Livereview: Waltari - Borderline

06. Oktober 2015, Pratteln – Mini-Z7
Text & Pics by Oliver H.
Dass ich meine Helden der Jugend erstmals live und im Kleinen (Mini-Z7) sehen darf, sorgte doch für ordentlichen Nervenkitzel im Vorfeld. Seit ihrem zweiten Album „Torcha!“ von 1992, sind die Experimental-Rocker von Waltari nämlich nicht mehr von den Bühnen dieser Welt wegzudenken. Die Vielfalt der musikalischen Elemente verpasst Waltari einen einzigartigen Sound, genau wie die unverkennbare Stimme des Mitbegründers, Sängers und Bassisten Kärtsy Hatakka. Die Texte der meist von ihm geschriebenen Lieder drehen sich oft um die Brutalität und Schnelligkeit der modernen Welt, häufig gespickt mit deftiger Ironie. Die Band feiert nächstes Jahr ihr 30-jähriges Bestehen, was in diesem Business doch schon einen ziemlich langen Atem braucht. Waltari haben mit fünfzehn Albumveröffentlichungen einen vollen Rucksack, der live sicherlich ein Garant für viel Abwechslung darstellt. Ihr neustes Werk „You Are Waltari“, das gerade ein halbes Jahr auf dem Markt ist, wird neben den alten Hits sicherlich auch für ein spektakuläres Live-Erlebnis sorgen. Sie sind bekannt dafür, die Setliste Abend für Abend ein wenig umzustellen, damit es auch den Musikern, die seit Jahren in kaum veränderter Bandkonstellation auftreten, auf Dauer nicht langweilig wird. Damit die Finnen aber keinen Kaltstart hinlegen mussten, stand mit Borderline eine Westschweizer Rockband im Vorprogramm.

Borderline

Fürs Warm-Up des Abends waren die Schweizer Borderline zuständig. Eine Alternative Rock Band, die erst 2013 gegründet wurde. Das Quartett besteht aus einem Drummer, einem Gitarristen, einem Bassisten und einer Sängerin. Drei komplett verschiedene Musikwelten (Funk, Blues und Rock) treffen bei Borderline aufeinander und werden zu einem Stil vereint. Im Gepäck, ihr Debütalbum, das seit April 2015 im Handel ist. Rockig und mit viel Power legten sie schliesslich um 20:30 Uhr los. Die eher ältere Zuschauerschar bewegte sich aber artig nach vorne, um ihren Support zu bieten. Der Raum fasste zu dem Zeitpunkt an die fünfzig bis sechzig Personen. Die Band um Frontfrau Ornella Bigler schien sich im Rahmen der „Wohnzimmeratmosphäre“ wohl zu fühlen und spielte mit viel Elan und Charisma auf. Ab und zu verliess die Sängerin die Bühne und machte den Jungs Platz, währendem die ein powergeladenes Instrumental aus den Boxen schmettern liessen. Mit „Brazen (Weep)“ und „White Rabbit“ hatten sie zwei gelungene Coversongs von Skunk Anansie und Jefferson Airplane im Köcher. Ersterer sorgte bei der Liveperformance für gehörig Gänsehaut. Die klare Stimme von Ornella Bigler passte zum Track wie die Faust aufs Auge. Auch sonst lieferte der Vierer einen soliden Auftritt ab. Man konnte merklich spüren, dass sie im Rahmen ihrer Mini-Tour (15 Gigs) wichtige Erfahrungen sammeln konnten. Als beim letzten Song „War Child“ kurzzeitig noch das Mikrofon ausfiel, wurde der Zwischenfall charmant weggelächelt. Sichtlich gut gelaunt verliessen Borderline nach einer halben Stunde wieder die Bühne und unter gedämpftem Saallicht konnte für den Hauptact umgebaut werden. Später beim Merch hatte ich noch die Gelegenheit mit den Musikern der Band zu sprechen und sie verrieten mir, dass der Auftritt im Z7 übrigens der „Grösste“ der Tour sei und für Waltari eröffnen zu können, sei eine grosse Ehre, so die Sängerin.

Setliste: «Welkome» - «Whispers» - «Brightness» - «Infinity» - «Brazen (Weep)» - «Save Me» - «Countdown/Illusions» - «White Rabbit» - «Borderline» - «War Child».


Waltari
Es war nahezu viertel vor zehn als die Musik verstummte und das Saallicht ausging. Unter stampfenden Techno-Bässen betraten Waltari in abgespeckter Formation (fünf statt sieben) die kleine Bühne des Z7. Die finnischen Freigeist-Metaller unter Mastermind Kärtsy Hatakka haben seit Kurzem ihr neues Album „You Are Waltari“ auf dem Markt. Mit ihrem völlig verrückten Crossover-Material, sei dies ein Spektakel mit klassischem Orchester oder Einflüsse aus Radiodisco und allen Schattierungen von Progressive-Metal, nehmen sie die Hörer geradezu auf einen musikalischen Höllenritt mit. „Welcome to a night with no limits“! So die Begrüssung Hatakkas zu den Zuschauern, deren Zahl doch noch auf etwa hundert angestiegen war. Die ersten beiden Songs, zum Warmwerden, waren vom neuen Album und nur den ganz Aufmerksamen im Publikum bekannt. Unter Applaus wurden im Anschluss auch schon die ersten Rufe laut, die „Atmosfear“ forderten. Einmal vom Klangkosmos von Waltari gepackt, gab es kein Entkommen mehr. Es wurde frei getanzt und gehüpft oder in alter Metalmanier die Mähne geschüttelt. Gerade beim Death Metal Song „Deeper Into The Mud“ ging die Post vollends ab. Es war so perfekt arrangiert, dass es jeden umhaute, der an diesem Abend vor Ort war. Heftigstes Gitarrengewitter von Kimmo Korhonen und Nino Silvennoinen, gepaart mit wildem Konserven-Orchester. Eine zumindest auf der Bühne schweisstreibende Angelegenheit. Das Kontrastprogramm hätte kaum grösser sein können, denn im Anschluss stand mit „The Stage“ Sprechgesang im Zentrum. Wären nicht Waltari auf der Bühne gestanden, hätte es vermutlich faules Gemüse geregnet. Auch mit den weiteren Songs wussten die Finnen zu überzeugen und zu begeistern. Zum Festhüttengaudi wurde das Konzert aber schliesslich beim Song „Maailma“. Ein folkiger Track, der von Ukulele, klassischer Gitarre und Schellenring begleitet wurde. Eine sichtlich spassig aufgelegte Band war hier mit echter Freude am Werk. Als Zuschauer konnte man sich einfach gehen lassen ohne blöd angeschaut zu werden, denn schliesslich waren alle Anwesenden von Waltari infiziert. Der Abend neigte sich langsam seinem Ende entgegen und Hits wie „Atmosfear“ oder „No Limit“ (Mix von 2Unlimited und Megadeth) festigten Waltari‘s Ruf als unkonventionelle, experimentierfreudige und innovative Musiker. Ihre Live-Performance hat auch klar gezeigt, dass man das Metalgenre auch anders beleuchten kann, ohne dabei an Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wer die Musiker in ihrem Element erlebt hat, weiss genau wovon ich spreche. Mit dem Abgang von der Bühne war der Abend aber noch nicht gelaufen. Die Gruppe versammelte sich anschliessend geschlossen am Merchandising Stand, signierte T-Shirts, gab Autogramme, stellte sich für unzählige Fotos zur Verfügung oder war einfach bereit, ein wenig mit den noch Verbliebenen zu plaudern. Ihr musikalisches Können und die lockere Art, Kontakt mit dem Publikum zu pflegen, war für mich persönlich ein Highlight und mir wurde wieder bewusst, warum ich diese Band mit fünfzehn Jahren dermassen vergöttert habe. Die Combo aus dem hohen Norden hatte eindrucksvoll bewiesen, was sie live drauf hat und ja verdammt… ich habe Waltari gesehen. Eine bunte sympathische Truppe mit viel Spielwitz, vielleicht auch ein bisschen verrückt oder wie Obelix es ausdrücken würde: „Die spinnen, die Finnen“.

Setliste: «12» - «Singular» - «In The Cradle» - «Deeper Into The Mud» - «The Stage» - «Only The Truth» - «Solutions» - «Drag» - «Maailma» - «Far Away» - «Diggin The Alien» - «Atmosfear» - «One Day» - «No Limit».