Es gab nicht wenige Leute, die ob dem neuen Studio-Album «Good To
Be Bad» ziemlich baff waren, respektive der weissen Schlange so ein
Comeback kaum zugetraut hätten. Doch 2008, dem mit Abstand besten
Jahr in Sachen Rock und Metal seit Langem, passt es einfach wie die
Faust aufs Auge, dass auch Whitesnake hier mit von der Partie sind.
Der geneigte Fan wurde live wie auch von der Tonträgerseite her
regelrecht verwöhnt und es bleibt zu hoffen, dass dieser Zustand
noch möglichst lange anhalten wird. Coverdale & Co. waren das letzte
Mal im Juni 2006 im Zürcher Volkshaus zu Gast und lieferten dort
einen starken Auftritt ab, der unter anderem von der idealen
Location profitieren konnte. Dieses Detail war heute Abend auch im
Fokus, denn das schmuck und weihnächtlich beleuchtete Schützenhaus
machte in der Vergangenheit eher Schlagzeilen in Zusammenhang mit
Ex-Bundesrat Christoph Blocher denn als Austragungsort für (Rock-)
Konzerte. Man durfte also gespannt sein!
Kharma
Den Ost-Schweizer Rock-Fünfer sah ich dieses Jahr nach Huttwil und
Lenzburg nun bereits zum dritten Mal! Während der Auftritt am
«Rocksound Festival» ganz ordentlich geriet, harzte es in Lenzburg
etwas, vorab wegen der Technik. Das schien hier in Zürich zum Glück
kein Thema zu sein. So eröffneten Kharma den Konzertabend vor einer
bereits stattlichen Anzahl Fans, was mitunter auch zu einem Teil an
den kalten Aussentemperaturen gelegen haben dürfte. Sei's drum...,
auf jeden Fall umso besser für den heutigen Support, der kraftvoll
loslegte und das Publikum schon bald auf seine Seite ziehen konnte.
Die Schweizer Band mit klar internationalem Format beherrschte ihr
Handwerk und hat mit Ex-Satrox Röhre Werner "Wänä" Schweizer einen
ausdrucksstarken Sänger als Frontgaul. Im Gepäck führten Kharma
natürlich ihr neues Album «Between The Lines» mit, das bei der
schreibenden Zunft mehrheitlich auf gute Resonanz gestossen ist und
die eigentlich (zu) mageren 35 Minuten des heutigen Abends locker
ausfüllte. Persönlich fand ich diesen Auftritt nur durchschnittlich,
was angesichts der Qualität der Studio-Songs etwas verwundert. Fakt
ist zumindest, dass Kharma zwar wohl wissen,
wie man gute Rocksongs
schreibt, aber in Sachen nachhaltiger Earcatcher hapert es einfach
noch ein wenig. Wenn dann ausserdem die Umsetzung des Studio-Sounds
auf die Bühne verbesserungswürdig scheint, wird ersichtlich, dass
hier noch einiges mehr drin liegen würde. Mich haben Kharma bisher
(live) nicht wirklich berührt und nach diesem handwerklich zwar
wiederum soliden Auftritt reicht es jetzt nun für eine Weile.
Nichtsdestotrotz werde ich mich in der nächsten Zeit eingehend(er)
mit «Between The Lines» auseinander setzen und dann fällt mein
Urteil womöglich moderater aus. Das Publikum ging allerdings
gnädiger mit dem heimischen Gewächs um und bescherte durchaus regen
Applaus, was ja das Ziel eines jeden Konzertes, sprich Anheizers
sein sollte.
Whitesnake
Ich sehe das Bild stets noch vor mir, wie wenn es erst gestern
gewesen wäre! Dabei ist ein inzwischen kaum zu fassendes
Vierteljahrhundert seit dem 31.8.83 vergangen, als die weisse
Schlange noch mit Jon Lord (kurz vor der Deep Purple Reunion 1984)
in der St. Jakobshalle in Basel auftrat. Mit dabei waren damals
neben Bassist Colin "Bomber" Hodgkinson und Gitarrist Mickey Moody
noch Drum-Gott Cozy Powell (R.I.P.) und auch Gitarrist Mel Galley (R.I.P.),
der leider diesen Sommer, 60-jährig, an Krebs verstorben ist. Bester
Gesundheit, wenn auch hautmässig etwas gestrafft, erfreut sich
hingegen Mic-Ständer Akrobat David Coverdale. Hätte man ihm damals
voraus gesagt, dass er in 25 Jahren immer noch auf Tour sei, sprich
ein neues Album promotet, wäre man mit Sicherheit als
Luftschloss-Erbauer ausgelacht worden. Wie dem auch sei..., es ist
auf jeden Fall ein Geschenk des Himmels für jeden Rockfan, ob jung
oder alt, dieses trotz allem in Würde gealterte Rock-Urgestein noch
erleben zu dürfen. Selbst wenn die Stimme nicht mehr so kraftvoll
und ausdauernd wie in jungen Jahren ist, versprüht der mittlerweile
57-jährige immer noch mehr Charisma als ganze Horden von Jungspunden
zusammen. Solche sind es freilich, wie Neu-Bassist Uriah Duffy, die
aber für frisches und nötiges Blut sorgen. Wichtigster Mann, ohne
den es, neben Coverdale Whitesnake nicht mehr gäbe, ist aber
Gitarrist Doug Aldrich (Ex-Lion, Ex-Bad Moon Rising, Ex-Dio). Seinem
kompositorischen Input ist das Fortbestehen dieser Rock-Legende zu
verdanken. Ohne ihn hätte der gute David das musikalische Zepter
längst abgegeben. Dass dem wirklich so ist, zeigte nach dem Intro
gleich der Opener, nämlich in Gestalt des ersten Tracks vom neuen
Longplayer: «Best Years»! Was mich, zu Beginn im Fotograben stehend,
jedoch echt erschreckte, war die Feststellung, dass die
Lippen-Bewegungen von Master Coverdale nicht mit dem Sound überein
stimmten, der gerade von der Bühne, respektive der PA wiedergegeben
wurde! Leute..., vielleicht liege ich falsch, aber ich stand direkt
am Bühnenrand und hatte genügend Zeit, mir das genau anzuschauen.
Mein Eindruck war zumindest, dass zu Beginn einige Gesangs-Passagen
klar ab Band kamen! Diesen Eindruck gewann ich auch am Schluss beim
finalen «Still Of The Night», und das notabene mitten im Publikum
stehend. Nun..., hierzu kann jetzt jeder (s)eine eigene Meinung
vertreten, aber ich bleibe dabei, weil ich weiss, was ich gesehen
und gehört habe. Abgesehen von diesem "technischen Detail" lieferte
die Band aber einen ziemlich fetten Gig ab, der mächtig Arsch trat!
Spätestens beim Klassiker «Love Ain't No Stranger» war auch der
letzte Besucher im Albisgüetli aus der Reserve gelockt worden. Die
Stimmung war schlicht grandios! «Lay Down Your Love» zeigte in der
Folge erfreulich auf, dass die neuen Songs von «Goog To Be Bad»
wirklich nicht von schlechten Eltern sind. Mit «Is This Love» war
auch eine der besten Balladen von Whitesnake schlechthin mit dabei.
Das Guitar-Duell der Herren Aldrich/Beach fiel insgesamt viel zu
lange aus und kostete so mindestens ein weiteres, ganzes Lied. Ganz
streichen hätte man das dröge Drum-Solo von Neu-Drummer Chris
Frazier sollen..., ja müssen, denn das war total langweilig und nie
auch nur in der Nähe eines Ian Paice, Cozy Powell (R.I.P) oder Tommy
Aldridge. Dennoch überzeugte die Band als Kollektiv (mit Timothy
Drury an den Keys), keine Frage. Die bedauernswerte Entwicklung der
"Metallisierung" des Whitesnake-Sounds (war sonst recht gut heute
Abend) der letzten Jahre fand seinen befürchteten Höhepunkt bei «Ain't
No Love In The Heart Of The City», wo jeder auflodernde Funke Blues
im Keim erstickt wurde und die neu eingeflochtenen Lead/Backing-Vocals
von Doug und Reb wie ein Fremdkörper wirkten. «Here I Go Again»
geriet da erfreulicherweise besser und als Zugabe figurierte wie
gewohnt «Still Of The Night» (brachial!) mit eben..., aber lassen
wir das jetzt. Whitesnake sind so oder so immer noch 'ne Bank und
alleweil einen Konzertbesuch wert!
Setlist: «Intro» - «Best Years» - «Fool For Your Lovin'» - «Can You
Hear The Wind Blow» - «Love Ain't No Stranger» - «Lay Down Your
Love» - «Deeper The Love» - «Is This Love» - «Guitar Duel» - «A Fool
In Love» - «Drum Solo» - «Ain't Gonna Cry» - «Ain't No Love In The
Heart Of The City» - «Give Me All Your Love» - «Here I Go Again» --
«Soldier Of Fortune» - «Still Of The Night».
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