Die aktuelle Langrille von W.A.S.P. kam im Herbst 2009 heraus und
seither sind Blackie Lawless und seine Jungs fleissig unterwegs
gewesen. Letztes Jahr waren gar zwei Schweizer Konzerte (in Luzern
und Zürich) und heuer wurde das Zürcher Volkshaus wieder einmal
heimgesucht. An diesem Ort also, wo W.A.S.P. in früheren Jahren ein
paar Mal auf der Bühne gestanden waren. Unvergesslich dabei ist
natürlich der legendäre Auftritt anlässlich der «Headless
Children»-Tour von 1989. Damals gehörten Chris Holmes (g), Johnny
Rod (b) und Frankie Banali (d) zum Lineup. Davon ist nach diversen
Besetzungswechseln bloss noch der Chef-Indianer Black Lawless übrig
geblieben. Nur Bassist Mike Duda gehört seit 1996 fest zum Lineup.
Gitarrist Doug Blair war mit Unterbrüchen Bandmitglied und ist
zusammen mit Drummer Mike Dupke seit 2006 Weggefährte von Herrn
Gesetzlos. Während beim letzten Konzert im Dynamo keine
CH-Support-Band von wegen "pay to play" zugegen war, sind auf dieser
Tour mit Raintime aus Italien und Shadowside aus Brasilien gar zwei
Combos gebucht worden. (rsl)
Shadowside
Die südamerikanischen Heavy Metaller mit ihrer scharfen Frontkatze
Dani Nolden (die heisst wirklich so!) brachten 2001 ihre erste EP
heraus. Mit dem Debüt-Album «Theatre Of Shadows» (2005) erzielte man
zumindest in der Heimat einen Achtungerfolg, der darin mündete, dass
Shadowside sogleich für bekannte Bands wie Nightwish, Primal Fear,
Shaman und Helloween eröffnen durften. In unseren Breitengraden nahm
jedoch kaum jemand Notiz davon, denn die Dichte an Bands mit
ähnlicher Stilrichtung ist selbst im Bereich "female fronted"
mittlerweile sehr gross. Möglicherweise war der heutige Auftritt der
Erste in der Schweiz überhaupt. Mit dabei hatten sie ihre
letztjährige CD «Dare To Dream», die von der Machart her etwas an
die Amis von Benedictum (mit Veronica Freeman) erinnert und (mehr
noch) an die norwegischen Power Metaller Triosphere (mit Ida
Haukland). Die Mucke hört sich auf dem Tonträger soweit ganz
ordentlich, wenn auch nicht gerade bahnbrechend an. Leider wurde die
Auftrittszeit ein wenig nach vorne verschoben und darum sah ich von
den möglichen 25 bis 30 Minuten nur noch die letzten paar
Schluss-Akkorde. Das Ganze muss dann eher durchschnittlich gewesen
sein, denn von den anwesenden Leuten verlor danach niemand auch nur
ein Wort zur ersten Band des Abends. Das kümmerte die junge Combo
freilich wenig bis gar nicht, da man sich sogleich unter die Leute
mischte und auf die Angebote am Merchstand aufmerksam machte. So
gesehen wird da noch um jeden einzelnen Fan gebuhlt, was auf jeden
Fall die richtige Einstellung ist, wenn man weiter nach oben will! (rsl)
Raintime
Die Power Melo-Deather aus Italien waren mir zuvor nicht bekannt.
Das hätte aber auch anders kommen können, denn laut der Recherche
sollten Raintime bereits 2005 und zusammen mit Secret Sphere als
Support-Acts von Royal Hunt bei uns in Europa unterwegs sein. Weil
das Label "Arise" damals jedoch konkurs ging, fiel deren Tour (also
die von Raintime) gleich komplett ins Wasser. Royal Hunt spielten
dennoch noch irgendwie ein paar wenige Konzerte (unter anderem in
Uster im Rock City!), mussten die Tour dann aber auch wegen
unbezahlter Rechnungen, unter anderem für die Busse, abbrechen.
Heute Abend konnten die Italiener jedoch ohne Einschränkungen
aufspielen und wiederum stand eine Band vor der heiklen
Herausforderung, den recht guten Eindruck der Studiowerke auf die
Bühne zu bringen. Was zu Beginn dann leider schon mal negativ
auffiel, war die Vakanz des Keyboarders, der laut Lineup eigentlich
dabei hätte sein sollen. So kamen sämtliche Tasten-Sounds zu 100% ab
Band. Dafür hinterliessen die beiden Gitarristen Matteo di Bon und
Luca Michael Martina einen ziemlich überzeugenden Eindruck. Bassist
Michele Colussi lieferte derweil zusammen mit Drummer und Partner
Enrico Fabris ein solides Rhythmus-Gerüst dazu ab, fiel aber von der
Optik gegenüber den anderen ziemlich ab. Die Spannweite von
melodischem Death Metal bis hin zu
klar progressiven Gefilden sorgte
für die ebenfalls nur etwa 30 Minuten Auftrittszeit für etwas
Verwirrung denn Klarheit zu den echten Stärken von Raintime. Doch
wirklich enttäuschend, zumindest heute Abend in Zürich, war die
fehlende (oder nicht vorhandene) Form von Sänger Claudio Coassin,
der vor allem bei hohen Passagen sichtlich überfordert war. Dass man
dann permanent noch eine Zweitstimme hörte, liess den Verdacht
aufkommen, dass da noch mehr eingespilet wurde. Das hinterliess so
natürlich nicht den Eindruck, der hätte sein sollen. Geradezu
fahrlässig (bei so geringer Spielzeit!) wenn nicht tödlich war dann
die auch auf dem Album «Flies & Lies» (2007) gecoverte Version vom
Michael Jackson Classic «Beat It». Selbst wenn die kultige
Dance-Nummer auf diese Art gespielt ziemlichen Wumms aufweist, darf
man sowas als Support einfach nicht bringen. Wenigstens war mit «Buried
In You» einer wenn nicht der beste Song vom neuen Album mit dabei,
der seine Wirkung bei mir während des Fotographierens leider nicht
annähernd erzielen konnte, wie jetzt im Nachhinein als Tonkonserve.
Darum sei an dieser Stelle allen Dabeigewesenen und nun vielleicht
allgemein Neugierigen echt empfohlen, sich das aktuelle Album «Psychromatic»
und auch den Vorgänger «Flies & Lies» eingehend anzuhören!
Zusammenfassend betrachtet haben sich Raintime heute Abend weit
unter ihrem Wert verkauft und sowas kommt halt immer wieder vor. (rsl)
Setliste: «Fire Ants» - «Buried In You» - «Beaten Roads» - «Fake
Idols» - «Rolling Chances» - «I Want To Remember» - «One Day» -
«Beat It» - «Matrioska».
W.A.S.P.
Ein simpler Bühnenaufbau präsentierte sich dann den Zuschauern.
Ausser drei Videoleinwänden, drei Mikrofonständern und dem
Schlagzeug sah man nichts auf der Bühne. Was sehr spartanisch
wirkte, war im Endeffekt eines der intensivsten, wenn nicht sogar
das intensivste Konzert, das ich jemals von Blackie Lawless und
seiner Mannschaft sah. «On Your Knees» war der Eröffnungstrack und
von den ersten Klängen an glühten die Leinwände mit
unterschiedlichen Projektionen. Es wurde bei den jeweiligen Tracks
das gleiche Material gezeigt, allerdings auf den bebilderten Wänden
in unterschiedlichen Sequenzen, was das Hingucken schon mal zu einer
kleinen Herausforderung machte. Schon beim Film zum Opener flitzten
die Augen von Leinwand zu Leinwand, da man nichts verpassen wollte,
und man sah sich sofort in die 80er Jahre zurück katapultiert.
Damals, als Mister Gesetzlos und seine Jungs noch mit Blut und
nackten Tatsachen schockten. Der Sound war von der ersten Sekunde an
fett und untermauerte die grandiose Leistung des Quartetts. Blackie
dirigierte sein Publikum nach Belieben. Mit seinem Charisma ist er
einer der letzten grossen Entertainer, die eigentlich nur auf der
Bühne stehen müssen, um alle Anwesenden in ein schreiendes Meer zu
verwandeln. Er hat diesen dich fixierenden Blick, der dich magisch
anzieht und nicht mehr loslässt. UND! Er hat diese unglaubliche
Stimme, die wütend, aber auch verletzlich klingen kann. Es wurde
schon viel über die Shows von W.A.S.P. geschrieben und wie gross die
eingesetzten technischen Hilfsmittel sein sollen. Ehrlich gesagt war
es mir ziemlich egal, denn würden alle Truppen auf der Bühne die
«Hosen runterlassen», es wäre erschreckend, wer alles «nicht live
spielt». Wie gross dieser Umstand nun bei Blackie der Fall war… -
Nach meinem Dafürhalten sehr gering. Und wäre es mehr gewesen,
alleine die Tatsache, dass dieses Konzert ein Hammer war, überwiegt
alles andere. Mit «The Real Me» und dem entsprechenden Videoclip
ging es weiter. Während sich der singende Gitarrist bewegungsfreudig
durch den Song spielte, blitzten die kleinen Sägeblätter an seinen
beiden Armen im grellen Licht auf. Ein Requisit aus alten Tagen...,
eines, das überlebte. Ansonsten stand klar die Musik im Vordergrund.
«Zurich, are you ready for my L.O.V.E. Machine?» Und wie Zürich
bereit war! Auch wenn der Zuschauerzuspruch eher gering ausfiel,
diejenigen Fans welche anwesend waren, feierten die Amerikaner ab.
Mit dem Doppelschlag «Crazy» und «Live To Die Another Day» vom
letzten Output «Babylon» bewies der lange Hüne, dass er noch immer
sehr gute neue Songs schreiben kann. Speziell «Crazy» offenbarte
grosses Hitpotenzial und anhand der Reaktionen des Publikums haben
wir es hier mit einem kommenden Live-Hit zu tun. Über die
Begleitband von Blackie noch gross was zu sagen, käme dem
Wasser-ins-Meer-tragen gleich. Bassist Mike Duda ist seit Jahren ein
fester Bestandteil und glänzt nicht nur mit seinem tollen Gesang,
sondern erneut mit seiner bewegungsfreudigen Bühnenpräsenz.
Schlagzeuger Mike Dupke erwies sich als Sohn des berühmten Tiers aus
der Muppet Show. Der Typ drosch wie ein Berserker auf sein
Instrument ein und kickte seine Vorderleute immer wieder in den
Allerwertesten. Nach typisch 80er-Jahre-Muster stand Blackie beim
Singen in der Mitte der Bühne, während Mike und Gitarrist Doug Blair
immer wieder ihre Plätze tauschten. Spielte Doug seine Soli,
flankierten ihn Mike und Blackie. Mister Blair entpuppte sich einmal
mehr als fantastischer Gitarrist. Keiner seiner Vorgänger hatte sein
Werkzeug mit einem Kreissägeblatt versehen oder einer blutroten
Beleuchtung und spielte dermassen kraft- und gefühlvoll. Nimmt man
wiedermal «The Idol» als Massstab an virtuosem, packendem und unter
die Haut gehendem Solo, gibt es kaum einen Arbeitskollegen, der ihm
für genau diesen Song das Wasser reichen kann. Auch für die
Frauenwelt hatte Doug viel zu bieten, spielte er doch den Grossteil
des Konzertes oben ohne, was bei einzelnen Schönheiten dazu führte,
dass ihnen fast der Becher aus der Hand fiel. Tja, der Anteil an
Grazien war sehr hoch...
Nach «I Wanna Be Somebody», einem der grössten Hits von W.A.S.P.,
verschwand die Combo kurz, um dann mit dem bekannten
Kettensägen-Heulen den Zugabeblock zu starten. Noch einmal durften
alle, mit der Einspielung des bekannten Clips, teilhaben am
Schicksal des gestürzten Helden der Story. Genau diese Einspielungen
manifestierten immer wieder, was der Glanz der alten Zeit war.
Nämlich, dass die Musikwelt vor zwei Jahrzehnten noch provozieren
konnte und ein rebellisches Flair versprühte. Man denke dabei nur an
die Videos zu «L.O.V.E. Machine», «Wild Child», «I Wanna Be Somebody»,
oder «Blind In Texas». Dieses "gestreckte Mittelfinger"-Flair
verwandelte sich im Clip zu «Heaven's Hung Black» zu einem
tragischen Kontrast. Hier wurden viele Bilder aus vergangenen
Kriegen projiziert. Der Song selber gehört mit seinem Aufbau zu den
ganz grossen Sternstunden der Band. Als krönender Abschluss
versetzte «Blind In Texas» allen nochmals einen gehörigen
Arschtritt. Auch wenn die Spielzeit einmal mehr unter 80 Minuten lag
und der Meister kaum mit dem Publikum kommunizierte, dieses Konzert
gehört zu den Sternstunden der harten Musik. Blackie und seine
Gefolgschaft haben auf eindrückliche Art und Weise bewiesen, wie man
tolle Musik spielt und diese mit eigentlich wenigen Hilfsmitteln zu
einem unvergesslichen Erlebnis macht. (tin)
Setliste: «On Your Knees» - «The Real Me» - «L.O.V.E. Machine» «Crazy»
«Live To Die Another Day» «Wild Child» - «The Idol» «I Wanna Be
Somebody» «Chainsaw Charlie» -- «Heaven's Hung In Black» «Blind In
Texas».
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