Livereview: Wolfmother - Zamarro
05. Juni 2007, Palais X-Tra Zürich
By Kissi
Sie waren die Rock-Sensation des Jahres 2006, machten mit ihrem Debut-Album sogleich die ganze Musikwelt auf sich aufmerksam und liessen den Kontinent Australien nach AC/DC, Rose Tattoo und Jet wieder auf der Stromgitarren-Weltkarte erscheinen. Dabei hört der weithin gefeierte Erstling, randvoll mit hochkarätigen Retro Rock-Nummern irgendwo zwischen Led Zeppelin, The Who, Black Sabbath und den White Stripes auf denselben Namen wie die beschriebene Band: Wolfmother! Seit über einem Jahr befindet sich das charismatische Trio um Wuschelkopf Andrew Stockdale nun auf Konzertreise und liefert den euphorischen Massen einen energiegeladenen Gig nach dem anderen. Zum ersten Mal nun beehrten die jungen Wilden von Down Under nun auch uns Schweizer mit einem Headliner-Auftritt, nachdem sie letztes Jahr einzig das Open Air St. Gallen in Ekstase versetzt hatten. So pilgerten also Metaller, Alternative-Rocker, Blumenkinder, Ska-Teenies und Party-People ins Zürcher Palais X-Tra (wegen der immensen Nachfrage wurde der Gig vom zuerst vorgesehenen Rohstofflager dorthin verlegt), um sich von einer Show in Ekstase versetzten zu lassen, die nicht wenig an die glorreichen 70er erinnerte. Den Anheizer dabei spielten die Basler Zamarro, und auch diese profitierten von einem ausgelassen feiernden Publikum, voller Hunger auf Rock’n’Roll.

Zamarro
Es ist zum an die Wand Gehen! Da brodelt in der Eidgenossenschaft seit Jahren eine ultraspannende wie talentierte Rotz Rock/Stoner Rock-Szene, haufenweise mitreissende Acts spielen sich in Klubs die Hintern wund, und doch werden sie nur vor einer all zu kleinen Schar E-Gitarren-Fans wahrgenommen. Eine dieser Bands nennt sich Zamarro, kommt aus Basel, hat schon drei Alben veröffentlicht (u.a. produziert von Sound-Legende John Endino, DEM Kultproduzenten der 90er Alternative- und Grunge-Bewegung) und Gigs sowohl in den Staaten wie auch in Deutschland, Italien und natürlich der Schweiz absolviert. Endlich scheinen nun auch die einheimischen Veranstalter grosser Rock-Konzerte das Talent im eigenen Land zu entdecken, und so kriegt man als Support-Act internationaler Kappellen vermehrt Schweizer Bands zu sehen, was zumindest an diesem Abend im Falle Zamarros alles andere als falsch ist. Eine gute halbe Stunde lang gab das Nordwestschweizer Trio unbeschwert Vollgas, zockte seinen martialischen Stoner Rock mit Alternative-Schlagseite runter. Fronter und Gitarrist Markus Gisin schrie ins Mikro, haute ein Riff nach dem anderen präzise in die Saiten und poste dazwischen, was das Zeug hielt, immerfort angetrieben von der Rhythmus-Fraktion, bestehend aus Bassist Marco Redolfi und Schlagwerker Michael Hedinger. Nur schon durch das stetige Grinsen aller drei Bandmitglieder sah man, wie wohl sich die Jungs auf einer solchen Bühne fühlen und dass sie bereit wären, die Schweiz und alles Andere im Sturm zu erobern, was sich auch an den Publikums-Reaktionen zeigte, die für eine eher unbekannte Vorband überraschend positiv ausfielen, was man nicht zuletzt nach der Show an nicht wenigen Zamarro-Shirts sah, die einen neuen Besitzer gefunden zu haben schienen.

Wolfmother
Übervoll präsentierte sich danach nach einer eher langen Umbaupause das X-Tra, und schon bevor überhaupt ein Anzeichen bestand, dass die australischen Jungstars gleich kommen würden, schrien und jubelten die ersten Reihen, was das Zeug hielt. Ob es am Durchschnittsalter des Publikums oder der Zusammensetzung (reichlich MTV-schauende Leute waren an diesem Abend zugegen) gelegen haben mag, solch eine Euphorie vor und später auch während und nach einem Konzert, um es vorweg zu nehmen, habe ich schon lange nicht mehr erlebt, auf jeden Fall nicht in einem Klub. Und so rastete der proppenvolle Schuppen dann auch gehörig aus, als Wolfmother mit „Dimension“ ihr energiegeladenes Set begannen. Bis hinten an die Rückwand sprang, hüpfte, pogte und grölte der Fan im Takte der Musik, genauso wie beim Übergroover „Pyramid“. Ich mag schon in mehreren Liveberichten die ‚Rock-Party’ ausgerufen haben, doch ich nehme alles zurück, denn der Rock-Bär tanzt bei niemand so ausgiebig und freizügig wie bei Wolfmother! Man fühlte sich in der Zeit, in die wilden, legendären 70er zurückversetzt, nicht nur wegen dem ekstatischen Publikum und der klar aus dieser Zeit stammenden Musik, nein auch die Show des Dreiers aus dem Känguru-Land war durch und durch auf retro getrimmt. Von einer regenbunten Lightshow in Szene gesetzt, zappelte Andrew Stockdale unrasiert, in unmenschlich hässliche Kleider gewandet (schwarze Spandex-Hose, grüne und zu kurze Samtjacke, weisse Turnschuhe) und mit doppelhalsiger Gibson SG (‚White Unicorn’) über die bis auf Verstärker, Drumkit und Keyboard leere Bühne, während Chris Cross ständig von Saiten zu Tasten wechselte und sich dabei in alle erdenklichen Posen warf. In bester Led Zeppelin-Manier wurde dabei improvisiert was das Zeug hielt, wobei Stockdale technisch zwar bei weitem nicht an Jimmy Page herankam, seine solistischen Defizite aber locker durch Bühnenpräsenz und Agilität wettmachte. Dass man dabei äusserst wenig mit dem Publikum kommunizierte schien derweilen keinen zu stören, und so wurden psychedelische, hammond-geschwängerte Nummern wie „Love Train“ oder „Where The Eagles Have Been“ ebenso abgefeiert wie erdigere Nummern der Sorte „Witchcraft“ (leider ohne Flöten-Intermezzo). Das darauf folgende „Pleased To Meet You“ dürfte dagegen den Wenigsten bekannt gewesen sein, ist dieser Track doch brandneu und ausschliesslich auf dem offziellen Soundtrack des neuen Spiderman-Films zu finden. Dabei wirkte der dröhnende Sound, ob gewollt oder auch nicht, irgendwie passend, und das etwas gemütlichere, nicht minder hüpf-kompatible „Tales“ kam da als kleine Verschnaufpause gerade recht, bevor man bei „Woman“ das bange Gefühl nicht los wurde, das X-Tra würde nun in bälde zusammenkrachen, denn das Volk vor der Bühne bildete nun eine grosse, einheitliche, auf und ab hüpfende Masse, aus derer beim sphärisch-melancholischen „Mind’s Eye“ verdächtig nach verbotenen Substanzen riechende Rauchwolken aufstiegen, während man auf der Bühne (vielleicht ein bisschen zu) ausgiebig à la LSD-Rausch herumschrammte und solierte, Wuschelkopf-Stockdale seine Flying V in der Luft herumschmiss, um danach das erste Mal von der Bühne zu huschen. Logischerweise forderte das Publikum mehr, und in Form des furiosen, dreiteiligen Finales, bestehend aus dem folkig hippiesken „Vagabond“, dem doomig-kolossalen „Colossal“ (verzeiht mir das Wortspiel, das musste einfach sein) und dem bombastischen, durch den zweiten Jackass-Film bekannten „Joker & The Thief“, bei dem das schon ausgelaugte Publikum noch mal aufs Ganze ging, endete dann eine formidable, perfekt und spartanisch inszenierte Rock-Show, die das Prädikat ‚retro’ genauso verdiente wie frisch und zeitgemäss. Regierten in den vergangenen Jahren Bands wie The Strokes, The Hives oder Mando Diao, die mit ihrem an die Stones angelehnten Strassen-Rock die Gitarren-Herzen der Jugend eroberten, so kehrte mit Wolfmother nun der episch verspielte Stadion-Rock der beginnenden 70er zurück. Endlich!

Setlist: “Dimension” – “Pyramid” – “Apple Tree” – “White Unicorn” – “Love Train” – “Where The Eagles Have been” – “Witchcraft” – “Pleased To Meet You” - “Tales” – “Woman” – “Mind’s Eye”
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„Vagabond“ – „Colossal“ – „Joker & The Thief“