gemütlicher. Der "Besitzer dieses Planeten" kam dann gegen 21.00 Uhr hervor und nahm "sein Instrument" in die Hand! Eben ein Instrument und nicht bloss eine Bassgitarre im traditionellen Sinne des Musizierens. Jetzt liess Reto das aus, weil er nun musikalisch zu zaubern begann. Im Laufe des Auftrittes entlockte er seinem Bass nicht nur mit Hilfe des Plektrums Töne, sondern auch mittels Glocken, und ausserdem drehte er mit irgendeinem Ding an den Saiten, das einem Korkenzieher glich. Der so erzeugte Sound war mal dicht, undurchlässig, mal begann er mit zunehmender Lautstärke zu pulsieren. Es war sonderbar, dass für diesen dichten musikalischen Vorhang nur ein Musiker und dessen Bassgitarre ausreichte! Aber es war schon ein spezieller Moment, als Reto nun seine Gitarre beiseite legte und ein anderes Instrument, eine Art "metallic vibrating Kalimba" - in die Hände nahm. Dadurch übertrug sich gleich eine gute Stimmung auf das Publikum, und deswegen fingen viele Leute spontan an zu tanzen. Während dieser Performance wurden die Bassgitarren-Töne mit Aufnahmen, unterbrochenen leisen Gesprächen oder dem Knarzen der Apparatur ergänzt. Eine so zu sagen eigentümliche Wahrnehmung des Endzeitmorgens! Der Auftritt dieses speziellen Einzelgängers dauerte 45 Minuten, und am Ende gelang es Reto gar, die anwesenden Leute der Wirklichkeit zu entreissen und in die esoterische Welt überzuführen, was vor dem Auftritt von Ulver genau das Richtige war.

Ulver
Die Musiker von Ulver kamen um halb Zehn zu einem Glockenton auf die Bühne. Viele der Fans erkannten dann einen von ihnen bestimmt gleich, nämlich Kristoffer Rygg - den Sänger der Band. Er begrüsste die Besucher des Dynamo kurz und teilte mit, dass die Band am Morgen in Zürich angekommen war und diesen Glockenton gleich in der Stadt aufgenommen hatte. Natürlich wurde diese Aufnahme dank der schöpferischen Idee unmittelbar während des Auftrittes verändert. Den Platz am Tisch in der Mitte der Bühne, neben Kristoffer, nahm Jørn H. Sværen, der für den sprachlichen Part des Materials zuständig ist. An der anderen Seite befand sich Tore Ylwizaker, seines Zeiches Herr der Tasten und links stand der durch seine Soloprojekte bekannte Gitarrist/Bassist Daniel O'Sullivan. Um ihm herum lagen auch verschiedene Gerätschaften, mit denen er den Gitarrenton so unkenntlich wie möglich zu machen versuchte: Ein Elektrobogen, kleine Platten und ein Menge Fusspedale. Gemeinsam mit dem Haupt-Lineup traten noch zusätzliche Trommler, Perkussionisten und Keyboarder im Rahmen dieser Tournee auf. Die grösste Aufmerksamkeit zog dabei die Rhythmus-Gruppe auf sich, denn das ethnische Schlagzeug, bei dem im Hintergrund der Bühne ein riesiger Metallgong aufgehängt war, sah sehr auffällig aus. Der Musiker nahm ab und zu eine riesige Kette und schlug damit den auf den Gong, wodurch ein düsteres Rasseln erschallte. Während des Auftritts unterhielten sich die Musiker kaum miteinander, aber von der Bühne ging ein massiver Kommunikationsfluss aus, der dabei nicht nur musikalischen Ursprungs war. Auf der Bühne stand zudem eine Projektionswand, auf der ein arabesker Film zu sehen war. Natürlich glichen diese Sequenzen Fragmenten aus irgendwelchen Träumen: Es waren schwarz/weisse Szenen, ethnische Motive sowie esoterische und religiöse Symbole zu sehen. Besonders gefiel mir, wie einzelne Szenen aus dem berühmten Film "2001: Odyssee im Weltraum" von Stanley Kubrick darin platziert wurden: Das Auftauchen auf der Welt der schwarzen Obeliske und dem Affen, der den Knochen als Arbeitsmittel zu benutzen begann. Ulver wählten für ihren Auftritt auf dieser Tour Lieder aus den letzten paar Alben aus. Unter ihnen befanden sich solche wie «England», «Dressed In Black» sowie «Nowhere». Vom neuen Material spielten sie nur ein paar Tracks, doch auch so war dieser Konzertabend zweifellos unvergesslich.