Wenn Unheilig auf ihren Tourneen in der Schweiz Halt machen, dann
kann man eigentlich immer mit einem vollen Haus rechnen. So auch an
jenem Sonntag, der schwarzgekleidete Musikliebhaber in Scharen nach
Zürich lockte.
Wie die Crew von Metal Factory bei einer kleinen Verpflegung vor dem
Konzert festgestellt hat, waren passenderweise sogar die
Kellnerinnen des nahegelegenen "Hooters" schwarz gekleidet, anstatt
wie üblich orange-weiss. Das war wahrscheinlich eher ein Zufall,
stellte aber irgendwie einen netten und passenden Gag dar. Der
Grossteil der schwarzen Gestalten bildete bereits vor Türöffnung
eine sehr lange Schlange vor dem Volkshaus, um sich die beiden
Support Acts VNV Nation und Rotersand anzuschauen. Beide Bands
heizten dem Publikum mächtig ein und sorgten gekonnt dafür, dass im
Saal eine ausgelassene und enthusiastische Stimmung herrschte!
Nachdem VNV Nation und Rotersand sich verabschiedet hatten, wurde
schleunigst alles abgeräumt und das wirklich wundervolle Bühnenbild
von Unheilig aufgebaut. Der Bug eines Schiffes bildete das zentrale
Element der Kulisse, während grosse Kerzen in schlichtem Weiss die
Szenerie an beiden Seiten abrundeten und dem Gesamtbild eine gewisse
Weichheit gaben. Spannend wurde die Warterei vor allem, weil
regelmässig das Schiffshorn aus den Lautsprechern erklang und die
markante Stimme des Grafen verkündete "Liebe Besucher! Bitte nehmen
Sie ihre Plätze ein, in wenigen Minuten beginnt die Show!"
Unauffällig kamen nacheinander die Musiker heraus, gefolgt vom
Grafen selbst, der in (wie immer) sehr stilvollem Outfit aufgedreht
wie ein Wirbelwind auf die Bühne sprang, um nach dem Intro "Das
Meer" gleich den Kracher "Seenot" zum besten zu geben. Schon während
des Intros rannen dem Grafen die ersten Schweisstropfen von der
markanten Glatze runter, und so verschwand er vor dem dritten Stück
kurz, um sein schönes Jackett abzulegen und in weissem Hemd weiter
zu machen. Zu jedem Song wurde etwas passendes auf einer grossen
Leinwand abgespielt, so wurden zu "Astronaut" herrliche
Weltallbilder gezeigt, während zu "Grosse Freiheit" Aufnahmen der
Hamburger Innenstadt und des Hafens für das visuelle Amusement
sorgten. Das Publikum war bunt gemischt, so begegnete man von
Kindern bis zu Rentnern jeder Altersgruppe. Fans der ersten Stunde
(in edlen alten Unheilig-Shirts) sowie neue Fans (welche "Grosse
Freiheit" lustigerweise für ein Debutalbum halten) waren
gleichermassen vertreten und feierten zusammen die Freiheit, die
Musik und den Grafen, welcher auf der Bühne strahlte wie ein Stern
und jede erdenkliche Rolle verkörperte: hyperaktiven Übermut bei
"Abwärts" ebenso gut wie den romantischen Barden der Neuzeit bei
"Unter deiner Flagge".
Besondere Stimmung herrschte natürlich vor allem unter den älteren
Fans, als das mitreissende "Freiheit" gespielt wurde. Leider muss an
dieser Stelle erwähnt werden, dass zuviele Songs der aktuellen
"Grosse Freiheit" gespielt wurden, während beliebte ältere Hits wie
"Spiegelbild" oder "Sage Ja" es nicht auf die Setlist schafften.
Natürlich ist eine Tournee in erster Linie dazu da, das aktuelle
Material vorzustellen, doch es wurde einen Tick zuwenig Rücksicht
auf die treuen Fans der ersten Stunde genommen. Es war wie bei
manchen Mobilfunkanbietern: Alles wird getan, um es den neuen Kunden
bzw. Fans recht zu machen, während die alte Garde aussen vor bleibt.
Dennoch, die Band gab musikalisch wirklich alles, hielt sich visuell
aber stark im Hintergrund, wodurch der Graf zum Alleinunterhalter
des Abends wurde. Er kommunizierte freundlich mit dem Publikum,
schwang gekonnt die Hüften und hat sich durch seine scheinbar nie
enden wollende Energie sicherlich unzählige Kalorien abtrainiert,
denn je später der Abend wurde, desto mehr glich er dem stolzen
Besitzer eines Sauna-Abonnements. Die Freude der Zuschauer war schon
fast mit den Händen greifbar, und die Atmosphäre während des
gesamten Konzertes war voller positiver Energie, welche man den Fans
beim Verlassen des Saals so richtig ansah, wenn sie mit strahlenden
Gesichtern und leuchtenden Augen nach draussen in die dunkle Nacht
verschwanden. Freuen wir uns auf das nächste Konzert im Januar, wenn
Unheilig mit der norwegischen Legende Apoptygma Berzerk die
Stadthalle in Sursee heimsuchen!
Setliste (ohne Gewähr): Das Meer - Seenot - Schenk mir ein Wunder -
Unter deiner Flagge - Feuerengel - Abwärts - Halt mich - An Deiner
Seite - Freiheit - Astronaut - Grosse Freiheit - Kleine Puppe -
Unter Feuer - Maschine - Für Immer - Lampenfieber - Geboren um zu
leben - Mein Stern
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