Das VNV-Festival in Le Locle konnte bis anhin noch nie grosse
Massen ziehen, sich dafür aber stetig einen Namen bei
Qualitätsliebhabern machen: Die Abgeschiedenheit in den
Jurasser-Alpen und nahe der französischen Grenze macht es für das
Wald und Wiesen-Publikum eher uninteressant, die Grösse untermalt
die eher ideologische Ausrichtung noch zusätzlich. Musikalisch gab
es dafür jedes Jahr sensationelle Schmankerl zu bestaunen, von
Electric Wizard über Neurosis und Konsorten bis hin zu Gojira
diesjahr, bietet das Festival gerne was für den gehobenen
Extrem-Geschmack – Mit einem klaren Touch Polyrythmik und Dreck,
versteht sich. Plus, und das muss man dem Festival wirklich lassen,
die Mannschaft setzt klar auf Schweizer Werte: Am diesjährigen
Metalabend waren drei der sechs auftretenden Acts auf
eidgenössischem Boden beheimatet, und damit lag diese Ausgabe des
Festivals sogar noch unter der selber gesetzten Durchschnittsquote…
MY OWN PRIVATE ALASKA
Den Anfang machten My Own Private Alaska aus Franggröisch, eine mehr
als quere Formation, die vor allem letzthin immer wieder zu reden
gab: Das Trio verzichtet gänzlich auf verzerrte Klampfen und Bässe,
und untermalt den Schreigesang mit Piano und Drums - Und hat es
damit bis in die vorderen Ränge geschaft: Die Band zockte sogar als
Opener für Metallica. Um 19h15 in Le Locle war dabei erst mal ein
kühler Wind angesagt - Die intensive Musik der Band funktioniert bei
einfallendem Sonnenschein leider nur ansatzweise. Gut 200 Nasen
hatten sich zwar bereits eingefunden, um MOPA andächtig zu lauschen,
aber intensiv ist anders. Solide und interessante Band, falscher
Zeitpunkt. Ach ja, bis zum Hintern aufgerissene Jeans sind in der
französischen Screamo-Szene wohl gerade der letzte Hit… Schick.
<<< CAMION
Auf der Zeltbühne ging's dann gleich mit dem Tiefschlag des Abends
weiter, Camion wollten ihren Stoner-Metal unter's Volk bringen.
Freunde hatten sie scheinbar genug dabei, aber für eine überzeugende
Performance wollte die Energie nicht reichen. Ich kann dabei nicht
mal sagen, ob irgendwo ein präzises Problem waltete, oder die Band
einfach grundsätzlich schlecht war… Aber Tatsache ist, dass nicht
nur ich relativ schnell wieder das Weite suchte. 20h40 Uhr, Le Locle:
Die Frisur sitzt, die Temperaturen fallen, der Burger ruft.
EZ3KIEL
Wieder die Hauptbühne, wieder Franzosen drauf – Und erneut eine
musikalische Herausforderung… Wenn auch etwas greifbarer.
Elektronisch angereicherter Post-Rock hiess die Devise, und das
mittlerweile zu einer beachtlichten Menge angewachsenen Publikum kam
zum ersten mal auf seine Kosten. Das Quartett konnte aus dem Vollen
schöpfen, und lieferte nach anfänglichen Problemen mit dem Beamer
die komplette Palette an Sound, Licht- und Projektions-Facetten. Was
anfänglich einen ziemlich kompakten Eindruck machte, entblösste mit
der Zeit dann doch einige störende Makel: Während der Tontechniker
den Bass ziemlich hässlich clippen liess, kam die Performance auf
der Bühne zu kalt und abwesend rüber… Da hätte ich von einer Band
mit solcher Reputation mehr erwartet. Das Publikum schien diese
Mängel jedoch nicht zu stören, und so wurde der Gewinner des Abends
bereits verfrüht gekührt…
KRUGER
An Kruger lag es dann, die Bratgitarren zu starten, und dem Publikum
den ersten Tritt in den Hintern zu versetzen - Hätte auch wunderbar
geklappt, hätte der Sound unten rum mehr Wumms gehabt. An der Band
lag dies gewiss nicht, auch wenn man den Genfern/Lausannern nach all
den Jahren schon etwas Distanziertheit vorwerfen kann. Was sich bei
Drummer Raph in ultrapräzisem Kesselverdreschen manifestiert, nimmt
bei Fronter Renaud verschwommenere Züge an: Der gute scheint seine
Show in einer anderen Dimension zu leben, und lässt sich von der
Musik tragen - Und zwar soweit, dass er auch mal ohne Mik ins
Publikum steigt, und einer Handvoll Auserwählten die Texte ins Ohr
flüstert. Der gefühlte Höhepunkt des Sets war klar Joe Duplantier's
(Gojira) Besuch beim Song 'The Ox', den er auch auf der aktuellen
Kruger-Platte trällert. Renaud's und Joe's Stimmen harmonierten zwar
nicht herausragend, aber es verschaffte dem Auftritt die nötige
Portion Bodenständigkeit. Schade, dass das Pulikum das kaum
realisierte.
GOJIRA
Zum letzten Mal an diesem Abend: Hauptbühne, Franzosen. Dass diese
Kombination simplerweise auch einfach nur gewaltig killen kann,
bewies der folgende Gig – Gojira setzen zwar bescheuerterweise zu
Beginn des Sets auf versperrtes 'The Link'-Material, doch das
verschaffte
dem Publikum und auch dem Mischer die Zeit, die Ohren zu
justieren. Nach den ersten 20 Minuten herrschte dann auch klar
Götterstimmung, Gojira präsentierten sich fit wie eh und je, und
bewiesen einmal mehr, dass sie Bands massenweise an die Wand spielen
können (So geschehen beispielsweise auf der Tour mit In Flames Ende
2008). Man kann von der Band halten was man will, aber in Sachen
Tightness, Druck und Sympathie macht ihnen aktuell kaum jemand da
draussen was vor. Ich könnte schwören, dass von der Snare mehr von
der Bühne runterkam, als tatsächlich über die Sound-Anlage - Mario
Duplantier, das Prügelschwein schlechthin. 'Vacuity' und 'Flying
Whales' brachten das nun zu einer dichten Masse angewachsene
Publikum auf Betriebstemperatur, während vorne auch endlich ein
netter Pit regierte. Siebzig Minuten reichten völlig aus, um die
Frisuren des Publikums neu zu richten, und einen Rekord in Sachen Brillianz aufzustellen. Meine Fresse.
YOG
An meinen Neuenburger Grind-Lieblingen von YOG lag es dann, das
Publikum in die Nacht zu entlassen. Man könnte jetzt argumentieren,
dass die Vollbedienung von Gojira jeder weiteren Band die Luft aus
den Segel genommen hätte – Aber Tatsache ist auch, dass YOG an
diesem Abend selber etwas auf dem Bremspedal standen. Sei es das
kaputte Bassdrum-Peal nach den ersten zwei Songs (Und die darauf
folgende zehn Minütige Pause), oder die bis zur ersten Sethälfte
etwas zu konzentrierte und folglich stoische Performance, da wäre
mehr gegangen. Basser Alex schien über weite Strecken Sichtkontakt
mit Drummer Fabien zu benötigen, um im wirren Gefrickel den
Überblick behalten zu können – Dabei kann die Band bei weitem mehr:
Die letzten vier Songs des Abends legten dann auch Zeugnis vom
Können der Band ab, das Quartett schien plötzlich Blut geleckt zu
haben. Blöderweise war das Publikum zu diesem Zeitpunkt bereits in
sämtliche Winde verstreut, und bekam davon nicht mehr viel mit…
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