Livereview: Volbeat - Beatsteaks - Flogging Molly - Amorphis

30. August 2017, Thun – Stockhorn Arena
Text & Pics by Oliver H.

Vier Rockbands, die musikalisch kaum unterschiedlicher sein könnten, sorgten zusammen mit rund 10'000 Musikfans dafür, dass im Fussballstadion des FC Thun so richtig die Post abging. Das Publikum hätte kaum gemischter sein können an diesem Abend, so traf Metal-Kutte auf Trainerhose und Pettycoat auf Hippster-Bart. Um 16 Uhr herrschte noch die Ruhe vor dem Sturm, ausser der Gitarrenklänge, die ab Konserve aus den Lautsprechern dröhnten. Dies sollte sich allerdings bald ändern, denn den Event eröffneten die finnischen Progressiv-Metaller von Amorphis mit ordnungsgemässem Donnerwetter.

Amorphis

Pünktlich um 17 Uhr ertönte das Intro, das den Einzug des Sextetts aus Helsinki ankündete. Mit schwerstem Metal und grollendem Gesang überzogen die Finnen ein erstes Mal Thun-Süd. Zur Freude aller Amorphis-Fans war das Stadion noch relativ leer und auch vom Golden Circle aus, genoss man zu dem Zeitpunkt noch uneingeschränkte Sicht auf die Band. Die Truppe von Tomi Koivusaari spielte voller Energie und Power auf und die Tatsache, dass sie als Opener des Abends herhalten mussten schien ihre Spielfreude keineswegs zu trüben. Amorphis, was so viel wie „formlos, ohne feste Gestalt“ heisst, waren alles andere als formlos. Sie waren in Hochform und heizten während nur einer halben Stunde (sehr zu meinem Bedauern) dem Publikum mächtig ein. Die grösste Show zog dabei der charismatische Sänger Tomi Joutsen ab. Ein Mikrofon, das an eine Waffe aus dem Mad Max-Film erinnert wurde geschwungen und angebrüllt und in manchen Song-Parts liess er seine Haare fliegen, wie man es schöner den ganzen Abend nicht mehr gesehen hat. Ein abwechslungsreiches Set aus alten und neuen Songs wurde zum Besten gegeben und so tat es denn ihrem Auftritt auch keinen Abbruch, dass ihr Gig ohne den 1994-er Klassiker „Black Winter Day“ ein Ende fand. Schön wars, hätte gerne mehr davon gehört.

Setliste: «Under The Red Cloud» «Sacrifice» «Hopeless Days» «Bad Blood» «Into Hiding» «House Of Sleep»

Flogging Molly
Ziemlich heftig und ziemlich lustig ging es dann beim zweiten Gig, nämlich dem Auftritt der irisch-amerikanischen Folk-Punker von Flogging Molly zu und her. Die alternden Herren um Mastermind Dave King bewiesen eindrucksvoll, dass sie live noch lange nicht zum alten Eisen gehören und brachten das mittlerweile doch stattlich gefüllte Stadion zum Tanzen. Mit immer einem guten Spruch auf Lager und in bester Partylaune führte King gekonnt durch ihren Auftritt. „It’s 5.45 – breakfast!“, brüllte King in die Menge und gönnte sich einen Schluck Guiness aus der Halbliterdose. Die „peitschende Molly“ war deftig, punkig und voller Herzblut und hat dabei niemals die Vorstellung für sinnlichen Zwischentöne vergessen. Sei dies die Fidel, das Banjo, das Akkordeon oder die typische Tin Whistle (irische Flöte), die immer wieder für ein Stimmungshoch unter dem Publikum sorgte. Die „Iren“ trieben Schabernack auf der Bühne und machten sich über die Fotografen im Graben lustig, jedoch nur um dafür einen Lacher von den Zuschauern einzustreichen. Den Auftritt selbst, nutzten sie ebenfalls gekonnt aus, um auf ihr neues Album „Life Is Good“ aufmerksam zu machen, das am 2. Juni 2017 erschienen ist. Am Schluss blieb sogar noch ein wenig Zeit für Schmeicheleien, als King im Publikum einen Fan im Greenfield-Shirt ausmachte, um daraufhin das Festival in Interlaken als eines der besten und schönstes Festivals weltweit anzupreisen. Danke dafür!

Setliste: «The Hand Of John l. Sullivan» «Swagger» «Drunken Lullabies» «Saints & Sinners» «Float» «Devil’s Dancefloor» «Crushed (Hostile Nations)» «If I Ever Leave This World Alive» «What’s Left Of The Flag» «The Seven Deadly Sins»


Beatsteaks
Nach dem Irish-Folk-Frühstück folgte das Mittagessen und dieses bestand aus Steaks – Beatsteaks. Für mich persönlich war dieses Gig der schwierigste des ganzen Line-Up’s, denn mit der Berliner Rockkombo bin ich bis heute noch nicht warmgeworden. Ganz anders aber die Zuschauer. Die liessen sich von der Bühnenpräsenz und der Spielfreude der Deutschen innert Kürze anstecken, tanzten und liessen sich vereinzelt sogar zu Pogo-Einlagen hinreissen. Der Sänger Arnim Teutoburg-Weiss trug wie fast immer einen Trainingsanzug, Bassist Torsten Scholz fiel durch sein rosarotes Outfit auf und der Gitarrist Bernd Kurtzke holte sich einige Sympathiepunkte, da er ein FC Thun Trikot trug. Ansonsten rockten die Berliner gradlinig und immer mit einer Prise Witz dabei, genau wie ihr Ruf als interessante Live-Band ihnen oft vorauseilt. Der Höhepunkt des Konzerts war sicherlich, als Teutoburg-Weiss die Queen-Hymne „I Want To Break Free“ anstimmte und das Publikum den Song gerade drei Mal in Serie mitsingen durfte. Dabei verliess der Sänger die Bühne, durchschritt den Golden Circle und auch noch einen Teil des übrigen Festivalgeländes, bis er schliesslich auf der Zuschauerabschrankung balancierend den Song beendete. Die Fannähe gefiel dem Publikum und dies meldeten sie auch lautstark zurück. Nach einer Stunde war dann aber auch für die Formation aus dem Nachbarland Schluss und alles wartete jetzt nur noch auf die Hauptattraktion des Abends.




Volbeat
Der kurze Soundcheck in Vorfeld war schon extrem laut und jetzt wartete man gespannt auf die Dänen, die sich hinter einem riesigen Volbeat-Vorhang bereit machten. Nach dem Motörhead Intro „Born To Raise Hell“ fiel dann der Schädel-Vorhang und mit ihm doch noch die ersten erwarteten Regentropfen. Ganz ohne Pyrotechnik, dafür mit einer monströsen Leinwand, die drei verschiedene Bilder gleichzeitig ausstrahlen konnte, sorgte auch gerade bei den kleineren Zuschauern für echte Freude. Volume + Beat = Volbeat! Das Konzept schien wieder einmal aufzugehen obwohl nur etwa die Hälfte der vorhandenen Plätze gefüllt werden konnte. Dennoch ragten tausende Arme in die Höhe, als die Hauptband des Abends mit so grandioser Wucht loslegte, wie sie dieses Stadion wohl noch selten erlebt hat. Sichtlich gut gelaunt und mit einem breiten Grinsen im Gesicht stellte sich das Quartett dem angeheizten Publikum vor. Poulsen hielt die Fans innert Kürze dazu an, Crowdsurfing zu betreiben und dies wiederholte er einige Male im Verlauf des Konzerts. Ganz zum Verdruss der Veranstalter, die auf Grossleinwand immer wieder „No Crowdsurfing“ einblendeten. Darüber hinaus brauste der Volbeat-Rock’n’Roll-Sturm endgültig in voller Stärke über die Stockhorn-Arena herein. Die Musikfans bekamen ein Repertoire aus über zehn Jahren Bandgeschichte geboten, und neben all ihren Hits gab es auch auserlesene Perlen, die so zuvor noch nie live gespielt wurden. Dies war ganz zur Freude der eingefleischten Fans, die ansonsten die Live-Show von Volbeat bestens kannten. Sympathie erntete der Sänger Michael Poulsen ausserdem dafür, dass er unter seinem Johnny Cash-Gilet ein T-Shirt „ihrer Anheizer“ von Amorphis trug. Pünktlich um 22:30 Uhr raste der dänische Rock-ICE in den Bahnhof Thun ein und damit ging das Spektakel ohne Zwischenfälle zu Ende. Während der letzten zwei Songs braute sich noch ein gewaltiges Gewitter zusammen, das sich mit heftigen Blitzen und Regengüssen über den schwitzenden Zuschauern entlud. Zehntausend begeisterte Besucher machten sich daraufhin sichtlich glücklich und durchnässt auf den Heimweg. Volbeat haben nach einem durchzogenen Greenfield- und einem eher schlechten Hallenstadion-Auftritt eindrücklich bewiesen, dass sie durchaus eine starke und qualitative Liveband sind.

Setliste: «The Devil’s Bleeding Crown» «Heaven Nor Hell / Radio Girl» «Lola Montez» «Let It Burn» «Doc Holliday» «Sad Man’s Tongue» «16 Dollars» «Fallen» «Slaytan» «Dead But Rising» «The Everlasting» «For Evigt» «Guitar Gangsters & Cadillac Blood» «Lonesome Rider» «Seal The Deal» «The Gates Of Babylon» «The Garden’s Tale» «Warriors Call / Hangmans Body Count» «Black Rose» «Still Counting»