Livereview: Vicious Rumors - Air Raid - Magistarium

11. April 2019, Met-Bar Lenzburg
By Rockslave
Wenn man es nicht genau weiss und deshalb nachschauen geht, zum Beispiel auf der Site metal-archives.com, steht es schwarz auf weiss da, nämlich Status: "active" und Formed in: 1979! Somit hält Geoff Thorpe seine Combo als noch einzig übrig gebliebenes Gründungsmitglied von Vicious Rumors seit vierzig Jahren am Leben! Für eine Metal-Band, die nicht Iron Maiden, Judas Priest oder Saxon heisst, eine mehr als beachtliche Leistung! Seit immerhin bald 35 Jahren (mit ein paar als Auszeit davon) ist auch Drummer Larry Howe eine tragende Stütze der amerikanischen Power Metal Institution.

Die Liste der ehemaligen Musiker, vorab an den Saiten-Istrumenten und dem Gesang ist lang, ellenlang sogar! Auf letzterem Posten stand ja Ex-Ruffians Shouter Carl Albert (R.I.P.) im Line-Up, der ab dem zweiten Album «Digitial Dictator» (1988) noch drei weitere Meilensteine des Metals einsang, ehe ein tragischer Autounfall alles veränderte. Doch Geoff überlebte alle Widrigkeiten des Music-Business und zeigte in den Jahren danach, was noch alles in ihm steckt, und das war eine ganze Menge. Als Support glänzten Air Raid mit jugendlicher Frische, und Magistarium? Siehe unten!

Magistarium
Die Symphonic Power Metaller stammen aus Deutschland, genauer aus Hannover und wurden 2005 gegründet. Bis heute entstanden drei full lenght Alben ohne Major Deal, und das dritte mit dem Titel «War For All And All For Won» wurde heuer, kein Witz, am 01. April 2019 veröffentlicht. Auch kein Witz ist der Umstand, dass ich bisher noch keinerlei Notiz von dieser Truppe genommen habe und heute Abend somit eine Premiere anstand. Dass der Frontmann dabei Oleg Rudych heisst und somit höchstens in Hannover wohnen könnte, wusste ich zu Beginn natürlich nicht. Schon bald stand er jedoch im Zentrum des Geschehens und dies wegen seiner eigentümlichen Gesangsstimme, die ich persönlich irgendwo zwischen Attila Dorn (Powerwolf) und, wegen einzelnen Screams, Achtung…, fast bei Montserrat Caballé (!!) einordnen musste. Die Mucke erinnerte in weiten Teilen an rau performte Nightwish und enthielt eigentlich alles, was die Stilecke Symphonic Metal hergeben muss. Da bei diesem Sound eigentlich zwingend Keyboards und Synthies verbunden sind, machte sich hierzu ein Musiker in Fleisch und Blut in der Person von Volker Brandes mehr als nur gut auf der Bühne. Interssanterweise wurden vom Vorgänger-Album «5'55'' Till The End Of Days» (2015) mehr Songs, nämlich deren drei im Gegensatz zu nur zwei von der neuen Scheibe gespielt, respektive präsentiert. Und obwohl die generell ganz ordentlich entfachte Stimmung in der Met-Bar dies mittrug, hätte es das Helloween Cover «I Want Out» nicht gebraucht, denn das war der schlechteste Song, den Magistarium vortrugen. Unter dem Strich sicherlich engagiert und technisch beschlagen, aber mit dem Gesang von Oleg werde ich definitiv nicht klarkommen, und gut, dass in diesem Zusammenhang der neue Track «Hora Longa Vita Brevis (Symphony of Addiction)» nicht performt wurde, denn das Gejodel der mir unbekannten Gastsängerin lässt einem glatt das Blut in den Adern gefrieren! Cool hingegen war der Show-Gimmick von Drummer Sebastian Busch, dessen Effekt mit der Mundleuchte meine Wenigkeit fototechnisch ziemlich auf Trab hielt. Da Sänger Oleg überdies aus der Ukraine stammt, gibt es das aktuelle Album auch mit russischen Texten, und wenn ich mich nicht verhört hatte, so war mindestens ein Song von heute Abend nicht mit englischen Texten performt worden.

Setliste: «Rising From The Ashes» - «Break This Chain» - «Fear Of Death» - «5'55'' Till The End Of Days» - «One Against The World» - «I Want Out (Helloween Cover)».

Air Raid
Die schwedischen Heavy Metaller aus Göteborg sind schon eine ganze Dekade im Geschäft und haben bis anhin, respektive zwischen 2012 und 2017, drei Alben raus gehauen. Trotzdem vermochte die Truppe in der Zeit meine Aufmerksamkeit nicht zu erwecken, warum auch immer. Das lag wohl vielleicht auch daran, dass auf allen Scheiben jeweils ein anderer Frontmann (!) seine Gesangskünste zum Besten gab. Zudem hört die einzige Konstante auf den Namen Andreas Johansson und bekleidet die Funktion des Axeman in der Band. Dieser dürfte auch der Hauptsongwriter sein, denn die Mucke klingt seit je her etwa gleich, sprich versprüht massig viele Vibes der NWOBHM zu ihrer Blütezeit. Gross was reissen konnte bisher allerdings keines der Line-Ups. Für die dritte Scheibe «Across The Line» stellte Mainman Andreas eine komplett neue Mannschaft zusammen, die aber aktuell schon wieder Geschichte ist. Zum harten Kern gehören offenbar nur der zweite Gitarrist Magnus Mild und Sänger Fredrik Werner. An den Drums sitzt derweil sowie erst seit diesem Jahr Anders Persson und ein neuer Bassist als dauerhafter Bandmember ist offenbar nicht in Sicht. So wie es aussieht, habe ich heute Abend Robin Utbult (b) gleichzeitig das erste und auch gleich das letzte Mal zusammen mit Air Raid erleben dürfen. Anyway…, die Truppe legte sich auf jeden Fall voll ins Zeug und besass einen ordentlichen Drive. Das wurde unter anderem dadurch möglich, weil die Schweden einen beeindruckenden Sound gemischt kriegten und ihre Musik so optimal umsetzen konnten. Nebst der catchy Instrumentierung war es dann aber vor allem Fronter Fredrik, der dem Ganzen seinen Stempel aufdrückte. Diese positive Energie übertrug sich rasch auf das Publikum, das artig antizipierte und für eine gute Stimmung in Lenzburg sorgte. Im Gegensatz zu früher, wo der Stil puristischer daher kam, hörte man mehr als einmal Elemente von Landsmann Yngwie J. Malmsteen heraus, und so war dann die Überraschung nicht übermässig gross, als mit «Rising Force» ein Frühwerk des bekannten Flitzfingers in einer sehr respektablen Version vorgetragen wurde. Dennoch frage ich mich immer wieder, warum man jeweils nicht mehr Vertrauen ins eigene Material hat. Immerhin wurde überwiegend Liedgut von «Across The Line» geboten, was sich natürlich mit der Situation der Sänger leicht erklären lässt. Klares Highlight waren der Midtempo-Stampfer «Line Of Danger» und der Rausschmeisser «Midnight Burner» als rasende Reminiszenz der 2012-er EP «Danger Ahead», wo sich das spürbar harmonierende Axt-Duo Johansson/Mild für heute Abend ein letztes Mal als kongeniales Gespann für weitere Auftritte empfahl. Damit einher gehend, sollte aber bald einmal eine neue Scheibe am Start sein, um nachlegen zu können.

Setliste: «Aiming For The Sky» - «Line Of Danger» - «Demon's Eye» - «Hell And Back» - «Rising Force (Rising Force Cover)» - «Hold The Flame» - «Black Dawn» - «Midnight Burner».

Vicious Rumors
Die amerikanischen Power und Heavy Metaller stehen und fallen mit einem Namen: Geoff Thorpe! Der dauerfreundliche und abseits der Bühne jeweils völlig entspannte Gitarrist ist noch der einzige Musiker, der seit der Band-Gründung vor unglaublichen vierzig Jahren (!) noch übrig geblieben ist. Wer mit der Bandgeschichte der Amis vertraut ist, weiss um die tragische Geschichte des zweiten Sängers Carl Albert (R.I.P.), der 1995 bei einem tragischen Autounfall sein Leben verlor. Die insgesamt vier eingesungenen Alben «Digital Dictator» (1988), «Vicious Rumors» (1990), «Welcome To The Ball» (1991) und «Word Of Mouth» (1994) bilden hierbei ein überschaubares, aber für die Szene ungemein wertvolles Vermächtnis dieser Ära von Vicious Rumors. Wer sich das ziemlich umfangreiche Musikerkarussell über all die Jahre ansieht, wird einige Namen wie James Rivera (v), Ira Black (g), Brad Gillis (g), Thaen Ramussen (g), Steve Smyth (g) oder Brian Allen (v). Letzteren sah ich damals noch im Rock-City in Uster (2012) und 2017 beim BYH!!!-Festival in Balingen (D). Ein Hammer-Sänger, dessen Lebenswandel aber offensichtlich dazu führte, dass Bandleader Geoff die Reissleine ein zweites Mal ziehen musste. Sein Nachfolger, Shouter Nummer 10 (in Worten: zehn!!!) heisst Nick Courtney und auf den war ich mächtig gespannt. Das Rahmenprogramm für den heutigen Headliner-Abend stand ganz im Zeichen des Albums «Digital Dictator», das seit dem vergangenen Jahr auch schon unfassbare drei Dekaden auf dem Buckel trägt!

Ein kurzer Blick auf die untenstehende Setliste lässt schnell erkennen, dass zu Beginn des ersten Teils gleich das ganze Werk in der originalen Abfolge, also wie auf dem Tonträger, runter gezockt wurde. Ein wahrlich erhebender Moment, den ich aber in Ermangelung der Präsenz dieser Scheibe in meinem Gedächtnis nicht so geniessen konnte, wie man es eigentlich hätte tun sollen, ja müssen! Dazu kam, dass der Gitarrensound, vor allem der von Master Thorpe, zu Beginn erschreckend wie völlig unverständlich viel zu leise und ohne jeglichen Druck aufgefahren wurde! Zuvor bei Air Raid knallte das noch ganz anders. Mit der Zeit verbesserte sich dieses Manko etwas, aber unter dem Strich war das weit weg von dem, wie man es sich sonst von dieser Truppe gewöhnt ist. Die deutlich verjüngte Saitenmannschaft mit Gunnar DüGrey (g/v) und Cody Green (b/v) erhielt dafür von Altmeister Larry Howe (57) das volle Brett ins Kreuz geschmettert! Der Langzeit-Begleiter von Geoff, der langsam auf 60 Lenze zugeht, powerte mit unbändiger Energie, dass man schon fast versucht war ihn zu bremsen, bevor er auf der Bühne noch einen Herzkasper erleidet. Wenn beide Gitarren in gleicher Manier wie das Drum gebratzt hätten, wäre das ganz anders heraus gekommen. Nichtsdestotrotz dominierte die Spielfreude der ganzen Band, der neue Frontmann Nick Courtney liess derweil nichts anbrennen und bereitete nicht nur dem Publikum entsprechend Freude. Trotz dem letztlich ungenügenden Sound war der Zuspruch der Fans mehr als nur ansprechend, doch die Sieger des heutigen Konzertabends hiessen glasklar Air Raid!

Setliste: «Replicant (Intro)» - «Digital Dictator» - «Minute To Kill» - «Towns On Fire» - «Lady Took A Chance» - «Worlds And Machines» - «The Crest» - «R.L.H. » - «Condemned» - «Out Of The Shadows» -- «World Church» - «On The Edge» - «Ship Of Fools» - «Soldiers Of The Night» - «Don't Wait For Me» --- «Down To The Temple» - «Hellraiser».