Livereview: W.A.S.P. - Raintime - Shadowside
15. November 2010, Zürich - Volkshaus
By Tinu (tin) & Rockslave (rsl) - All Pics by Rockslave

Die aktuelle Langrille von W.A.S.P. kam im Herbst 2009 heraus und seither sind Blackie Lawless und seine Jungs fleissig unterwegs gewesen. Letztes Jahr waren gar zwei Schweizer Konzerte (in Luzern und Zürich) und heuer wurde das Zürcher Volkshaus wieder einmal heimgesucht. An diesem Ort also, wo W.A.S.P. in früheren Jahren ein paar Mal auf der Bühne gestanden waren. Unvergesslich dabei ist natürlich der legendäre Auftritt anlässlich der «Headless Children»-Tour von 1989. Damals gehörten Chris Holmes (g), Johnny Rod (b) und Frankie Banali (d) zum Lineup. Davon ist nach diversen Besetzungswechseln bloss noch der Chef-Indianer Black Lawless übrig geblieben. Nur Bassist Mike Duda gehört seit 1996 fest zum Lineup. Gitarrist Doug Blair war mit Unterbrüchen Bandmitglied und ist zusammen mit Drummer Mike Dupke seit 2006 Weggefährte von Herrn Gesetzlos. Während beim letzten Konzert im Dynamo keine CH-Support-Band von wegen "pay to play" zugegen war, sind auf dieser Tour mit Raintime aus Italien und Shadowside aus Brasilien gar zwei Combos gebucht worden. (rsl)

Shadowside

Die südamerikanischen Heavy Metaller mit ihrer scharfen Frontkatze Dani Nolden (die heisst wirklich so!) brachten 2001 ihre erste EP heraus. Mit dem Debüt-Album «Theatre Of Shadows» (2005) erzielte man zumindest in der Heimat einen Achtungerfolg, der darin mündete, dass Shadowside sogleich für bekannte Bands wie Nightwish, Primal Fear, Shaman und Helloween eröffnen durften. In unseren Breitengraden nahm jedoch kaum jemand Notiz davon, denn die Dichte an Bands mit ähnlicher Stilrichtung ist selbst im Bereich "female fronted" mittlerweile sehr gross. Möglicherweise war der heutige Auftritt der Erste in der Schweiz überhaupt. Mit dabei hatten sie ihre letztjährige CD «Dare To Dream», die von der Machart her etwas an die Amis von Benedictum (mit Veronica Freeman) erinnert und (mehr noch) an die norwegischen Power Metaller Triosphere (mit Ida Haukland). Die Mucke hört sich auf dem Tonträger soweit ganz ordentlich, wenn auch nicht gerade bahnbrechend an. Leider wurde die Auftrittszeit ein wenig nach vorne verschoben und darum sah ich von den möglichen 25 bis 30 Minuten nur noch die letzten paar Schluss-Akkorde. Das Ganze muss dann eher durchschnittlich gewesen sein, denn von den anwesenden Leuten verlor danach niemand auch nur ein Wort zur ersten Band des Abends. Das kümmerte die junge Combo freilich wenig bis gar nicht, da man sich sogleich unter die Leute mischte und auf die Angebote am Merchstand aufmerksam machte. So gesehen wird da noch um jeden einzelnen Fan gebuhlt, was auf jeden Fall die richtige Einstellung ist, wenn man weiter nach oben will! (rsl)

Raintime
Die Power Melo-Deather aus Italien waren mir zuvor nicht bekannt. Das hätte aber auch anders kommen können, denn laut der Recherche sollten Raintime bereits 2005 und zusammen mit Secret Sphere als Support-Acts von Royal Hunt bei uns in Europa unterwegs sein. Weil das Label "Arise" damals jedoch konkurs ging, fiel deren Tour (also die von Raintime) gleich komplett ins Wasser. Royal Hunt spielten dennoch noch irgendwie ein paar wenige Konzerte (unter anderem in Uster im Rock City!), mussten die Tour dann aber auch wegen unbezahlter Rechnungen, unter anderem für die Busse, abbrechen. Heute Abend konnten die Italiener jedoch ohne Einschränkungen aufspielen und wiederum stand eine Band vor der heiklen Herausforderung, den recht guten Eindruck der Studiowerke auf die Bühne zu bringen. Was zu Beginn dann leider schon mal negativ auffiel, war die Vakanz des Keyboarders, der laut Lineup eigentlich dabei hätte sein sollen. So kamen sämtliche Tasten-Sounds zu 100% ab Band. Dafür hinterliessen die beiden Gitarristen Matteo di Bon und Luca Michael Martina einen ziemlich überzeugenden Eindruck. Bassist Michele Colussi lieferte derweil zusammen mit Drummer und Partner Enrico Fabris ein solides Rhythmus-Gerüst dazu ab, fiel aber von der Optik gegenüber den anderen ziemlich ab. Die Spannweite von melodischem Death Metal bis hin zu klar progressiven Gefilden sorgte für die ebenfalls nur etwa 30 Minuten Auftrittszeit für etwas Verwirrung denn Klarheit zu den echten Stärken von Raintime. Doch wirklich enttäuschend, zumindest heute Abend in Zürich, war die fehlende (oder nicht vorhandene) Form von Sänger Claudio Coassin, der vor allem bei hohen Passagen sichtlich überfordert war. Dass man dann permanent noch eine Zweitstimme hörte, liess den Verdacht aufkommen, dass da noch mehr eingespilet wurde. Das hinterliess so natürlich nicht den Eindruck, der hätte sein sollen. Geradezu fahrlässig (bei so geringer Spielzeit!) wenn nicht tödlich war dann die auch auf dem Album «Flies & Lies» (2007) gecoverte Version vom Michael Jackson Classic «Beat It». Selbst wenn die kultige Dance-Nummer auf diese Art gespielt ziemlichen Wumms aufweist, darf man sowas als Support einfach nicht bringen. Wenigstens war mit «Buried In You» einer wenn nicht der beste Song vom neuen Album mit dabei, der seine Wirkung bei mir während des Fotographierens leider nicht annähernd erzielen konnte, wie jetzt im Nachhinein als Tonkonserve. Darum sei an dieser Stelle allen Dabeigewesenen und nun vielleicht allgemein Neugierigen echt empfohlen, sich das aktuelle Album «Psychromatic» und auch den Vorgänger «Flies & Lies» eingehend anzuhören! Zusammenfassend betrachtet haben sich Raintime heute Abend weit unter ihrem Wert verkauft und sowas kommt halt immer wieder vor. (rsl)


Setliste: «Fire Ants» - «Buried In You» - «Beaten Roads» - «Fake Idols» - «Rolling Chances» - «I Want To Remember» - «One Day» - «Beat It» - «Matrioska».

W.A.S.P.
Ein simpler Bühnenaufbau präsentierte sich dann den Zuschauern. Ausser drei Videoleinwänden, drei Mikrofonständern und dem Schlagzeug sah man nichts auf der Bühne. Was sehr spartanisch wirkte, war im Endeffekt eines der intensivsten, wenn nicht sogar das intensivste Konzert, das ich jemals von Blackie Lawless und seiner Mannschaft sah. «On Your Knees» war der Eröffnungstrack und von den ersten Klängen an glühten die Leinwände mit unterschiedlichen Projektionen. Es wurde bei den jeweiligen Tracks das gleiche Material gezeigt, allerdings auf den bebilderten Wänden in unterschiedlichen Sequenzen, was das Hingucken schon mal zu einer kleinen Herausforderung machte. Schon beim Film zum Opener flitzten die Augen von Leinwand zu Leinwand, da man nichts verpassen wollte, und man sah sich sofort in die 80er Jahre zurück katapultiert. Damals, als Mister Gesetzlos und seine Jungs noch mit Blut und nackten Tatsachen schockten. Der Sound war von der ersten Sekunde an fett und untermauerte die grandiose Leistung des Quartetts. Blackie dirigierte sein Publikum nach Belieben. Mit seinem Charisma ist er einer der letzten grossen Entertainer, die eigentlich nur auf der Bühne stehen müssen, um alle Anwesenden in ein schreiendes Meer zu verwandeln. Er hat diesen dich fixierenden Blick, der dich magisch anzieht und nicht mehr loslässt. UND! Er hat diese unglaubliche Stimme, die wütend, aber auch verletzlich klingen kann. Es wurde schon viel über die Shows von W.A.S.P. geschrieben und wie gross die eingesetzten technischen Hilfsmittel sein sollen. Ehrlich gesagt war es mir ziemlich egal, denn würden alle Truppen auf der Bühne die «Hosen runterlassen», es wäre erschreckend, wer alles «nicht live spielt». Wie gross dieser Umstand nun bei Blackie der Fall war… - Nach meinem Dafürhalten sehr gering. Und wäre es mehr gewesen, alleine die Tatsache, dass dieses Konzert ein Hammer war, überwiegt alles andere. Mit «The Real Me» und dem entsprechenden Videoclip ging es weiter. Während sich der singende Gitarrist bewegungsfreudig durch den Song spielte, blitzten die kleinen Sägeblätter an seinen beiden Armen im grellen Licht auf. Ein Requisit aus alten Tagen..., eines, das überlebte. Ansonsten stand klar die Musik im Vordergrund.

«Zurich, are you ready for my L.O.V.E. Machine?» Und wie Zürich bereit war! Auch wenn der Zuschauerzuspruch eher gering ausfiel, diejenigen Fans welche anwesend waren, feierten die Amerikaner ab. Mit dem Doppelschlag «Crazy» und «Live To Die Another Day» vom letzten Output «Babylon» bewies der lange Hüne, dass er noch immer sehr gute neue Songs schreiben kann. Speziell «Crazy» offenbarte grosses Hitpotenzial und anhand der Reaktionen des Publikums haben wir es hier mit einem kommenden Live-Hit zu tun. Über die Begleitband von Blackie noch gross was zu sagen, käme dem Wasser-ins-Meer-tragen gleich. Bassist Mike Duda ist seit Jahren ein fester Bestandteil und glänzt nicht nur mit seinem tollen Gesang, sondern erneut mit seiner bewegungsfreudigen Bühnenpräsenz. Schlagzeuger Mike Dupke erwies sich als Sohn des berühmten Tiers aus der Muppet Show. Der Typ drosch wie ein Berserker auf sein Instrument ein und kickte seine Vorderleute immer wieder in den Allerwertesten. Nach typisch 80er-Jahre-Muster stand Blackie beim Singen in der Mitte der Bühne, während Mike und Gitarrist Doug Blair immer wieder ihre Plätze tauschten. Spielte Doug seine Soli, flankierten ihn Mike und Blackie. Mister Blair entpuppte sich einmal mehr als fantastischer Gitarrist. Keiner seiner Vorgänger hatte sein Werkzeug mit einem Kreissägeblatt versehen oder einer blutroten Beleuchtung und spielte dermassen kraft- und gefühlvoll. Nimmt man wiedermal «The Idol» als Massstab an virtuosem, packendem und unter die Haut gehendem Solo, gibt es kaum einen Arbeitskollegen, der ihm für genau diesen Song das Wasser reichen kann. Auch für die Frauenwelt hatte Doug viel zu bieten, spielte er doch den Grossteil des Konzertes oben ohne, was bei einzelnen Schönheiten dazu führte, dass ihnen fast der Becher aus der Hand fiel. Tja, der Anteil an Grazien war sehr hoch...

Nach «I Wanna Be Somebody», einem der grössten Hits von W.A.S.P., verschwand die Combo kurz, um dann mit dem bekannten Kettensägen-Heulen den Zugabeblock zu starten. Noch einmal durften alle, mit der Einspielung des bekannten Clips, teilhaben am Schicksal des gestürzten Helden der Story. Genau diese Einspielungen manifestierten immer wieder, was der Glanz der alten Zeit war. Nämlich, dass die Musikwelt vor zwei Jahrzehnten noch provozieren konnte und ein rebellisches Flair versprühte. Man denke dabei nur an die Videos zu «L.O.V.E. Machine», «Wild Child», «I Wanna Be Somebody», oder «Blind In Texas». Dieses "gestreckte Mittelfinger"-Flair verwandelte sich im Clip zu «Heaven's Hung Black» zu einem tragischen Kontrast. Hier wurden viele Bilder aus vergangenen Kriegen projiziert. Der Song selber gehört mit seinem Aufbau zu den ganz grossen Sternstunden der Band. Als krönender Abschluss versetzte «Blind In Texas» allen nochmals einen gehörigen Arschtritt. Auch wenn die Spielzeit einmal mehr unter 80 Minuten lag und der Meister kaum mit dem Publikum kommunizierte, dieses Konzert gehört zu den Sternstunden der harten Musik. Blackie und seine Gefolgschaft haben auf eindrückliche Art und Weise bewiesen, wie man tolle Musik spielt und diese mit eigentlich wenigen Hilfsmitteln zu einem unvergesslichen Erlebnis macht. (tin)

Setliste: «On Your Knees» - «The Real Me» - «L.O.V.E. Machine» «Crazy» «Live To Die Another Day» «Wild Child» - «The Idol» «I Wanna Be Somebody» «Chainsaw Charlie» -- «Heaven's Hung In Black» «Blind In Texas».