Endlich stehen die Zeichen auch im fribourgischen Nouveau Monde
auf Sturm – Während in den ersten sechs Monaten seit der
Neueröffnung Metal praktisch keinen Platz im Programm hatte, kommt
nun mit «Full Metal» die erste Eventserie ins Rollen: Sybreed & Co
legten Ende März ordentlich vor, Zatokrev und Genossen konnten an
diesem Abend ordentlich drauflegen, und internationale Grössen wie
etwa Eminence, Killing Joke oder Darkane werden im Herbst ihren
Status unter dem gleichen Banner verteidigen müssen. Frohlocket!
Bezüglich der Zuschauerzahlen war dabei der Abend vom 17. Mai klar
der riskanteste - Zwar konnte mit Zatokrev eine der vielleicht
mächtigsten Schweizer Bands an Land gezogen werden, aber entgegen
der Reputation verleitet solch extreme Mucke erfahrungsgemäss eher
selten zu ausufernden Völkerwanderungen. Eine Grindcore- und eine
Old School Trashmetal-Band im Vorprogramm können an einer solchen
Prognose eher selten etwas ändern, aber der Schreiberling dieser
Zeilen (Wie auch die Organisatoren des Events) wurde dabei eines
besseren belehrt: Während ein grosser Teil des Publikums einfach aus
reiner Neugier mal einen Blick reinwarf, konnten vor allem die
Jungspunde von Cideraid eine beachtliche Menge an Fans ins Nouveau
Monde locken - und so kam es, dass der Saal mit unter'm Strich gut
190 Besuchern doch angenehm gefüllt war, und einer ordentlichen
Party nix mehr im Weg stand…
Cideraid
Die fünf Freiburger um Bassist und Sänger Thomas Schweizer betraten
mehr oder weniger pünktlich um 21h45 die Bühne. Die Band gab sich
trotz einiger spieltechnischer
Schnitzer übermotiviert, und überzeugte mit ihrem an alte Metallica
und Nevermore erinnernden melodischen Thrash auch überraschend viele
Romands - was nicht zuletzt auch an der frischen Attitüde liegen
dürfte. Die beiden Klampfer wirkten zwar etwas blockiert, aber dafür
quasselte Fronter Thomas für drei. Höhepunkt des Gigs war dabei klar
die Taufe der neuen EP «Ghost Within», deren Entstehungsprozess laut
Aussage der Band den Rahmen des Tolerierbaren bei Weitem gesprengt
hatte. Die Band liess dazu einige Flaschen Cidre im Publikum
rumreichen und verteilte auch eine Handvoll CDs - löblich! Der 40–Minütige
Gig endete in einer lautstark geforderten Zugabe, worauf Cideraid
auf eine uralte Komposition zurückgreifen mussten. Die Aktivitäten
des Publikums beschränkten sich übers ganze Set auf etwas arg
limitiertes Headbangen, hier hätte durchaus noch mehr gehen können -
Mit etwas mehr Feuer unter'm Hintern könnte die Band durchaus selber
für den Funken Anstoss sorgen, die Mucke dazu liefern sie auf jeden
Fall.
Daïgoro
Daïgoro aus dem Welschland waren den meisten anwesenden Metalheads
des Abends noch nie vor die Nase gekommen - Die Band besteht erst
seit knapp zwei Jahren, und kann nebst einer EP und zwei Handvoll
Gigs auch noch nicht all zu viel vorweisen. Die Band bezeichnet
ihren Stil liebevoll als «Shushi Metal», gemeint ist damit ihre
textliche und inhaltliche Verwurzelung zu japanischen Manga-Comics
und alten Samurai-Filmen. Interessanterweise passt die
Stilbezeichnung auch noch auf einer weiteren Ebene: Daïgoro fetzen
im Blutrausch quer durch sämtliche Stilrichtungen und Vermischen
ihren technischen Grindcore mit ordentlich queren Versatzstücken -
Kulturverschleiss Galore! Das Publikum reagiert zwar leicht verstört
aber durchaus sympatisch auf den Themenwechsel: Moshpits gab's zwar
weiterhin nicht, aber immerhin versuchten sich einige wackere Helden
am Headbangen - Bei diesen Tempiwechsel ein echtes Kunststück.
Leider blieb die Musik trotz der technisch sauberen Performance des
Quartetts eher weniger in den Gehörgängen hängen, und so verzogen
sich schon bald einmal die ersten Besucher in Richtung Vorraum, um
sich dort das eine oder andere Lungenbrötchen zu genehmigen. Auch
hier dauerte das Set knapp 45 Minuten, nur für den bleibenden
Eindruck hat's diesmal leider nicht ganz gereicht.
Zatokrev
Zatokrev aus Basel kämpfen schon seit geraumer Zeit mit ähnlichen
Sorgen - Zwar fährt die Band nicht zuletzt mit ihrer aktuellen
Veröffentlichung «Bury The Ashes» rund um den Globus entzückte
Kritiken ein, und reist dementsprechend auch ordentlich den Gigs
hinterher, aber die grosse Begeisterung bleibt nach wie vor aus.
Dies sollte sich jedoch beim Konzert im Nouveau Monde als
überraschenderweise falsch prognostiziert herausstellen: Zwar kühlen
die physikalischen Reaktionen in Sachen Headbanging bereits während
der ersten zwei Songs auf ein
Minimum herab, aber der grösste Teil des Publikums scheint zuerst
einfach nur Gefallen am schweren Doom zu finden, und wächst im Laufe
des Konzerts immer näher an die Band heran. Dargeboten wird dafür
ganz grosses Tennis: Das Quartett um Gitarrist und Sänger Frederyk
Rotter lässt nichts anbrennen und entschwindet bereits mit dem
ersten Takt in ihre Welt aus waberndem Schmerz, trägem Riffing und
bissigen Shouts - Meshuggah-mässiges Langsam-Bangen inklusive.
Spätestens beim Titeltrack «Bury The Ashes» mutieren Zatokrev zum
kollektiven Doom-Leviathan und reissen Nouveau Monde & Publikum mit
sich in den Abgrund - Beats und Riffs, Feedback und Gesang, Band und
Musik werden eins, nächster Ausgang: Purgatorium. Weltklasse! Klare
Sache, dass das Publikum dies nicht einfach so auf sich sitzen
lassen will, und so müssen Zatokrev gegen 0:30 Uhr nochmal für eine
Zugabe ran. Doch irgendwann ist Schluss, Augen werden gerieben,
Gehörschütze aus Gehörgängen gepult… bloss glauben will es noch
niemand so richtig: Zatokrev waren und sind live eine Naturgewalt,
ob man die Musik mag oder nicht.
Pluspunkte gehen an dieser Stelle übrigens auch an den Kurzfilm, der
nach dem Cideraid-Auftritt auf Leindwand gezeigt wurde: Es handelte
sich dabei um einen Trailer zum kommenden Underground-Splatter-Movie
«Zömbel Squad», in dem drei Viertel der Band als Zombies auf guter
alter Schlachter-Maniere das zweite Mal das Zeitliche segnen. Das
Publikum reagierte zu meinem Erstaunen äusserst amüsiert auf die
Präsentation, nach den viel zu knappen 1.5 Minuten gab's ordentlich
Applaus. Hoffen wir mal, dass aus dem Projekt wirklich der
versprochene 1.5 Stunden Blockbuster wird…
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