Livereview: Unheilig - Down Below
21. Mai 2008, Palais X-Tra Zürich
By R.K.
Erst war die Freude sehr gross, Unheilig mal live in der Schweiz zu erleben, doch das geplante Konzert anfangs April wurde wegen der schlechten gesundheitlichen Verfassung des Grafen abgesagt. Glücklicherweise erholte sich der Herr von seinem Zusammenbruch, und die ausgefallenen Konzerte konnten nachgeholt werden. So kam am 21. Mai das Palais X-Tra doch noch in den Genuss eines adligen Besuches zum Wohlwollen der Kinder der Nacht. Mit im Schlepptau: Die deutsche Band Down Below, welche mit ihrem Album „Sinfony 23“ und der Teilnahme am Bundesvision Song Contest 2008 bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichen konnten.

Down Below
Gegen halb acht, zu unnächtlicher Stunde, erklommen Down Below die Bühne und standen erst mal vor einem arg kleinen Publikum. Nun, dies war auch kein Wunder, denn um diese frühe Uhrzeit mischt sich doch noch kein Sargesvolk unter die Massen. Ein paar Nachtvögel hatten es doch geschafft, meist weiblicher Abstammung, welcher lauthals kreischend die Jungs in Zürich willkommen hiessen. Speziell natürlich Frontschönling ‚Neo Scope’, der wohl auch Inhalt mancher nicht ganz jungendfreier Träume angereister Nachwuchsfledermäuse darstellte. Nun, die Verpackung mag über vieles hinwegtäuschen, doch schlussendlich zählt der Inhalt, und dieser war, einfach ausgedrückt, belanglos. Zwar hatte die Truppe einen gut abgemischen Sound, dies liess aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass diese Mixtur aus Pop mit etwas Dark Rock-Einflüssen als ‚nette’ Unterhaltung abgestempelt werden kann. Dies traf auch auf den Auftritt zu, welcher zwar zielsicher über die Bühne gebracht wurde, jedoch kaum als mitreissend oder gar einzigartig bezeichnet werden konnte. Auch ein Entblössen des Oberkörpers machte auf die musikalische Darbietung keinen Eindruck, höchstens die jungen Mädchen entdeckten wohl beim Anblick eines halbnackten ‚Neo Scope’ zum ersten Male ihre Weiblichkeit, welche sie natürlich unter Gekreische zum Ausdruck brachten. Wenigstens fanden während des gut halbstündigen Gigs immer mehr dunkle Gestalten den Weg zum Palais X-Tra, was der Atmosphäre sichtlich gut tat und dann doch so was wie Stimmung aufkommen liess beim Song „Sand in meiner Hand“, welcher der Band den 3. Platz am Bundesvision Song Contest bescherte und man dann doch einige Zuschauer beim Mitsingen erblicken konnte. Interessant auch der Aspekt, dass der neue Song „Frei“, welcher die Band präsentierte, auch in der Muttersprache verfasst war und man wohl damit rechnen kann, von Down Below zukünftig mehr Songs auf Deutsch hören zu können. Mit den Songs „Private Soul Security“, „Down Below“, „Run Away“ und „Dark Queen” kam zwar ein wenig Stimmung im Publikum auf, aber ein Feuerwerk an Emotionen blieb bis zum Schluss aus.

Unheilig
Im Gegensatz zu Down Below lieferten Unheilig ein Lehrstück an Unterhaltung ab. Kurz vor halb neuen wurden die Kerzen, welche das simple Bühnenbild zierten, entfacht. In das nun gut gefüllte X-Tra kam Bewegung, und wie zu erwarten wurde mit dem Intro „Vorhang auf“ des neuen Werkes „Puppenspiel“ der Unheilig-Gig eröffnet. Der Graf kam, sah und siegte, so könnte man es in Kurzform beschreiben, was im X-Tra abging, als der Künstler die Bühne betrat. Lauter Applaus und Geschrei klatschte ihm entgegen, und der Herr nahm vom ersten Song „Puppenspieler“ an das Publikum gefangen. Der kleine Laufsteg, welcher von der Mitte der Bühne ins Publikum ragte, sorgte zusätzlich dafür, dass die Stimmung noch mehr angeheizt wurde, denn so blieb dem Grafen genügen Raum, sich zu bewegen und den Fans ganz nahe zu sein. Seine beiden Mitstreiter an Keys und Gitarre verkümmerten dabei fast zur Bühnendekoration, was aber nicht negativ auffiel, denn alle Blicke waren auf den Grafen gerichtet, welcher mit seinem Treiben, seiner Mimik und seinem Charisma die Nacht eroberte. Selbst, als nach „Spiegelbild“ bereits als vierter Song die ruhige Nummer „Astronaut“ ertönte, liessen die sanften Töne die angeheizte Stimmung nicht abkühlen. Während des gesamten Gigs feierte das nächtliche Volk ausgelassen, tanzte, sang und klatschte bei jedem Song mit und sorgte für einen grandiosen Abend im X-Tra. Als wahre Livekracher der neuen Songs entpuppten sich „Lampenfieber“ und natürlich „Kleine Puppe“, welches mit dem simplen „La la lah“-Part wohl für einige heisere Kehlen sorgte. Vor „An deiner Seite“ wurden dem Publikum kleine Leuchtstäbchen ausgeteilt, und der Graf erklärte, dass „An deiner Seite“ einem engen Freund gewidmet sei, welcher sich auf der Strasse des Sterbens befindet. Während der Performance zu diesem Song kniete der Graf auf dem Laufsteg, das Publikum schwenkte die Leuchtstäbchen im Takt mit und die Stimmung ging unter die Haut. Man sah es dem Grafen auch an, wie sehr ihn dieser traurige Umstand bewegte, und dies griff auch auf das Publikum über. Dies zeigte auch auf, dass der Graf nicht bloss ein sehr guter Unterhalter ist, sondern er für seine Musik auch lebt und sein ganzes Herzblut in Unheilig steckt. Auch wenn die Musik nicht für jeden als genehm erscheint und manche Songs textlich vielleicht eine Gratwanderung zum Kitsch durchleben, ist sie live mit dieser Aura und Charisma des Grafen ein besonderes Erlebnis. Es war etwas schade, dass das Schwergewicht der Songs massiv auf dem aktuellen Album „Puppenspiel“ basierte und einige Klassiker nicht gespielt wurden. Wenigstens fand „Freiheit“ als Zugabe den Weg in die Performance, was vom Volke lauthals mitsingend und mit grossem Jubel empfangen wurde.

Als Fazit bleibt zu sagen: Ein tolles Konzert mit einem grossartigen Grafen, welcher es versteht, über 90 Minuten seine Untertanen bestens zu unterhalten. Wer nicht da war, hat definitiv was verpasst.

Setlist: „Vorhang auf“ - „Puppenspieler“ - „Spiegelbild“ - „Astronaut“ - „Tanz mit dem Feuer“ - „Fang mich auf“ - „Sei mein Licht“ - „Feuerengel“ - „Lampenfieber“ - „An deiner Seite“ - „Sieh mein Gesicht“ - „Kleine Puppe“ - „Spielzeugmann“ - „Maschine“ - „Freiheit“ - „Der Vorhang fällt“ - „Mein Stern“.