Es war von der Zuschauerzahl her wohl kein
denkwürdiger Abend, der das erste und damit historisch bedeutende
Schweizer „Metal Battle Finale“ ausmachte. Aber mal abgesehen davon,
dass sich nur wenige Nasen an diesem heissen Sommer-Abend ins
Salzhaus verirrten, war es doch ein sehr interessanter Event, der
wieder einmal das grosse Potenzial an Schweizer Bands aufzeigte und
verschiedene Stile auf die Bühne brachte. Mit je 20-minütigen
Konzerten kämpften Diabolic Divine, Felony, Punish, Silver Dirt,
Morbus Gravis und Mabon um die Gunst der vierköpfigen Jury. Als
Gewinn winkte ein Auftritt am „Wacken Open Air 06“ und damit die
Chance, dort gegen andere Bands um einen Plattenvertrag mit
Armageddon Music zu spielen. Diejenige Gruppe, die letztes Jahr
gewonnen hat, durfte dann auch als letzte auftreten, während die
Jury den Schweizer Sieger ausdiskutierte. Metal Factory war für euch
dabei!
„Das mit den verschiedenen Stilen war nicht geplant und hat sich bei
der Auswahl der Bands automatisch so ergeben!“ erklärte mir V.O.
Pulver, der als einer von vier Jurymitgliedern wirkte. „Von den fast
60 Einsendungen hat jeder circa 20 Bands auf mp3 erhalten, ohne
Bandnamen und ohne jeweilige Hintergrund-Infos. Davon suchte
wiederum jeder drei bis fünf Bands aus, die er den anderen Juroren
vorschlug.“ Pulver machte sich dann eine Excel-Liste mit Kriterien
wie „Originalität“ und „Spieltechnik“, mit denen er versuchte, die
besten heraus zu filtern. Dieses System haben die anderen Juroren
anschliessend spontan übernommen. Insgesamt haben sie sich im
Vorfeld aber nur einmal getroffen. Für Pulver war es eine Ehre, für
das Schweizer „Metal Battle“ als Schiedsrichter angefragt zu werden.
„Mir war aber wichtig, dass ich nicht Dieter Bohlen oder Chris von
Rohr-mässig nach jedem Auftritt meinen Kommentar abgeben muss.
Wichtig sind die Bands. Bei einem metallischen ‚Deutschland sucht
den Superstar’ hätte ich nicht mitgemacht.“ Im Salzhaus gab es denn
auch keine Zwischenkommentare. Die Jury, die neben Pulver aus dem
Wacken-Abgesanten Nick, aus Oli von Deepdive und aus Roman Lukanec
des „Rockstar“-Magazins bestand, hörte sich die Bands an und sass
erst zusammen, als alle gespielt hatten. „Ich bin heute kritischer
als früher was die Musik betrifft“, so Pulver. „Die Leistungen waren
zwar bis jetzt in Ordnung bis gut, bisher habe ich aber überall noch
Dinge gesehen, die besser sein könnten.“ Das „Wacken Open Air“ kennt
Pulver aus eigener Erfahrung. Mit Gurd ist er zwar noch nie dort
aufgetreten, allerdings war er '98 oder '99 als Privatperson dort.
„Wann das genau war, kann ich nicht mehr sagen.“ Zudem begleitete er
mal Destruction als Gitarren-Techniker an diesen Anlass.
Für die teilnehmenden Bands selber war wichtig, dass die Jury aus
kompetenten Personen bestand und nicht das lautestete Publikum
entschied, wer weiter kommt. So meinte Reto von
Punish zum Beispiel: „Wir nahmen schon an anderen Band-Wettwerben
teil, wo das Publikum entschieden hat und haben dort negative
Erfahrungen gemacht. Einzelne Bands fahren da zu ihrem Auftritt 80
Leute an, die zum Teil gar nichts mit Metal zu tun haben, lassen die
kurz lärmen und dann wieder verschwinden. So hat auch schon mal die
mit Abstand mieseste Band gewonnen.“
Für das Schweizer „Wacken Metal Battle“ ist Oli von der Musikagentur
Deepdive verantwortlich. Während in anderen Ländern mehrere
Halbfinale und Finale notwendig sind, um den Sieger zu ermitteln,
reicht es dieses Jahr in der Schweiz nur für ein Finale. „Als wir
Anfang Jahr mit der Organisation begannen, dachten wir nicht, dass
es soviel Vorlaufzeit benötigt. Schlussendlich drängte der Termin.
Aber wir haben es doch noch geschafft!“ erklärt er. „Für nächstes
Jahr planen wir aber zwei bis drei Vorausscheidungen, bevor es zum
Schweizer Finale kommt.“ Somit ist auch klar, dass der Anlass trotz
geringer Zuschauerzahl fortgesetzt wird. „Durch die knappe Zeit
konnten wir auch nur wenig Werbung lancieren.“ Wer weiss, vielleicht
erhält die „Metal Battle“ dann auch einen ähnlichen Status wie in
Deutschland, wo im Schnitt 300 Metalheads den Wettbewerb besuch(t)en.
Die Auftritts-Reihenfolge wurde erst an diesem Samstag ausgelost und
war somit purer Zufall. Merkwürdig dabei, dass sich die
Live-Performance-Qualität zu Beginn nur langsam steigerte. Die
folgenden Kommentare zu den einzelnen Bands widerspiegeln meine
persönliche Meinung und nicht diejenige der Jury.
Diabolic Divine
Mit Diabolic Divine stand nach 20.00 Uhr die erste Band auf der
Bühne, die leider noch nichts reissen konnte. Zu unmotiviert wirkte
ihr Rock, der an Bands wie Creed oder Nickelback in ihren
melancholischen Momenten erinnerte. Vielleicht lag es an der Art der
Musik selber oder an der Sommerhitze im Salzhaus, aber mit dieser
„Bühnenpräsenz“ konnte man wirklich niemanden für sich gewinnen. Wie
um das Ganze noch zu unterstreichen, wirkten auch die Ansagen von
Sänger Orlando halbgar und als er zum Schluss allen dankte und
behauptete, dass es geil hier im Salzhaus gewesen sei, glaubte ihm
niemand mehr..., schade! Diabolic Divine haben hier definitiv eine
Chance verpasst.
Felony
In einer anderen Liga spielten die Melodic-Metaller Felony, die im
Herbst mit „First works“ ein äusserst eigenständiges und tolles
Album aufgenommen haben. Von einigen Journalisten wurden es damit zu
Recht zum „Album des Monats“ gewählt. Darum war ich auch gespannt,
wie die Life-Umsetzung sein würde. Und sie war durchaus ansprechend.
Obwohl der Band-Keyboarder Kusi kurzfristig die Gitarre übernehmen
musste und das Keyboard von einem Gastmusiker gespielt wurde, legten
Felony gleich zu Beginn engagiert los. Nur waren die
Soundeinstellungen noch nicht optimal, so dass die Band unter
erschwerten Bedingungen auftreten musste. Dies änderte sich aber
spätestens nach dem zweiten Lied. Dabei bemerkte ich aber, dass
dieser leicht progressive, sehr eingängige Metal nicht unbedingt
live-tauglich ist. Immerhin klatschte das Publikum und beim finalen
„Say goodbye“ hätte man sogar headbangen können. Felony zeigten den
nachfolgenden Bands, wie man die Zeit zu seinen Gunsten nutzt, und
hätten diese nicht alle in einer noch höheren Liga gespielt, hätten
sie vielleicht sogar gewonnen. Die Band hat aber Zukunfts-Chancen
und ich bin gespannt, wie es mit ihr weiter geht.
Punish
Mit den Death-Metallern Punish war dann das Niveau an Bühnenpräsenz
erreicht, welches mir das grosse Potenzial unserer einheimischen
Szene bestätigt. Die Band, die im Moment ihr erstes richtiges Album
beim Atrocity-Frontmann Alex Krull aufnimmt und sich erst kürzlich
von ihrem Sänger getrennt hat, wirkte motiviert. Bassist Reto
übernahm die meisten Vocals und bediente gleichzeitig in einem
unglaublichen Tempo sein Instrument. Punish headbangten und steckten
das Publikum an, dies nach zu machen. Obwohl ich selber mit Death
Metal eher wenig anfangen kann, überzeugten sie mich auf's Neue. Für
Punish selber wird der Auftritt wohl als „St. Anger-Gig“ in
Erinnerung bleiben, weil die Snaredrum wie im erwähnten
Metallica-Album während der gesamten 20 Minuten vor sich hin
schepperte. Die Zürcher bewiesen auf eindrückliche Weise, dass sie
auch ohne eigenen Sänger bestehen und überzeugen können.
Silver Dirt
Ähnliches gilt auch für die Genfer Rock'n'Roller Silver Dirt. Obwohl
dem Konzert deutlich weniger Leute beiwohnten als bei Punish,
präsentierten sie ihre
Vision von purem Rock mit voller Energie.
Songs wie „Mean machine“ zeigten, dass Bands wie Guns n'Roses und
The Hellacopters auch heute noch bestehen können. Silver Dirt waren
dazu passend sleazy gekleidet und der Sänger, der sich „Silver Steff“
nennt, geschminkt. Klar war ihr Gepose übertrieben, allerdings zählt
dies zu dieser Musik wie das „böse in die Welt gucken“ beim Death
Metal. Insgesamt nutzten die Genfer ihre 20 Minuten optimal. Wieso
es schlussendlich doch nicht zum Sieg gereicht hatte, analysierte
Silver Steff so: „Wir dachten uns, dass wir es neben all den „harten
Bands“ schwer haben werden. Wacken ist ja doch eher ein
Metal-Festival und da sind wir zu rock'n'rollig. Es hat sich für uns
aber gleichwohl gelohnt, weil wir immerhin zwei CD's verkaufen
konnten.“
Morbus Gravis
Zu diesen harten Bands zählten auch Morbus Gravis, deren Musik
irgendwo zwischen Metalcore und Thrash-/Death Metal einzuordnen ist.
Wiederum vor mehr Publikum und einigen Headbangern war erneut
Vollgas angesagt. Dabei fielen vor allem der hyperaktive Bassist
Gian-Andrea Costa und sein fast so aktiver Partner und Leadgitarrist
Patrick Zullan auf. In der Halle war spätestens jetzt so etwas wie
Konzertstimmung aufgekommen, was die Band weiter voran trieb. Waren
es vorher noch Welschschweizer, so durfte das Publikum jetzt mit
Ansagen mit italienischem Englisch-Akzent vorlieb nehmen.
Mabon
Wie einige im Salzhaus mir schon vor dem Auftritt von Mabon
erzählten, waren es wohl sie, die am meisten Freunde und Bekannte
mobilisieren konnten, ins Salzhaus zu pilgern. Und dem entsprechend
wild ging es vor der Bühne zu und her. Die Ostschweizer
Thrash-Metaller liessen sich dadurch noch mehr anstecken und
spielten, als gäbe es kein Morgen mehr. Als optischer Hingucker
stellte sich Rhythmus-Gitarristin Monika Hagmann heraus, die mit
knappem Leder-BH immer wieder von der Musik ablenkte. Aber auch ohne
„Bonus-Frau“ zeigten sie, dass auch hier eine Band mit guten
Zukunftsaussichten am Start ist.
Nach Mabon war es an der Jury, den Sieger hinter der Bühne
auszudiskutieren, was bei den gezeigten Leistungen wohl gar nicht so
einfach war. Um das Publikum in der Zwischenzeit trotzdem zu
unterhalten, spielten die „Metal-Battle“ Sieger des letzten Jahres
auf. Gorilla Monsoon aus Deutschland lehrten mich und alle anderen,
dass die vorher gezeigten Leistungen trotz ihrer hohen Qualität
immer noch steigerbar sind. Mit Antilopen-Schädel am Mirkofon
spielten sie ihren Thrash-/Death Metal mit ungeheurer Intensität, so
dass trotz später Stunde noch einige zum wiederholten Headbangen
genötigt wurden. Musikalisch erinnern Gorilla Monsoon an Entombed
und legen somit in ihren mit rauer Stimme vorgetragenen Sound
zwischen den Speed-Passagen immer wieder zähflüssige, doomige Teile
ein. Diejenigen, welche sie noch erlebten, und das waren neben den
anwesenden Bands wohl nicht mehr viele, wurden dafür tausendfach
belohnt.
Nach diesem Auftritt stieg die Spannung, als die gesamte Jury zum
ersten und einzigen Mal auf die
Bühne kam. Wer würde wohl ans „Wacken“
gehen können? Sind es Punish, wie einige Zwischenrufe meinten? Die
Tessiner Morbus Gravis oder die welschen Rock'n'Roller Silver Dirt?
Aber auch Mabon hatten durchaus Chancen. Felony selber ahnten wohl,
dass sie nicht gewinnen würden und ein Teil der Band frönte vor dem
Salzhaus dem Alkohol-Genuss. Ohne grosse Umschweife zu machen kam
dann Nick vom „Wacken Open Air“ schnell zur Sache. Die Gewinner sind
Morbus Gravis und werden die Schweiz in Deutschland wohl würdig
vertreten. Herzliche Gratulation!
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