Vier Rockbands, die musikalisch kaum unterschiedlicher sein könnten,
sorgten zusammen mit rund 10'000 Musikfans dafür, dass im
Fussballstadion des FC Thun so richtig die Post abging. Das Publikum
hätte kaum gemischter sein können an diesem Abend, so traf
Metal-Kutte auf Trainerhose und Pettycoat auf Hippster-Bart. Um 16
Uhr herrschte noch die Ruhe vor dem Sturm, ausser der
Gitarrenklänge, die ab Konserve aus den Lautsprechern dröhnten. Dies
sollte sich allerdings bald ändern, denn den Event eröffneten die
finnischen Progressiv-Metaller von Amorphis mit ordnungsgemässem
Donnerwetter.
Amorphis
Pünktlich um 17 Uhr ertönte das Intro, das den Einzug des Sextetts
aus Helsinki ankündete. Mit schwerstem Metal und grollendem Gesang
überzogen die Finnen ein erstes Mal Thun-Süd. Zur Freude aller
Amorphis-Fans war das Stadion noch relativ leer und auch vom Golden
Circle aus, genoss man zu dem Zeitpunkt noch uneingeschränkte Sicht
auf die Band. Die Truppe von Tomi Koivusaari spielte voller Energie
und Power auf und die Tatsache, dass sie als Opener des Abends
herhalten mussten schien ihre Spielfreude keineswegs zu trüben.
Amorphis, was so viel wie „formlos, ohne feste Gestalt“ heisst,
waren alles andere als formlos. Sie waren in Hochform und heizten
während nur einer halben Stunde (sehr zu meinem Bedauern) dem
Publikum mächtig ein. Die grösste Show zog dabei der charismatische
Sänger Tomi Joutsen ab. Ein Mikrofon, das an eine Waffe aus dem Mad
Max-Film erinnert wurde geschwungen und angebrüllt und in manchen
Song-Parts liess er seine Haare fliegen, wie man es schöner den
ganzen Abend nicht mehr gesehen hat. Ein abwechslungsreiches Set aus
alten und neuen Songs wurde zum Besten gegeben und so tat es denn
ihrem Auftritt auch keinen Abbruch, dass ihr Gig ohne den 1994-er
Klassiker „Black Winter Day“ ein Ende fand. Schön wars, hätte gerne
mehr davon gehört.
Setliste: «Under The Red Cloud»
«Sacrifice» «Hopeless Days» «Bad Blood» «Into Hiding» «House Of
Sleep»
Flogging Molly
Ziemlich heftig und ziemlich lustig ging es dann beim zweiten Gig,
nämlich dem Auftritt der irisch-amerikanischen Folk-Punker von
Flogging Molly zu und her. Die alternden Herren um Mastermind Dave
King bewiesen eindrucksvoll, dass sie live noch lange nicht zum
alten Eisen gehören und brachten das mittlerweile doch stattlich
gefüllte Stadion zum Tanzen. Mit immer einem guten Spruch auf Lager
und in bester Partylaune führte King gekonnt durch ihren Auftritt.
„It’s 5.45 – breakfast!“, brüllte King in die Menge und gönnte sich
einen Schluck Guiness aus der Halbliterdose. Die „peitschende Molly“
war deftig, punkig und voller Herzblut und hat dabei niemals die
Vorstellung für sinnlichen Zwischentöne vergessen. Sei dies die
Fidel, das Banjo, das Akkordeon oder die typische Tin Whistle
(irische Flöte), die immer wieder für ein Stimmungshoch unter dem
Publikum sorgte. Die „Iren“ trieben Schabernack auf der Bühne und
machten sich über die Fotografen im Graben lustig, jedoch nur um
dafür einen Lacher von den Zuschauern einzustreichen. Den Auftritt
selbst, nutzten sie ebenfalls gekonnt aus, um auf ihr neues Album
„Life Is Good“ aufmerksam zu machen, das am 2. Juni 2017 erschienen
ist. Am Schluss blieb sogar noch ein wenig Zeit für Schmeicheleien,
als King im Publikum einen Fan im Greenfield-Shirt ausmachte, um
daraufhin das Festival in Interlaken als eines der besten und
schönstes Festivals weltweit anzupreisen. Danke dafür!
Setliste: «The Hand Of John l. Sullivan» «Swagger» «Drunken
Lullabies» «Saints & Sinners» «Float» «Devil’s Dancefloor» «Crushed
(Hostile Nations)» «If I Ever Leave This World Alive» «What’s Left
Of The Flag» «The Seven Deadly Sins»
Beatsteaks
Nach dem Irish-Folk-Frühstück folgte das Mittagessen und dieses
bestand aus Steaks – Beatsteaks. Für mich persönlich war dieses Gig
der schwierigste des ganzen Line-Up’s, denn mit der Berliner
Rockkombo bin ich bis heute noch nicht warmgeworden. Ganz anders
aber die Zuschauer. Die liessen sich von der Bühnenpräsenz und der
Spielfreude der Deutschen innert Kürze anstecken, tanzten und
liessen sich vereinzelt sogar zu Pogo-Einlagen hinreissen. Der
Sänger Arnim Teutoburg-Weiss trug wie fast immer einen
Trainingsanzug, Bassist Torsten Scholz fiel durch sein rosarotes
Outfit auf und der Gitarrist Bernd Kurtzke holte sich einige
Sympathiepunkte, da er ein FC Thun Trikot trug. Ansonsten rockten
die Berliner gradlinig und immer mit einer Prise Witz dabei, genau
wie ihr Ruf als interessante Live-Band ihnen oft vorauseilt. Der
Höhepunkt des Konzerts war sicherlich, als Teutoburg-Weiss die
Queen-Hymne „I Want To Break Free“ anstimmte und das Publikum den
Song gerade drei Mal in Serie mitsingen durfte. Dabei verliess der
Sänger die Bühne, durchschritt den Golden Circle und auch noch einen
Teil des übrigen Festivalgeländes, bis er schliesslich auf der
Zuschauerabschrankung balancierend den Song beendete. Die Fannähe
gefiel dem Publikum und dies meldeten sie auch lautstark zurück.
Nach einer Stunde war dann aber auch für die Formation aus dem
Nachbarland Schluss und alles wartete jetzt nur noch auf die
Hauptattraktion des Abends.
Volbeat
Der kurze Soundcheck in Vorfeld war schon extrem laut und jetzt
wartete man gespannt auf die Dänen, die sich hinter einem riesigen
Volbeat-Vorhang bereit machten. Nach dem Motörhead Intro „Born To
Raise Hell“ fiel dann der Schädel-Vorhang und mit ihm doch noch die
ersten erwarteten Regentropfen. Ganz ohne Pyrotechnik, dafür mit
einer monströsen Leinwand, die drei verschiedene Bilder gleichzeitig
ausstrahlen konnte, sorgte auch gerade bei den kleineren Zuschauern
für echte Freude. Volume + Beat = Volbeat! Das Konzept schien wieder
einmal aufzugehen obwohl nur etwa die Hälfte der vorhandenen Plätze
gefüllt werden konnte. Dennoch ragten tausende Arme in die Höhe, als
die Hauptband des Abends mit so grandioser Wucht loslegte, wie sie
dieses Stadion wohl noch selten erlebt hat. Sichtlich gut gelaunt
und mit einem breiten Grinsen im Gesicht stellte sich das Quartett
dem angeheizten Publikum vor. Poulsen hielt die Fans innert Kürze
dazu an, Crowdsurfing zu betreiben und dies wiederholte er einige
Male im Verlauf des Konzerts. Ganz zum Verdruss der Veranstalter,
die auf Grossleinwand immer wieder „No Crowdsurfing“ einblendeten.
Darüber hinaus brauste der Volbeat-Rock’n’Roll-Sturm endgültig in
voller Stärke über die Stockhorn-Arena herein. Die Musikfans bekamen
ein Repertoire aus über zehn Jahren Bandgeschichte geboten, und
neben all ihren Hits gab es auch auserlesene Perlen, die so zuvor
noch nie live gespielt wurden. Dies war ganz zur Freude der
eingefleischten Fans, die ansonsten die Live-Show von Volbeat
bestens kannten. Sympathie erntete der Sänger Michael Poulsen
ausserdem
dafür, dass er unter seinem Johnny Cash-Gilet ein T-Shirt „ihrer
Anheizer“ von Amorphis trug. Pünktlich um 22:30 Uhr raste der
dänische Rock-ICE in den Bahnhof Thun ein und damit ging das
Spektakel ohne Zwischenfälle zu Ende. Während der letzten zwei Songs
braute sich noch ein gewaltiges Gewitter zusammen, das sich mit
heftigen Blitzen und Regengüssen über den schwitzenden Zuschauern
entlud. Zehntausend begeisterte Besucher machten sich daraufhin
sichtlich glücklich und durchnässt auf den Heimweg. Volbeat haben
nach einem durchzogenen Greenfield- und einem eher schlechten
Hallenstadion-Auftritt eindrücklich bewiesen, dass sie durchaus eine
starke und qualitative Liveband sind.
Setliste: «The Devil’s
Bleeding Crown» «Heaven Nor Hell / Radio Girl» «Lola Montez» «Let It
Burn» «Doc Holliday» «Sad Man’s Tongue» «16 Dollars» «Fallen»
«Slaytan» «Dead But Rising» «The Everlasting» «For Evigt» «Guitar
Gangsters & Cadillac Blood» «Lonesome Rider» «Seal The Deal» «The
Gates Of Babylon» «The Garden’s Tale» «Warriors Call / Hangmans Body
Count» «Black Rose» «Still Counting»
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