Das kleine Städtchen Le Locle am Rande der Schweiz zu Frankreich
wird dem grössten Teil der Bevölkerung wohl als Uhrenmacherzentrum
und Weltkulturerbe bekannt sein - Einige eingefleischte
Musikfanatiker haben das Örtchen aber vor allem wegen dem
VNV-Festival zur Sehenswürdigkeit auserkoren. Der ursprünglich als
Betriebsfest geplante Event steigt nun schon zum sechsten Mal, und
kann 2009 erneut durch seinen Spagatakt zwischen extremen Sounds und
grösseren Headlinern punkten. Beackerten in der Vergangenheit
nationale und internationale Bands wie Neurosis, Storm Of Light,
Kehlvin, The Ocean, Switchback, Zatokrev, Berserk For Tea Time,
Entombed und Co die drei Bühnen der zentral angelegten Eishalle, so
lag es dies Jahr an Electric Wizard, The Haunted, Samael und
Konsorten, das Publikum mitzureissen. Wie in den Jahren zuvor,
schaffe ich es auch diesmal, die Temperaturen der auf etwa 950 m. ü.
Meer gelegenen Stadt zu überschätzen, und frierte mir mitten in der
Nach bei knapp 10 Grad den Arsch ab - Kleiner Tipp am Rande also für
zukünftige Besuche an diesem sympatischen Event: Packt euch warm
ein, ihr werdet es nicht bereuen!
Knapp nach unserem Eintreffen gegen 19h30 stiegen When Icarus Falls
aus Lausanne auf's Podest der kleinen Zeltbühne. Obwohl
atmosphärischer Post-Hardcore nicht zwingend der passende Sound ist,
wenn die Sonne noch auf den Deckel scheint, so konnte die Band doch
bereits durch amtlichen Druck überzeugen. Zwar machten sich die
meisten Fans der härteren Stilrichtungen nach den ersten Noten
gleich wieder vom Acker, doch im Schnitt blieben gut und gerne um
die 50 Nasen an Ort und Stelle, um der Band beim Weben des
Klangteppichs zu lauschen. Wie auch beim Gig Ende letzten Jahres im
Ebullition ruckelten und holperten sich When Icarus Falls zwar noch
durch einige Stellen, anonsten schienen sie aber klar ein paar
ordentliche Schritte vorwärts gekommen zu sein. Ebenfalls
erwähnenswert scheint mir an dieser Stelle übrigens auch der Sound
gewesen zu sein, die wenigsten Festivalstartacts da draussen dürfen
sich normalerweise über ein so breites Soundgewand freuen.
Knapp nach 20h00 war es dann an Kilowatt, die Marshall-Stage, die
Zwillingsbühne der Mesa-Stage, einzuweihen. Die Band in
Trio-Formation entpuppte sich als interessante Stoner/Sludge-Combo,
die mit Luc Hess (Drums) und Louis Jucker (Bass) zudem noch zwei The
Ocean-Musiker im Line-Up vorzuweisen hatte. Relativ unüberraschend
waren es dann auch diese beiden Mucker, die die ansonsten ziemlich
unspektakuläre Musik vorantrieben. Kilowatt verfügten über ein
superbes Rythmikgefühl, und groovten sich schwer atmend durch die 40
Minuten an Songmaterial, während der Sänger/Gitarrist dem ganzen
etwas unkreativ hinterherhinkte. Gute 80 Besucher hatten sich bis
hierher vor der Bühne eingefunden, wobei die Reaktionen noch etwas
verhalten daher kamen.
Eigentlich sollten zu diesem Zeitpunkt bereits Samael auf der
Mesa-Stage loslegen, aber weil die Herren Rockstars sich vor Ort
spontan dazu entschieden, erst später spielen zu wollen, schob man
den lokalen Act Drums Are For Parades auf der Zeltbühne vor -
Welcher mir aufgrund akutem Hungeranfall auch glatt entging.
Samael legten dann 50 Minuten später los, und konnten bereits zu
Beginn des Sets auf etwa 300 Besucher vor der Bühne zählen. Leider
verfügten sie nicht über einen halb so klaren Sound wie die
bisherigen Bands, und so verschwammen beinahe sämtliche Songs im
überdichten Klanggewirr. Lediglich knapp ein Viertel des
dargebotenen Materials, quasi sämtliche groovendere Songs,
entfachten eine ansprechende Wirkung. Das Publikum reagierte
deswegen ziemlich zurückhaltend, und ein grosser Teil der anfänglich
freudigen Stimmung ging im Lauf des Gigs klar verloren. Fronter
Vorph konnte mit seinen französisch-sprachigen Ansagen punkten,
ansonsten wurde von ihm selber nicht viel Leistung geboten - Am
meisten Showpunke gingen klar an Basser Mas, der wie eh und jeh
umherhüpfte, als hätte er gerade mal eben um die zwanzig Jahre
weniger auf dem Buckel. Was mir persönlich nebst dem schlechten
Sound und der arg chaotischen Songauswahl aber wirklich auf den
Senkel ging, was Perkussionst/Synthie-Mann Xy's Performance. Wieviel
der Sounds ab Band,
und wie viel tatsächlich von ihm kommen, wird
wohl ewig ein Geheimnis bleiben - Aber Tatsache ist klar, dass er
die ganze Perkussions-Geschichte lieber sein lassen sollte. Nicht
nur, dass die zusätzlich von ihm bearbeiteten Becken gar nicht mikrofoniert wurden - Er spielte zwischendurch einfach auch
grässlich neben dem Beat vorbei. Insofern scheint mir also die Frage
nach der Existenzberechtigung durchaus gerechtfertigt. Gut 50
Minuten nach dem Beginn der Show legte das Quartett noch zwei
Zugaben nach, bevor dann endgültig Schicht im Schacht war. Der
äusserst schale Beigeschmack des Gigs blieb derweil offensichtlich
nicht nur mir im Mund hängen: Der Applaus am Ende des Gigs brodelte
auf einem absoluten Minimum…
The Haunted konnten zwar zu Beginn der Show nicht auf den selben
Zulauf wie Samael zählen, doch im Gegensatz zu den vier
Nachtschattengewächsen aus Sion legten sie während des einstündigen
Gigs konstant an Publikum und Reaktionen zu. Das Quintett stand bei
der Öffnung des Vorhangs direkt startbereit auf der Bühne, um mit 'Pieces'
vom aktuellen Album 'Versus' die Show zu eröffnen. Wie üblich
konzentrierten sich Drummer Per und die beiden Björler-Zwillinge
(Jonas / Bass und Anders / Gitarre) stoisch auf ihre musikalische
Aufgabe, während vor allem Klampfer Jensen und natürlich Fronter
Pete die Bühne für sich beschlagnahmten. Die vorderen Reihen des
Publikums verhielten sich konstant in Bewegung, der Pit zerbrach
desöfteren in Einzelteile, um kurz darauf wieder neu zu entflammen,
während weiter hinten klar einfach mal geguckt und zugehört wurde.
Pete konnte es auch diesmal nicht lassen, seine Weisheiten am Rande
der Songs ins Publikum zu schmettern, aber der Fokus lag klar auf
der fein ausbalancierten Mischung aus alten und neueren Songs. Zu
seinen Sternstunden zählten diesmal etwa seine Tirade auf
Weltbürger, die
andauernd die Schweiz mit Schweden verwechselten,
einige kleinere Überlegungen zur Chemie der Björler-Zwillinge, sowie
das spotthafte Denunzieren einiger sich all zu wichtig nehmender
Konzertbesucher. Das letzte Drittel der Show, das mit '99'
eingeläutet wurde, verzeichnete klar die stärksten
Publikumsreaktion, inkl. zweier sich selbtständig aufbauender Wall
Of Death', und Mitgröhl-Zitaten bei 'Bury Your Dead'. Richtig fett
kam dabei auch das überraschende und finale 'The Guilt Trip' mit
seinem atmosphärischen Refrain. The Haunted haben auch am
VNV-Festival mal wieder gezeigt, wie spannend Thrash Metal
heutzutage klingen kann, und vermochten dank einiger
zurückgeschraubten Momente wie in 'The Drowning' und 'Trenches' den
Spannungsbogen optimal zu halten.
Gleich nach The Haunted lag es an Mumakil, das Publikum ein letztes
Mal an diesem Abend niederzumähen - Hier allerdings wieder auf der
Zeltbühne. Was folgte, war allerdings kaum mehr als ein laues
Lüftchen. Die Band, die die letzten Jahre über kontinuierlich ihren
Ruf gesteigert hat, vermochte an diesen Abend kaum mehr als das
Minimum zu reissen, was allerdings klar zu 100% dem Tontechniker in
die Schuhe zu schieben war. Denn obwohl sich die Band voll und und
ganz ins Zeug schmiss, kam von der entfachten Energie kaum was im
Publikum an, die Show wurde schlicht zu leise und undurchsichtig
gefahren. Und anstatt sich mit aller Mühe um einen guten Sound zu
kümmern, turtelte der Tontechniker lieber mit seiner Freundin, und
checkte abwechlungsweise das Dezibel-Messgerät - Ein Reinfall auf
der ganzen Linie. Das Publikum gab sich alle Mühe, der Band die
gebührende Ehre zukommen zu lassen, und das Zelt blieb beinahe die
ganze Show über proppenvoll - Aber die Tatsachen blieben die
gleichen. Schade um den Auftritt und die Band, dem Mischer gehören
hier klar die Ohren langgezogen.
Electric Wizard schliesslich sollten das Festival in eine wabernde
Wolke aus Doom hüllen, und entgegen ihren Vorgängern von Mumakil
gelang ihnen ihr Kunststück beinahe mühelos aus den Hüften
geschwungen. Der Sound wurde die Show über konstant besser, und
Publikum wie auch die vier Musiker entschwebten ohne Vorwarnung und
nur bedingt unter Einfluss weiterer bewusstseinserweiterenden Mittel
in die nächsten Sphären - Die Band war klar mehr als geschaffen für
das VNV-Festival. Über die folgenden 70 Minuten wurde die Trägheit
geradezu zelebriert, und während der Gesangseinsatz auf einem
absoluten Minimum gehalten wurde, kam der massive Groove zur vollen
Blüte. Meist wurde die Bühne in simplen aber durchdringenden Rot-
und Blautönen gehalten, während dicker Nebel um die Musiker aufstieg
- Ein Bild, das mit dem schweren Sound Hand in Hand einher ging.
Das VNV-Festival schaffte es auch mit der diesjährigen Ausgabe, den
Ruf als kleines aber feines Festival zu festigen - Was vom mitunter
von überraschend weit her angereisten Publikum auch bestätigt wurde.
Das
Rahmenangebot kann aufgrund einer breit gefächerten Anzahl an
diversen Ess-, Getränke, und Merch-Stände getrost als breitgefächert
archiviert werden, und die Preispolitik bewegt sich seit jeher auf
locker bezahlbarem Niveau. Toll ist auch, dass man mittlerweile auch
von der offiziellen Seite her auf die kühlen Temperaturen reagiert
hat, und zu Niedrig-Preisen auch Glühwein, Tee und Konsorten
anbietet. Unter'm Strich also klar eine Empfehlung an dieser Stelle:
Wer fernab vom Mainstram einfach etwas gute Musik entdecken möchte,
und dabei die Reise in andere Regionen nicht scheut, der ist mit dem
VNV-Festival äusserst gut bedient.
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