Gegen
Ende August kam sie in die Schweiz, die vielleicht eigenartigste
Thrash Metal Band der Geschichte in der Stilrichtung schwerer Musik
- Voivod aus Kanada. Ich will die schmerzensreiche Geschichte dieser
Gruppe nicht nochmals erzählen, es ist bloss anzumerken, dass sie
die Aufmerksamkeit verdient, auch um zu verstehen, wie sich die
Musiker trotz allen Umständen ihrem Beruf hingeben. Unseren Lesern
sei gesagt, dass es nur dieser Gruppe gelang, das Inkompatible in
musikalischer Hinsicht zu vereinigen. Sie begann mit Punk-Thrash mit
ihren ersten Alben, kam zu Psychedelic Techno-Thrash, der bis zum
heutigen Tag einzigartig bleibt. Im Vorprogramm dieser
hervorragenden Gruppe waren Mayfair aus Österreich aufgetreten, die
ihre Auffassung des originalen Progressive Metal Genres
präsentierten. Dies passte perfekt in den Rahmen, der von den
englischen und amerikanischen Gruppen begründet wurde.
Mayfair Der Opener begann pünktlich um 20:00 Uhr.
Mayfair spielten ohne ein Intro sofort drauf los, und von den ersten
Minuten des Auftritts an wurde das Publikum durch die ungewöhnliche
Rhythm-Section und die Gitarren-Effekte im Hintergrund in den Bann
gezogen. Der Frontmann der Band sang erst nach einer Weile, und als
er dann damit anfing, wurden einige (darunter auch ich) durch den
ungewöhnlichen, klaren wie emotionalen Gesangstil von Mario "le
Fate" Prünster regelrecht durchgeschüttelt. Während der halben
Stunde, die für den Auftakt mit dieser Gruppe vorgesehen war,
überraschte Le Fate das Publikum noch einige Male. Seine vokalen
Fähigkeiten sind so breit und die Vortragsweise so schauspielerisch,
dass er glatt in einem Avantgarde-Theater auftreten könnte. Meiner
Meinung nach ist sein Stil der Vortragsweise dem Gothic-Rock Genre
etwas ähnlich. Mal stöhnte Mario hilfslos, dann brüllte er
herzzerreissend in das Mikrofon, oder er sprach beinahe in das
Mikrofon, indem er in Gedichtform rezitierte. Das zweite auffällige
Mitglied der Gruppe „zauberte“ in der Ecke der Szenerie an seiner
Gitarre. Er trat lediglich in den Socken auf (!) und bewegte sich
wie ein Schatten. Nur die magischen Klänge der Gitarre erinnerten
daran, dass ein Mensch dieses Instrument halten musste. Mir hat sich
ein riesiges Pedal auf dem Bühnenboden vor Rene
eingeprägt.
Es war auffällig, dass es eine „magische“ Verbindung zwischen Rene
und Le Fate offenbarte. Die Hände von Le Fate wurden manchmal zur
Fortsetzung des Gitarrenhalses, er „zog“ in einer scheinbaren
Erschöpfung einen traurigen Klang aus den Saiten. Mit seinen Blick,
den Gesten und der Stimme zeigte Le Fate während des Konzerts den
tiefen Wahnsinn eines verzweifelten Menschen. Aber sobald der Song
zu Ende ging, schüttelte der Sänger die Emotionen ab und
kommunizierte mit dem Publikum ganz munter und sogar fröhlich. Diese
Varianz überraschte wirklich und während solcher "Erleuchtungen"
sagte Mario, dass sie als Band darauf stolz seien, auf der Bühne
zusammen mit Voivod aufzutreten, und warb für das neue full lenght
Album «My Ghost Inside"- Ich möchte zudem anfügen, dass der Klang
der Gruppe auch aufgrund der glänzenden Arbeit der Rhythm-Section
für mich so prägend wurde. Obwohl sich das Publikum zuerst zurück
hielt, traten viele in der Mitte des Auftritts ganz nah an die Bühne
heran und unterstützten die Musiker begeistert. Mayfair
verabschiedeten sich nach einer halben Stunde von ihrem
offensichtlich beeindruckten Publikum und versprachen, bald wieder
zurück zu kommen.
Voivod Im Laufe von
etwa einer halben Stunde bereiteten die Fachtechniker die Bühne für
Voivod vor. Um 21:00 Uhr setzte sich am Drum einer der auffälligsten
Mitglieder der Gruppe seit ihrer Entstehung hin - der grauhaarige
Schlagzeuger Away. Dann erschien Dominic „Rocky“ Laroche, der neue
Bassist auf der Bühne, der erst im Jahr 2014 zu Voivod gestossen
ist. Trotzdem hat er bereits an den Aufnahmen zur neuen EP «Post
Society» mitgewirkt, die in diesem Jahr erschienen ist. Schliesslich
folgten fast gleichzeitig der Gitarrist Daniel „Chewy“ Mongrain,
Nachfolger des verstorbenen Denis «Piggy» D'Amour und „die Seele“
der Band, der charismatische
Sänger Snake. Die Musiker wollten die Zuhörer offensichtlich nicht
mit einem Intro ermüden (obwohl Voivod wirklich eine Menge davon
hätten) und begannen sofort mit dem tanzbaren «Ripping Headaches»,
einem aber nicht so etablierten Lied aus dem früheren Album
«Rrröööaaarrr» (1986). Durch ihre Lust am Punk hatten sie das
Publikum in der ganzen Halle sofort in Stimmung gebracht. Danach
begrüsste Snake die Fans und sagte, dass sie mit dem heutigen
Auftritt ein paar Überraschungen bereit halten. Es war natürlich
klar, dass Snake über das neue Material sprach, das die Band mit dem
Release von «Post Society» mit im Gepäck hatte. Der Titeltrack wurde
dann aber erst in der Mitte des Sets vorgespielt. Der charismatische
Frontermann Snake war unvergleichlich in seiner wahnwitzigen Art.
Die Show, die er ablieferte, war kaum zu beschreiben - er zog
verrückte Grimassen, und, wie immer, gestikulierte er wie wild. Vor
allem erinnere ich mich an den Moment, als er nervös mit seinen
Händen nach etwas Unsichtbarem in der Luft sowie im Takt mit der
Musik griff und mit einem spöttischen Ausdruck auf seinem Gesicht
herum lief! In der Pause zwischen den Songs sprach er viel, und
einmal forderte er das Publikum zum Tanzen auf. Diese Idee wurde von
Chewy sofort aufgegriffen, der dazu eine lustige "Samba" zu spielen
begann. Das Spiel des Gitarristen Chewy verdiente eh ein besonderes
Lob. Glücklicherweise fanden Voivod in seiner Person einen würdigen
Ersatz für Piggy, der ja im Jahr 2005 an Krebs gestorben ist.
Allein
die Auflistung aller Gruppen, in denen Chewy vorher mal gespielt
hat, unterstreicht seine Reputation. Übrigens war Piggy unsichtbar
beim Konzert mit dabei, da Snake die Fans vor «Psychic Vacuum» dazu
aufforderte, seiner zu gedenken. „Wir erinnern uns an Piggy!“ –
skandierte das Publikum, zusammen mit Snake. Ohne dies kam man sich
eigentlich kein Konzert von Voivod vorstellen. Aber im Ganzen war
Snake in herrlicher Stimmung, scherzte und lächelte viel. Zu Beginn
knipste er Selfies mit dem Publikum, und am Ende von «We Are
Connected» liess er jedem Fan in der ersten Reihe (unter anderem
auch mich!) in das Mikrofon schreien. Über diesen Song, der vor drei
Jahren in Zusammenarbeit mit der legendären Band At The Gates
veröffentlicht wurde, sagte er, dass er allen Anwesenden gewidmet
wird, weil wir alle mit einander verbunden seien. Schwer zu
bestreiten! Ich möchte noch anmerken, dass ich mich sehr darüber
freute, die amüsante Komposition «Kluskap O'Kom» vom letzten full
lenght Album erleben zu können. Allerdings erhielt auch das
klassische alte Material der Gruppe stürmischen Beifall. Es ist
verständlich, dass man sich jetzt in der Phase einer kreativen Suche
befindet, und das nächste Album wird die Fans bestimmt
herausfordern. Und bis dahin geniessen wir das altbewährte Material,
von dem es während des Konzertes mehr als genug gab. Dann war es so,
dass anstatt der längsten und schwierigsten Kompositionen mehr den
Thrash-Klassikern gefrönt wurde. Das war jedoch eine gute Idee, weil
der Klang im Kellerraum des Dynamo nicht immer ideal ist. Zum
Schluss spielten die Kanadier ihre eigene Version des Pink Floyd
Klassikers «Astronomy Domine»! Vielleicht war es eine Andeutung,
dass das nächste Album den „Hippiegeist“ der 70er wieder aufleben
lässt, da Snake dies nämlich beiläufig erwähnte. Auf jeden Fall
vermochten Voivod ihre Fans einmal mehr zu überraschen!
Setliste: «Ripping Headaches» - «Tribal Convictions» -
«Overreaction» - «Kluskap O'Kom» - «Inner Combustion» - «Killing
Technology» - «Post Society» - «The Prow» - «We Are Connected» -
«Psychic Vacuum» - «Voivod» - «Astronomy Domine (Pink Floyd Cover)».
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