Es ist eine
Tatsache, dass die Schweiz das Land mit den verhältnismässig meisten Open Airs und
Festivals ist. Leider findet man darunter nur ganz selten solche, die sich auf harten,
E-Gitarren-lastigen Sound spezialisieren und so blieb uns oft nur der Ausweg, ins Ausland
zu flüchten. Doch gibt es auch in diesem Fall Ausnahmen und so präsentierte die
"Benefiz Waldenburg am 19. August die "Metal-Night" als Teil des
zweitägigen "Open Air Waldenburg". Wartete man letztes Jahr mit ausschliesslich
Schweizer Rockgrössen auf (Pure Inc., Shakra & Krokus), so wurde heuer ein weitaus
bunteres Programm serviert. Death Metal in Form der einheimischen Darkmoon, groovender
Hardcore/Thrash mit Ektomorf und Fun Metal in Gestalt der unverwechselbearen Verteidigern
des Blöedsinns: J.B.O.!
Beinahe etwas grotesk präsentierte sich mir die ganze Sache: Zwischen dichten Wäldern
und Kuhweiden befand sich, einfach so, inmitten eines Waldes, eine Lichtung, auf derer
eine Bühne, ein Festzelt und mehrere Food/Nonfood-Stände standen. Zehn Minuten vor dem
Beginn des Auftrittes der ersten Band (die einheimischen Darkmoon aus Pratteln hatten die
Ehre zugeteilt bekommen, den munteren Reigen zu eröffnen) zählte das Gelände vielleicht
knapp 100 Leute, wobei ein nicht bescheidener Teil davon zur Veranstaltungs-Crew zu
zählen war.
Darkmoon
Genau um 20.00 Uhr, als die vier Recken aus dem nahe gelegenen Pratteln starten wollten,
entschied sich der dieses Jahr gar nicht wohlgesonnene Petrus, es, wie so oft in diesem
Sommer, regnen zu lassen. Das störte die Laune des Dunkelmondes aber nicht im Geringsten
und das Quartett zeigte sich spiel- und bewegungsfreudig. Dabei traten sie mit ihrem Sound
(Black/Death mit Dark Metal Elementen) bei dem überwiegend aus J.B.O.-Fans bestehenden
Publikum nicht gerade offene Türen sein, schafften es jedoch gleichwohl, die Mehrheit der
Zuschauer auf ihre Seite zu ziehen und vor der Bühne einen ersten Moshpit anzustacheln.
Vor allem Fronthühne Matthias Borer sammelte fleissig Sympathiepunkte mit seinen gut
platzierten Ansagen und den charmanten Hinweisen auf den sich neben der Bühne befindenden
Merchandise-Stand (der, wie der Grossteil der Festival-Infrastruktur, ziemlich
improvisiert wirkte). Doch auch der Rest der Band glänzte auf der Bühne, vor allem durch
die markante Präzision, mit derer sie ihren technisch doch nicht ganz anspruchslosen
Death Metal runter zockten. Natürlich wurde zwischen den Songs auch nicht versäumt,
reichlich Werbung für das im September erschienene Debüt-Album "Of bitterness and
hate" zu machen, das bei CCP-Records erschienen ist.
Ektomorf
Wenn ein Veranstalter Ektomorf bucht, kann er sich einer bangenden, springenden und super
gelaunten Meute vor der Bühne sicher sein, denn die Ungaren sind mit Sicherheit eine der momentan besten Live-Nummern im Metal-Zirkus. So brachten die Gebrüder Farkas
Zoltan (v/g) und Csaba (b) auch an diesem Abend den Mob zum Kochen und das Gelände
füllte sich bei schon nächtlichen Verhältnissen auf etwa 400 Leute an. Sowohl am Boden,
als auch auf der Bühne wurde zu Zoltan's "Jump"-Growls gesprungen und gehüpft,
was das Zeug hielt und Live-Granaten wie "Gipsy", "Burn" oder
"Show your fists", zu welchen natürlich hunderte von Fäusten in die Höhe
schossen, wurden allesamt abgefeiert, trotz des garstigen Wetters, das die mit
Holzspähnen bestreute Lichtung in ein kleines Moor verwandelte. Dies quittierte man
jedoch umgehend mit unzähligen Mittelfingern, die während "Fuck you all" den
Himmel beleidigten. Den Höhepunkt stellte natürlich "I know them" dar, das
lauthals mitgegröhlt wurde und einen energiegeladenen Gig beendete, der nicht nur beim
Publikum Eindruck hinterliess, sondern auch der Band imponierte, grinste diese doch im
Kollektiv übers ganze Gesicht und bekundete immer wieder, wie geil doch die Schweizer
seien.
J.B.O.
Es würde schwer werden, dieses Musterbeispiel von einem Live-Auftritt heute noch zu
übertreffen, doch wer J.B.O. kennt, weiss, dass sie eine Liga für sich sind und es immer
wieder zustande bringen, alle Erwartungen zu übertreffen. Doch zuerst wurde es erstmal
wie gewohnt. Wie erwartet (ich sah die Rosa Armee Fraktion dieses Jahr schon im Alpen-Rock
und am Earthshaker Open Air) starteten die in rosa Tarnanzüge gehüllte Band ihre Show
mit "Verteidiger des Blöedsinns". Das Publikum sprang gleich an und kletterte
in der Stimmungsskala gleich auf den Höchststand. "United States of Blöedsinn"
und "Bolle" fuhren dieses Hoch fort, bevor das gewohnte Medley aus Gassenhauer-
und Schlagermelodien folgte, das in ein beeindruckendes Gitarrensolo-Duell zwischen Vito und Hannes ausartete, das unter dem Motto "wer kann mehr
Metalklassiker?" das Publikum belustigte. Die Band genoss ihren Headliner-Status
sichtlich, um dann die altbekannte Hommage an Rammstein (inklusive Feuerspucken!)
("Ein bisschen Frieden") runter zu brettern, bevor es mit dem Hoffnarr wieder
ein bisschen ruhiger, jedoch nicht weniger lustig wurde. Mit "Liebe ist süss"
bekam das nun schon auf etwa 550 Leute angewachsene Publikum ein eher selten gespieltes
Lied zu hören. Wer hätte gedacht, dass es möglich ist, eine Meute Metalfans dazu zu
bringen, "Lebt denn der alte Vito noch?" zu intonieren. J.B.O. besassen dabei
keinerlei Probleme, das Publikum frass ihnen aus der Hand und vergass die nun auftretende
Kälte vollends. Neue Stücke wie "Kickers of ass" und das
"Glaubensbekenntnis" (natürlich mit Priester Vito) wurden ebenso frenetisch
bejubelt, wie Songs älteren Jahrgangs, seien das "Wir ham 'ne Party" oder das
unplugged vorgetragene "Ein guter Tag zum Sterben", und beim Klassiker
"Arschloch und Spass dabei" blieb keine Kehle stumm. Unfreiwillig zum Lacher
wurde auch Bassist Ralph Bach, der zeitweise sogar vergass, weswegen er überhaupt auf der
Bühne stand und seinen Bass während "Gänseblümchen" nutzlos an der Seite
baumeln liess..., Unterhaltung pur! Als dann Hannes mit Sprechchören bejubelt wurde,
dachte er, selbstlos wie er zu sein scheint, an den Rest der Band und wurde kurzerhand zum
Dirigent des "VitoWolframRalph"-Chors, der mehrere Minuten lang anhielt und den
Schluss des regulären Sets bestritt. "Ein Fest" war dann wohl das passendste
Lied, das man jetzt bringen konnte und so feierten Publikum wie Band eine riesengrosse
Party, bevor "J.B.O." den Abschluss machten. Dabei liess die Band das wegen
Platzmangel nicht verwendete Logo aufblasen, was dazu führte, dass Drummer Wolfram nur
noch hinter dem "O" gesichtet werden konnte und der Rest der Band vielleicht
noch je einen Quadratmeter Platz zum Spielen besass. Zwar kannte das Gros der Zuschauer
den nur auf "Explizite Lyrik" zu findenden Song nicht wirklich, doch die Band
störte dies aber herzlich wenig und zog die Nummer trotzdem im die Länge, was am Ende zu
1 Stunde und circa 35 Minuten Spielzeit führte.
Geschafft von diesem Auftritt, entschied sich meine Mitfahrgelegenheit zur Heimreise, was
dazu führte, dass ich die angesehene AC/DC-Coverband Live Wire leider nicht mehr abfeiern
durfte. Nach diesem Abend ist klar, dass man sich das "Open Air Waldenburg"
nächstes Jahr fest in den privaten Festivalkalender einplanen muss. Klar, was
Infrastruktur und Grösse anbelangt, kann man es nicht mit den Grossen der Schweiz
vergleichen, was jedoch das Billing und die Atmosphäre anbelangt, stellt das nun zum
vierten Mal stattgefundene Konzert die Mehrheit der Massenfestivals hingegen in den
Schatten!
Set-Liste J.B.O.: "Verteidiger des Blöedsinns", "United States of
Blöedsinn", "Bolle", "Schlager-Medley", "Ein bisschen
Frieden", "Hofnarr", "Liebe ist süss", "Lebt denn der alte
Vito noch?", "Kickers of ass", "Glaubensbekenntnis", "Wir
ham 'ne Party", "Arschloch und Spass dabei", "Ich will Lärm",
"Gänseblümchen", "Ein guter Tag zum Sterben", "Ein Fest",
"J.B.O".
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