Livereview: Wacken Metal Battle
10. Juni 2006, Winterthur Salzhaus
By Roger W.
Es war von der Zuschauerzahl her wohl kein denkwürdiger Abend, der das erste und damit historisch bedeutende Schweizer „Metal Battle Finale“ ausmachte. Aber mal abgesehen davon, dass sich nur wenige Nasen an diesem heissen Sommer-Abend ins Salzhaus verirrten, war es doch ein sehr interessanter Event, der wieder einmal das grosse Potenzial an Schweizer Bands aufzeigte und verschiedene Stile auf die Bühne brachte. Mit je 20-minütigen Konzerten kämpften Diabolic Divine, Felony, Punish, Silver Dirt, Morbus Gravis und Mabon um die Gunst der vierköpfigen Jury. Als Gewinn winkte ein Auftritt am „Wacken Open Air 06“ und damit die Chance, dort gegen andere Bands um einen Plattenvertrag mit Armageddon Music zu spielen. Diejenige Gruppe, die letztes Jahr gewonnen hat, durfte dann auch als letzte auftreten, während die Jury den Schweizer Sieger ausdiskutierte. Metal Factory war für euch dabei!

„Das mit den verschiedenen Stilen war nicht geplant und hat sich bei der Auswahl der Bands automatisch so ergeben!“ erklärte mir V.O. Pulver, der als einer von vier Jurymitgliedern wirkte. „Von den fast 60 Einsendungen hat jeder circa 20 Bands auf mp3 erhalten, ohne Bandnamen und ohne jeweilige Hintergrund-Infos. Davon suchte wiederum jeder drei bis fünf Bands aus, die er den anderen Juroren vorschlug.“ Pulver machte sich dann eine Excel-Liste mit Kriterien wie „Originalität“ und „Spieltechnik“, mit denen er versuchte, die besten heraus zu filtern. Dieses System haben die anderen Juroren anschliessend spontan übernommen. Insgesamt haben sie sich im Vorfeld aber nur einmal getroffen. Für Pulver war es eine Ehre, für das Schweizer „Metal Battle“ als Schiedsrichter angefragt zu werden. „Mir war aber wichtig, dass ich nicht Dieter Bohlen oder Chris von Rohr-mässig nach jedem Auftritt meinen Kommentar abgeben muss. Wichtig sind die Bands. Bei einem metallischen ‚Deutschland sucht den Superstar’ hätte ich nicht mitgemacht.“ Im Salzhaus gab es denn auch keine Zwischenkommentare. Die Jury, die neben Pulver aus dem Wacken-Abgesanten Nick, aus Oli von Deepdive und aus Roman Lukanec des „Rockstar“-Magazins bestand, hörte sich die Bands an und sass erst zusammen, als alle gespielt hatten. „Ich bin heute kritischer als früher was die Musik betrifft“, so Pulver. „Die Leistungen waren zwar bis jetzt in Ordnung bis gut, bisher habe ich aber überall noch Dinge gesehen, die besser sein könnten.“ Das „Wacken Open Air“ kennt Pulver aus eigener Erfahrung. Mit Gurd ist er zwar noch nie dort aufgetreten, allerdings war er '98 oder '99 als Privatperson dort. „Wann das genau war, kann ich nicht mehr sagen.“ Zudem begleitete er mal Destruction als Gitarren-Techniker an diesen Anlass.

Für die teilnehmenden Bands selber war wichtig, dass die Jury aus kompetenten Personen bestand und nicht das lautestete Publikum entschied, wer weiter kommt. So meinte Reto von Punish zum Beispiel: „Wir nahmen schon an anderen Band-Wettwerben teil, wo das Publikum entschieden hat und haben dort negative Erfahrungen gemacht. Einzelne Bands fahren da zu ihrem Auftritt 80 Leute an, die zum Teil gar nichts mit Metal zu tun haben, lassen die kurz lärmen und dann wieder verschwinden. So hat auch schon mal die mit Abstand mieseste Band gewonnen.“

Für das Schweizer „Wacken Metal Battle“ ist Oli von der Musikagentur Deepdive verantwortlich. Während in anderen Ländern mehrere Halbfinale und Finale notwendig sind, um den Sieger zu ermitteln, reicht es dieses Jahr in der Schweiz nur für ein Finale. „Als wir Anfang Jahr mit der Organisation begannen, dachten wir nicht, dass es soviel Vorlaufzeit benötigt. Schlussendlich drängte der Termin. Aber wir haben es doch noch geschafft!“ erklärt er. „Für nächstes Jahr planen wir aber zwei bis drei Vorausscheidungen, bevor es zum Schweizer Finale kommt.“ Somit ist auch klar, dass der Anlass trotz geringer Zuschauerzahl fortgesetzt wird. „Durch die knappe Zeit konnten wir auch nur wenig Werbung lancieren.“ Wer weiss, vielleicht erhält die „Metal Battle“ dann auch einen ähnlichen Status wie in Deutschland, wo im Schnitt 300 Metalheads den Wettbewerb besuch(t)en.

Die Auftritts-Reihenfolge wurde erst an diesem Samstag ausgelost und war somit purer Zufall. Merkwürdig dabei, dass sich die Live-Performance-Qualität zu Beginn nur langsam steigerte. Die folgenden Kommentare zu den einzelnen Bands widerspiegeln meine persönliche Meinung und nicht diejenige der Jury.

Diabolic Divine
Mit Diabolic Divine stand nach 20.00 Uhr die erste Band auf der Bühne, die leider noch nichts reissen konnte. Zu unmotiviert wirkte ihr Rock, der an Bands wie Creed oder Nickelback in ihren melancholischen Momenten erinnerte. Vielleicht lag es an der Art der Musik selber oder an der Sommerhitze im Salzhaus, aber mit dieser „Bühnenpräsenz“ konnte man wirklich niemanden für sich gewinnen. Wie um das Ganze noch zu unterstreichen, wirkten auch die Ansagen von Sänger Orlando halbgar und als er zum Schluss allen dankte und behauptete, dass es geil hier im Salzhaus gewesen sei, glaubte ihm niemand mehr..., schade! Diabolic Divine haben hier definitiv eine Chance verpasst.

Felony
In einer anderen Liga spielten die Melodic-Metaller Felony, die im Herbst mit „First works“ ein äusserst eigenständiges und tolles Album aufgenommen haben. Von einigen Journalisten wurden es damit zu Recht zum „Album des Monats“ gewählt. Darum war ich auch gespannt, wie die Life-Umsetzung sein würde. Und sie war durchaus ansprechend. Obwohl der Band-Keyboarder Kusi kurzfristig die Gitarre übernehmen musste und das Keyboard von einem Gastmusiker gespielt wurde, legten Felony gleich zu Beginn engagiert los. Nur waren die Soundeinstellungen noch nicht optimal, so dass die Band unter erschwerten Bedingungen auftreten musste. Dies änderte sich aber spätestens nach dem zweiten Lied. Dabei bemerkte ich aber, dass dieser leicht progressive, sehr eingängige Metal nicht unbedingt live-tauglich ist. Immerhin klatschte das Publikum und beim finalen „Say goodbye“ hätte man sogar headbangen können. Felony zeigten den nachfolgenden Bands, wie man die Zeit zu seinen Gunsten nutzt, und hätten diese nicht alle in einer noch höheren Liga gespielt, hätten sie vielleicht sogar gewonnen. Die Band hat aber Zukunfts-Chancen und ich bin gespannt, wie es mit ihr weiter geht.

Punish
Mit den Death-Metallern Punish war dann das Niveau an Bühnenpräsenz erreicht, welches mir das grosse Potenzial unserer einheimischen Szene bestätigt. Die Band, die im Moment ihr erstes richtiges Album beim Atrocity-Frontmann Alex Krull aufnimmt und sich erst kürzlich von ihrem Sänger getrennt hat, wirkte motiviert. Bassist Reto übernahm die meisten Vocals und bediente gleichzeitig in einem unglaublichen Tempo sein Instrument. Punish headbangten und steckten das Publikum an, dies nach zu machen. Obwohl ich selber mit Death Metal eher wenig anfangen kann, überzeugten sie mich auf's Neue. Für Punish selber wird der Auftritt wohl als „St. Anger-Gig“ in Erinnerung bleiben, weil die Snaredrum wie im erwähnten Metallica-Album während der gesamten 20 Minuten vor sich hin schepperte. Die Zürcher bewiesen auf eindrückliche Weise, dass sie auch ohne eigenen Sänger bestehen und überzeugen können.

Silver Dirt
Ähnliches gilt auch für die Genfer Rock'n'Roller Silver Dirt. Obwohl dem Konzert deutlich weniger Leute beiwohnten als bei Punish, präsentierten sie ihre Vision von purem Rock mit voller Energie. Songs wie „Mean machine“ zeigten, dass Bands wie Guns n'Roses und The Hellacopters auch heute noch bestehen können. Silver Dirt waren dazu passend sleazy gekleidet und der Sänger, der sich „Silver Steff“ nennt, geschminkt. Klar war ihr Gepose übertrieben, allerdings zählt dies zu dieser Musik wie das „böse in die Welt gucken“ beim Death Metal. Insgesamt nutzten die Genfer ihre 20 Minuten optimal. Wieso es schlussendlich doch nicht zum Sieg gereicht hatte, analysierte Silver Steff so: „Wir dachten uns, dass wir es neben all den „harten Bands“ schwer haben werden. Wacken ist ja doch eher ein Metal-Festival und da sind wir zu rock'n'rollig. Es hat sich für uns aber gleichwohl gelohnt, weil wir immerhin zwei CD's verkaufen konnten.“

Morbus Gravis
Zu diesen harten Bands zählten auch Morbus Gravis, deren Musik irgendwo zwischen Metalcore und Thrash-/Death Metal einzuordnen ist. Wiederum vor mehr Publikum und einigen Headbangern war erneut Vollgas angesagt. Dabei fielen vor allem der hyperaktive Bassist Gian-Andrea Costa und sein fast so aktiver Partner und Leadgitarrist Patrick Zullan auf. In der Halle war spätestens jetzt so etwas wie Konzertstimmung aufgekommen, was die Band weiter voran trieb. Waren es vorher noch Welschschweizer, so durfte das Publikum jetzt mit Ansagen mit italienischem Englisch-Akzent vorlieb nehmen.

Mabon
Wie einige im Salzhaus mir schon vor dem Auftritt von Mabon erzählten, waren es wohl sie, die am meisten Freunde und Bekannte mobilisieren konnten, ins Salzhaus zu pilgern. Und dem entsprechend wild ging es vor der Bühne zu und her. Die Ostschweizer Thrash-Metaller liessen sich dadurch noch mehr anstecken und spielten, als gäbe es kein Morgen mehr. Als optischer Hingucker stellte sich Rhythmus-Gitarristin Monika Hagmann heraus, die mit knappem Leder-BH immer wieder von der Musik ablenkte. Aber auch ohne „Bonus-Frau“ zeigten sie, dass auch hier eine Band mit guten Zukunftsaussichten am Start ist.



Nach Mabon war es an der Jury, den Sieger hinter der Bühne auszudiskutieren, was bei den gezeigten Leistungen wohl gar nicht so einfach war. Um das Publikum in der Zwischenzeit trotzdem zu unterhalten, spielten die „Metal-Battle“ Sieger des letzten Jahres auf. Gorilla Monsoon aus Deutschland lehrten mich und alle anderen, dass die vorher gezeigten Leistungen trotz ihrer hohen Qualität immer noch steigerbar sind. Mit Antilopen-Schädel am Mirkofon spielten sie ihren Thrash-/Death Metal mit ungeheurer Intensität, so dass trotz später Stunde noch einige zum wiederholten Headbangen genötigt wurden. Musikalisch erinnern Gorilla Monsoon an Entombed und legen somit in ihren mit rauer Stimme vorgetragenen Sound zwischen den Speed-Passagen immer wieder zähflüssige, doomige Teile ein. Diejenigen, welche sie noch erlebten, und das waren neben den anwesenden Bands wohl nicht mehr viele, wurden dafür tausendfach belohnt.

Nach diesem Auftritt stieg die Spannung, als die gesamte Jury zum ersten und einzigen Mal auf die Bühne kam. Wer würde wohl ans „Wacken“ gehen können? Sind es Punish, wie einige Zwischenrufe meinten? Die Tessiner Morbus Gravis oder die welschen Rock'n'Roller Silver Dirt? Aber auch Mabon hatten durchaus Chancen. Felony selber ahnten wohl, dass sie nicht gewinnen würden und ein Teil der Band frönte vor dem Salzhaus dem Alkohol-Genuss. Ohne grosse Umschweife zu machen kam dann Nick vom „Wacken Open Air“ schnell zur Sache. Die Gewinner sind Morbus Gravis und werden die Schweiz in Deutschland wohl würdig vertreten. Herzliche Gratulation!