Fragt man heute einen Schweizer Rock- und
Metalfan, an welches Festival er dieses Jahr pilgern werde oder
schon gepilgert war, erhielt man Antworten wie "Rock am Ring", "Bang-Your-Head!!!",
"Earthshaker", "Sweden Rock" oder "Wacken". Was haben all diese
Festivals gemein? Genau! Sie befinden sich alle im Ausland!
Natürlich ist uns Metallern dies nicht zu verübeln, denn unsere
Festivals (bis auf einige wenige Ausnahmen) bieten lediglich ein
oder zwei Bands, die unseren Geschmack treffen. Dass dies bald nicht
mehr der Fall sein muss, zeigte dieses Jahr das "Rock Sound
Festival" in Huttwil, das sich in seiner zweiten Ausgabe in Sachen
Line-Up noch um einiges steigern konnte, dafür jedoch in
organisatorischer Hinsicht einige Patzer zu verantworten hatte.
Einer davon war das ungenügende Gelände. Nachdem man letztes Jahr
mit dem grossen Sportrasen der Aussenanlage des nationalen Sport-
und Kulturzentrums Huttwil einen wunderbar gemütlichen,
überschaubaren und praktischen Platz gefunden hatte, musste man sich
dieses Jahr schon wieder an einen anderen Austragungsort gewöhnen.
Dabei erklärten die Organisatoren diese Verschiebung damit, dass man
heftige Niederschläge und Sturmböen erwarte, und deswegen dies,
sowohl den Bands wie den Besuchern gegenüber, für die bessere
Variante halte (dabei regnete es am Samstag ein paar Minuten lang
wenige Tropfen und am Sonntag sogar gar nicht!). Dazu kam noch der
Umstand, dass dieses Jahr, trotz einem Tag mehr, weniger Tickets
verkauft worden waren, was natürlich zu einem grösseren finanziellen
Risiko führte. Gerüchteweise wurde die Schuld dem Schweizer
Fernsehen zugeschoben, welches alle Acts auf der Innenbühne
aufzeichnete und in der Halle natürlich bessere Bedingungen vorfand
und sich nicht um die teuren Kameras sorgen musste, hätte es
wirklich zu stürmen begonnen. Sei es wie's wolle, all dies führte zu
einem grossen Nachteil: Durch diese Drinnen/Draussen Variante
zerstreute sich das Publikum, was zum einen die Stimmung
beeinträchtigte und zum anderen die Verpflegungs- und Verkaufsstände
schmerzte, denn wer geht sich schon einen Hot Dog holen, wenn gerade
Uriah Heep spielt und er dazu nach draussen gehen muss?!! Eben... -
Dies alles wurde jedoch von dem äusserst abwechslungsreichen und vor
allem recht rockenden Line-Up kompensiert, welches an Härte im
Vergleich zur letztjährigen Ausgabe noch einen Zahn zulegen konnte.
(Kis)
Erster Tag (Freitag, 7.7.06)
Negative
Den Startschuss zum rockenden Wochenende gaben am Freitag um 18.00
Uhr die Finnen Negative, die dieses Jahr schon im Vorprogramm von
HIM und The Rasmus die Schweiz bereist hatten und somit doch schon
dutzende kreischende Teenie-Girls anzulocken
vermochten. Dabei überraschten mich die Skandinavier sowohl
musikalisch als auch optisch, schienen die Jungs doch sowohl HIM als
auch Hanoi Rocks gleichzeitig zu verkörpern ? Glam Rock mit allem
was dazugehört, vermischt mit melancholischem, für Finnland
typischem Gothic Rock. Permanentes Rockstar-Posing und die lasziven
Bewegungen von Sänger Jonne Aaron erfreuten die ersten fünf Reihen
(deren Durchschnittsalter irgendwo zwischen 14-17 Jahren lag) und
machten die einstündige Vorstellung äusserst kurzweilig. Dazu trugen
auch die oberabgefahrenen Outfits bei: Ein in braune Mönchskutte
gehüllter, mit Jason-Maske bestückter Bassist, ein in Schlangenleder
gehüllter Gitarrist mit Slash-Frisur oder die pinkigen Hosen, Tücher
und Schuhe von Jonne... - Als Geschenk boten die Jungs dann auch
noch einen neuen Song, die Vorabsingle "Planet Of The Sun" zum
kommenden Album "Anorectic", welches Ende September erscheinen wird.
Entlassen wurden die jungen Gothic-Girlies dann mit einem punkigen
Cover von Led Zeppelin's "Rock'n'Roll", wozu das Publikum zwar noch
einmal richtig Gas gab, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass gut
90% der ersten Paar Reihen keinen Schimmer hatten, dass der Song ein
Cover ist... - Dennoch bleibt ein überraschend guter
Eindruck zurück, da die Finnen auf jeden Fall humorvolle Rock
Unterhaltung boten oder anders gesagt: Barbie Rock! (Kis)
Ad-Rian
Die Neben- sprich Aussenbühne einweihen durfte der Softrocker
Ad-Rian, der mit richtigem Vornamen Adrian heisst und auf der
offziellen Rock Sound-Homepage als echter Schweizer Rocker
angepriesen wurde. Nach wenigen Takten des ätherisch wirkenden
Sängers wurde aber klar, dass das Wort "Rock" hier doch ziemlich
gewagt war, da er sich vom Härtegrad her im Bereich poppiger
Ende-90er Gotthard oder Genesis bewegte. Atmosphärische, manchmal
mit Pink Floyd Elementen versetzte Songs, die zu den schwebenden
Bewegungen des lethargisch wirkenden Sängers passten und einen
selbst fast in einen Dämmerzustand versetzten. (Kis)
Schandmaul
Wer Schandmaul bucht, bucht Party! Die deutschen Folk Rocker um
Sänger und Multiinstrumentalist Thomas Lindner bringen die
Bühnenbretter einfach immer zum Kochen. Das schien auch die
Schweizer Bevölkerung zu wissen und so präsentierte sich die
Eishalle äusserst voll, als das Sextett mit dem Instrumental "Das
Mädchen und der Tod" 65 Minuten voller Tanzen und Hüpfen eröffnete.
Wie
immer gut gelaunt trieben die Grazien Birgit und Anna und ihre Jungs
Thomas, Stefan, Matthias & Ducky reichlich Schabernack auf der
Bühne, grinsten und schmunzelten ob der guten Stimmung. Rief man
sich den letztjährigen Gig der Genre-Verwandten In Extremo in
Erinnerung (die damals den Mittelalter-Part übernahmen), fiel auf,
dass die Musik Schandmaul's für Unbekannte viel zugänglicher zu sein
schien, als die schwer anmutende und auch härtere Soundwand der
Berliner, die letztes Jahr lediglich von ihren Fans abgefeiert
wurden. Doch was kann denn schon falsch gehen mit Nummern wie
"Drachentöter", "Sichelmond", "Vogelfrei" oder "Dein Anblick", den
immer wieder funktionierenden Hits der Band, zwischen welche man
natürlich auch den einen oder anderen neuen Song vom aktuellen Album
"Mit Leib und Seele" einstreute, wie zum Beispiel "Mitgift",
"Lichtblick" oder das mitreissende "Kein Weg zu weit". Dass "Smoke
On The Water" eigentlich ein neuer Song von Schandmaul ist, wurde
dann auch noch klargestellt, bevor mit einem finalen Hüpfmarathon
aus "Teufelsweib", "Herren der Winde" und der "Walpurgisnacht", bei
welcher die Luft zu kochen schien, eigentlich der Gig beendet werden
sollte. Doch von unzähligen La-Ola-Wellen überredet, überzogen die
Süddeutschen Spielleute in Form von "Der letzte Tanz" doch noch fünf
Minuten, was für die Fans natürlich immer noch zu wenig gewesen war.
Wer also noch mehr Schandmaul erleben möchte: Am 20. Oktober treten
sie im Casino Herisau und am 21. Oktober im Z7 in Pratteln auf. Ich
werde sicherlich wieder dabei sein! (Kis)
The Delilahs
Dass nicht nur Männer rocken können wurde uns ja schon in Form der
Amis The Donnas oder den Schwedinnen Crucified Barbara bewiesen.
Dass aber auch die Schweizerinnen rocken, das zeigen alleine The
Delilah's aus Zug. Das noch unglaublich junge Trio, das binnen einen
Jahres von Unbekannt- zu nationaler Berühmtheit aufstieg, hat sich
dem spartanischen Indie-Rock verschrieben und trifft so vielleicht
nicht ganz meinen Nerv. Dabei fällt auch die etwas monotone Stimme
von Bassistin und Sängerin XX auf. Dennoch macht es Spass, diesen
gutgelaunten und vor allem auch gut aussehenden Girls zuzuschauen
(was gibt es Schärferes als eine Frau, die Gitarre spielt? ;-). So
rockten die Ladies zwar nicht ganz agil, aber dennoch aktiv die
Bühne. (Kis)
The Locos
Nach dem Auftritt der Schweizer Mundart-Popper Patent Ochsner um
Kuno Lauener, welche ich auf den Wunsch meines knurrenden Magens
ausliess, drängten sich doch schon um die 700 Leute vor der
Aussenbühne, nur auf eines erpicht: Ska Punk Party! The Locos, so
lautet der Name der neuen Band von Ex-"Ska-P"-Sänger Pipi, der nach
der Auflösung seiner alten Band einfach nicht genug von humorvollen
und politisch nachdenklichen Texten haben konnte und so einfach
genau das weiter macht, was er vorher schon tat. Alle Bandmitglieder
waren sehr, sehr
bewegungsfreudig,
hüpften, rannten und bangten, und der Pipi selbst verwandelte sich
von Song zu Song wieder einen neuen Charakter, so einmal als
Polizist oder als Geistlicher. Die politische Message blieb dabei
zwar auf der Strecke (ich denke nicht, dass das Gros der Besucher
fliessend spanisch verstand), schaden tat es aber nicht, schien das
Publikum sowieso mehr auf Spass aus zu sein, als sich hier jetzt den
Kopf zu zermartern. Mein Kopf hielt den grosszügigen Einsatz von
Bläsern (Saxophon, Posaune, Trompete) nicht länger aus und deshalb
bereitete ich mich langsam seelisch auf den Headliner vor, der
hoffentlich dieselbe Party-Stimmung hervorrufen würde: Krokus! (Kis)
Krokus
Um Punkt Mitternacht forderte dann die berühmteste Rockband der
Schweiz, die unverwüstlichen, sich immer wieder irgendwie
aufrappelnden Krokus zum Tanze auf, oder besser gesagt zum Bangen.
Mit "Nightwolf" starteten die Mannen um Marc Storace (einziges
verbliebenes Mitglied der glorreichen Besetzung) ihre Reise durch
über 20 Jahre Hard Rock vom Feinsten. "Long Stick Goes Boom" folgte
und schon jetzt war klar, dass die Band auch nach dem Ausstieg
Fernando von Arb's (g) vor einem Jahr noch reichlich Gas geben kann,
muss sich sein Nachfolger, respektive Rückkehrer Mandy Meyer
(Ex-Gotthard, Ex-Katmandu) keinesfalls hinter seinem Vorgänger
verstecken. Zwar schien der Saitenschrammler, wie so oft, wieder
einmal nicht ganz mit der Technik zufrieden zu sein, was sich darin
manifestierte, dass der Schwarzschopf des Öfteren von der Bühne
verschwand und dabei einen etwas angepissten Gesichtsausdruck
auflegte. Dennoch konnte dies die Stimmung auf und vor der Bühne
nicht wirklich schmälern, was nun ja auch wirklich schwierig ist,
derweil das grandiose The Guess Who Cover "American Woman" folgte.
Dabei rockte die Rhythmus-Fraktion, bestehend aus Dominique Favez
(g), Tony Castell (b) und Neuzugang Stefan Schwarzmann (d) was das
Zeug hielt, warf sich in Posen und amüsierte mit ihrem unkaputtbaren
Dauergrinsen. Mit "Hellraiser" kredenzte uns das Quintett schon
jetzt den Titelsong der am 16. September erscheinenden neuen
Langrille. Ein straighter Rocker der Marke "Nightwolf", wobei man
sich an diesem Abend nicht wirklich ein Bild machen konnte, weil
während "Hellraiser" Mandy's Gitarre nun endgültig aussetzt, was
eine längere, circa fünf Minuten dauernde Pause nach sich zog.
Sogleich witterte Storace seine Chance etwas Smalltalk zu
praktizieren und machte dabei seinem Ruf als Quasselstrippe, die vor
allem unnützes Zeugs von sich gibt, alle Ehre. In seinem typisch
gebrochenen Schweizerdeutsch erzählte er ein paar Witze, flirtete
mit den Frauen in der ersten Reihe oder erteilte Meyer eine rote
Karte wegen Spiel auf Zeit. Natürlich hätte man die Zeit sinnvoller,
vor allem musikalischer füllen können, aber Storace ist eben Storace
und solche Spässe verzeiht man einem Sänger gerne, wenn er nach zwei
Dekaden immer noch so zu singen versteht, wie zu "Headhunter"-Zeiten.
Dies demonstriert der kleine Malteser sofort bei "Screaming In The
Night", diesmal wieder mit den Licks Meyer's. Nach "Easy Rocker"
feuern die Krokusse noch einen neuen Song auf uns ab, nämlich "Angel
Of My Dreams", das mit seiner getragenen Stimmung an das schon
erwähnte "Screaming In The Night" zu erinnern vermochte. Vom
Vorgänger-Album brachte man lediglich eine Nummer,
nämlich
"Mad World", die im Vergleich zum darauf folgenden "Rock City"
natürlich schon ein wenig schwächelt. Bei diesem Song war Mandy
Meyer nämlich nicht mehr zu halten und die gute Laune wieder zurück
gewonnen, solierte der Herr alles in Grund und Boden, was in einem
kurzen, Deep Purple-artigen Duell zwischen Gitarre und Gesang
endete, bevor "Rock'n' Roll Tonight" den Gig der Schweizer
Rock-Könige gebührend abschloss. Doch wo bleibt "Bedside Radio", der
Klassiker der Band? Kaum denkt man sich das, stürmte die Truppe
schon wieder die Bühne und verabschiedete sich mit dem Hit, den nun
wirklich jeder Schweizer Rocker sogar im Vollrausch sollte mitsingen
können.
Da nach diesem Rock-Feuerwerk nun eine halbstündige Wartezeit
anstand, verzichtete ich an diesem Abend auf die Vorstellung der
Rammstein-Coverband Stahlzeit, welche laut Augenzeugen-Berichten die
Berliner bis aufs kleinste Detail imitierten, sei es Outfit,
Auftreten, Bühnenshow und natürlich Musik. Eine Band, die jedem
Rammstein-Fan somit glücklich machte. (Kis)
Zweiter Tag (Samstag, 8.7.06)
Danke lieber Petrus! Nach dem wechselhaften und kalten Wetter vom
Vortag, bescherte der Wettergott am Samstag nun endlich heiteren
Sonnenschein und angenehme Festival-Temperaturen. Doch eigentlich
spielte dies ja eh keine Rolle, spielten die Hauptacts wie schon
erwähnt in der Halle...
Pure Inc.
Am Samstag hatte die Schweizer Band Pure Inc. um 14.30 Uhr die Ehre,
den Musikreigen als erste Band des Tages zu eröffnen. Als die Jungs
die kleinere Aussenbühne betraten und mit "Saviour" losrockten,
waren die Zuschauer anfangs leider etwa so zahlreich gestreut wie
Elefanten in der Wüste, doch änderte sich dieser Umstand
glücklicherweise sehr schnell, so dass bereits danach richtige
Reihen vor der
Bühne
entstanden. Mit ihrem riffbetonten, meist geradlinigen Hardrock der
Marke "Break free", welchen sie gekonnt zum Teil mit etwas Blues
vermischten, wusste die Truppe von Anfang an zu überzeugen und so
war es auch kein Wunder, dass dem stündigen Auftritt je länger je
mehr Leute beiwohnten. Sänger Gianni, welcher stimmlich etwas an
Steve Lee von Gotthard erinnert, zeigte mit tieferen, melodiöseren
Parts sowie mit hohen Shouts die ganze Bandbreite seiner Stimme und
auch die Fähigkeit, diese gezielt variabel einzusetzen. Doch nicht
nur Gianni sondern auch seine Mitstreiter verstanden es, Abwechslung
in den Gig zu bringen, klangen die Songs doch einmal locker flockig,
dann wieder stampfend und schwerfälliger, um schlussendlich in den
etwas schnelleren Hardrock zurück zu finden, den sie zu Beginn ihrer
Vorstellung serviert hatten. Das Publikum honorierte die Leistungen
der Hardrocker mit Mitsing-Spielchen und kräftigem Applaus, so dass
die Jungs zum Schluss nicht um eine Zugabe nicht herum kamen. Ein
definitiv gelungener Auftakt des mittleren Festivaltages! (Nic)
Mayqueen
Nach den Schweizer Poppern Core 22 (so etwa Natascha oder Sina,
einfach auf Englisch...) hiess es "We Will Rock You", nämlich durch
die deutsche Equipe namens Mayqueen. Diese reine Queen Tribute Band
machte es sich denn während einer Stunde zur Aufgabe, auf der
sonnigen Aussenbühne den Spirit der wohl grössten Classic Rock Band
ever auferstehen zu lassen. Dabei war es allen voran an Sänger Mirko
Bäumer, den verstorbenen Freddy Mercury entsprechend wiederzugeben
und dies sowohl mit Verehrung als auch Distanz. So passte
seine hohe und klare Stimme so hervorragend zu dieser Rolle, wie die
rote Lederhose und das dazugehörende, weisse Leibchen. Mit original
interpretierten und so kongruent wirkenden Versionen von Übersongs
wie "I Want To Break Free", "Somebody To Love" oder "Don't Stop Me
Now" versetzten sie das Publikum somit in beste Feierlaune, liessen
aber natürlich mit den ganz grossen Hits der Band, namentlich "Radio
Gaga", "Bohemian Rhapsody" (da muss ich einfach immer an die Szene
aus Wayne's World denken...), "We Will Rock You" und "We Are The
Champions" bis zum Ende warten, wo dann die Reaktionen noch mal
richtig, ja wirklich richtig laut wurden. Musikalisch wie in Sachen
Frontmann Queen pur, dies lediglich mit zwei Abstrichen. Zum einen
wirkte die Band recht lethargisch und bot überhaupt keine Anzeichen,
sich bewusst zu sein, aufzutreten und zum anderen halt der fehlende
Bombast. Queen steht für mich schlichtweg für grosses Rock-Kino und
dies kann eine Band, die Nachmittags um vier Uhr spielt, einfach
nicht bieten..., es sei ihnen aber verziehen. (Kis)
Uriah Heep
Halb sechs Uhr abends ? und immer noch den bratenden Feuerball
namens Sonne am Himmel, sprich draussen Hitze pur. Uriah Heep waren
auf der grossen Bühne angesagt. Da die beiden Bühnen wegen dem
schlechten Wetter am Freitag kurzfristig getauscht wurden und somit
die kleinere Bühne draussen und die grosse in der Halle aufgebaut
waren, hätte man eigentlich meinen können, es gäbe für die nächsten
75 Minuten gute Musik bei angenehmen Temperaturen. Aber weit
gefehlt, denn
die
sehr gut gefüllte Halle brodelte bereits, als die fünf gestandenen
Herren von Uriah Heep die Bretter betraten. Als dann die ersten Töne
der Briten erklangen, gab es definitiv kein Halten mehr. Mit ihrem
typisch blueslastigen Easy-Hardrock der 70er-Jahre eroberte die
Truppe um das letzte verbliebene Ur-Mitglied Mick Box die Zuhörer im
Sturm. Dass die Songstrukturen der einzelnen Titel mit zum Teil nur
genau drei Akkorden fast schon unverschämt einfach und banal waren,
störte niemanden. Kein Wunder, denn wer es versteht, diese drei
Akkorde dafür so genial verpackt in eingängigen Rock-Hymnen zu
präsentieren wie Uriah Heep, dem sei die Banalität verziehen. Und
wie heisst es doch so schön: Manchmal ist weniger mehr ? was in
diesem Fall ganz eindeutig zutraf. Das Publikum war
erstaunlicherweise bunt gemischt von Jung bis Alt, und obwohl die
jüngere Generation die Akteure des Geschehens wohl nicht sonderlich
gut kannte, klatschte und bangte sie bei Klassikern wie "Easy livin'"
oder "Lady In Black" doch mindestens ebenso kräftig mit, wie die
alteingesessenen Kenner der Band. Den Herren selbst war die
Spielfreude auch nach satten 35 Jahren Bandbestehen immer noch
deutlich anzusehen und auch der Humor ist ihnen in dieser Zeit
offenbar nicht abhanden gekommen. Sänger Bernie Shaw meinte über
seinen Mitstreiter Mick Box nur: "He can play any guitar as long as
it's black!" Na, dann hoffen wir doch einmal, dass es in zehn Jahren
immer noch schwarze Gitarren gibt! (Nic)
Manfred Mann's Earth Band
Nach der herausragenden Vorstellung von Uriah Heep war es eine
Stunde später an Manfred Mann und seiner Truppe, die gute Stimmung
beizubehalten. Zuerst schien es so, als könnten die Jungs diese
Aufgabe nicht erfüllen, denn nach dem ersten Song klatschte das
Publikum zwar ziemlichen Beifall, doch fiel er weit weniger
euphorisch aus, als zuvor bei ihren langjährigen Labelpartnern Uriah
Heep. Die Band, welche über eine über 35-jährige Bühnenerfahrung
verfügt, rockte dennoch unbeindruckt los und gewann schlussendlich
auf der ganzen Linie. Klassiker wie "Blinded By The Light"
überzeugen nach wie vor mit einer guten Mischung aus
rhythmisch-rockigem Sound und gefühlvollen Soli. Mit "Mighty Queen",
das im Original im Gegensatz zu "Blinded By The Light" nicht von
Bruce Springsteen, sondern von Bob Dylan stammt, zeigten die fünf
Musiker zum Schluss nochmals ihr Können und streuten bewusst
musikalische Zitate von Deep Purple's "Smoke On The Water" ein, was
die Zuhörer sehr zu schätzen wussten. Das Rocksound Festival war in
diesem Jahr ein Tribut an die 70er-Jahre. Mannfred Mann schien dies
begriffen zu haben. Und so schwelgten nach dem Konzert noch viele
Besucher in Erinnerungen, oder die Jüngeren in Vorstellungen daran,
wie es damals gewesen sein könnte. (Nic)
Within Temptation
Wahnsinn! Man könnte Within Temptation fast schon als die Abräumer
des Tages bezeichnen, denn die Konzerthalle war von der ersten
Minute an gerappelt voll. Wurden schon die fünf Jungs der Symphonic
Metaller mit tosendem Applaus empfangen, doch dies war noch nichts
im Vergleich zu dem für die etwas verzögert auf der Bühne
erscheinende Sängerin Sharon den Adel. Und dann legte
das
Sextett auch gleich mächtig los. Mal begann die Truppe mit zarten,
sanften, zum Teil fast schon wehleidigen Engelsklängen von Sharon,
um danach in ein gewaltiges Riffgewitter auszubrechen. Ein ander Mal
hielt sie es exakt umgekehrt und startete mit Brachial-Riffs in den
Song, um hinterher in der Strophe zur Ruhe zu kommen. Doch egal,
welchen Weg die Holländer auch einschlugen, es gelang ihnen immer,
den Zuhörer in wunderschöne Traumklangwelten zu entführen. Natürlich
durfte für das Gelingen solcher Ziele auch das entsprechende
Ambiente nicht fehlen. Zwei grosse Steinsäulen, mit Efeu-Ranken
dekorierte Engel, massenhaft Nebel aus der Trockeneismaschine und
vor allem aber eine perfekt auf die Musik abgestimmte Licht-Show
erzeugten eine durchweg mystische, sphärische Grundstimmung. Der
weiche Timbre von Sharons Stimme sowie auch ihre eleganten,
fliessenden Bewegungen unterstützen das ganze Bild noch zusätzlich.
Eindeutig stand Madame den Adel im Zentrum des Geschehens, was bei
ihrer Erscheinung, ihrer Ausstrahlung und nicht zuletzt auch wegen
ihrem theatralischen Talent nicht weiter verwunderte. Aber auch die
Herren der Schöpfung hatten ihre Momente und bewegten sich auf der
Bühne fast mindestens ebenso viel wie ihre Frontfrau selbst. Soweit
bot die Band einen mehr oder weniger makellosen, fast perfekten
Auftritt. Woran sie aber eindeutig noch feilen kann, ist an der
Abwechslung der Songs, denn mit der Zeit schlich sich dort eine
gewisse Monotonie ein, was den Auftritt schlussendlich etwas
eindimensional wirken lies. Ansonsten aber eine wirklich reife
Leistung, die ich gerne ein weiteres Mal bewundern werde. (Nic)
AC/DC Revival Band
Mancher wird sich wohl im Vorfeld des Festivals gefragt haben, was
eine Coverband um diese späte, prominente Stunde auf der Nebenbühne
verloren habe, während eine Band wie Pure Inc., die mit eigenen
Songs überzeugen, den Posten des Openers innehalten musste. Nun, das
Konzept mit dem Spielplan schien aufzugehen, denn der Platz vor der
Nebenbühne war voll, als die AC/DC-Coverband pünktlich um 23.00 Uhr
loslegte. Das Publikum freute sich über neue und ältere
AC/DC-Klassiker à la "Live Wire", "Stiff Upper Lip" und "Dirty Deeds
Done Dirt Cheap". Sänger Armin Petrasch überzeugte sowohl bei den
Bon Scott und bei den Brian Johnson Stücken, obwohl er optisch eher
Bon Scott glich. Bei "Hells Bells" wurde sogar die Höllenglocke
ausgepackt, an welchen "Brian Johnson" zum Schluss auch rumturnte.
Die "AC/DC Revival Band" bot eine authentische AC/DC-Show, bei der
selbst die obligaten Striptease Spielchen bei "Bad Boy-Boogie" vom
"Cover Angus Young"
nicht fehlen durften. Bei "The Jack" entdeckte unsere Gastautorin
Nicole dann verdattert, aber punktgenau die Essenz von AC/DC: "Das
Lied ist ja ein ganz normaler Blues! Und ein sehr einfacher dazu,
ich höre nur gerade drei Akkorde!" Tja, viel mehr braucht ein guter
Song auch nicht. Und so schunkelte das Publikum bis zum Schluss bei
weiteren Hits wie "Thunderstruck", "Highway To Hell" und "For Those
About to Rock We Salute You". Bei Letzterem natürlich mit den
obligaten Kanonen. Die AC/DC-Revival-Band weckte dann auch das
Bedürfnis, das Original endlich wieder mal live zu sehen. Und so
muss das auch sein, denn Coverbands sollten uns ja die Wartezeit auf
das Original verkürzen. (Rog)
Saxon
Tragisch aber wahr, der Umstand dann, dass die nun folgenden Saxon,
in Metalkreisen bekannt als eine der besten Livebands überhaupt,
beim diesjährigen Publikum auf weniger Interesse stiessen als Within
Temptation oder Uriah Heep. Denn fünf Minuten vor Konzertbeginn
befanden sich vielleicht gerade mal 1000 Leute vor der Bühne.
Wenigstens änderte sich dies während dem Intro hin zum
Guten
und so strömten die Besucher doch noch ansehnlich herbei. Doch wenn
sich einer nicht von einer wenig mehr als halb gefüllten Halle
irritieren lässt, dann ist das sicher Biff Byford, der Hüne mit dem
schneeweissen Haar und den rabenschwarzen Augenbrauen. Mit "Lionheart"
eröffneten die Briten, um erstaunlicherweise gleich mit "Heavy Metal
Thunder" nachzulegen, einer der unzähligen Übernummern Saxon's.
Sogleich fiel dann auch auf, dass der halt schon reichlich verzerrte
Sound der Sachsen nicht nur dem einen oder anderen Festivalbesucher
zu hart war, und so blieb die Halle spärlich gefüllt, was angesichts
des folgenden "Dogs Of War" nicht wirklich störte, machte man halt
selbst umso mehr Party! Dazu lud "Strong Arm Of The Law" natürlich
förmlich ein, wozu sich auch der sonst eher ruhige Paul Quinn
bewegte, wie schon lange nicht mehr. Biff, wie immer in Topform,
konnte bei den kreischenden Lines von "Witchfinder General" noch
mehr überzeugen und rannte auch bei "Backs To The Wall" und "Solid
Ball Of Rock" von einem Bühnenende zum anderen (die Bühne
präsentierte sich übrigens im gewohnten Saxon-Outfit, das heisst mit
Metall-Gittern und dem roten, klassischen Saxon-Banner). Während "Motorcycle
Man" riss dem Herrn Quinn eine Saite, weshalb Biff nach dem Song
sofort überbrückte und das mit der Frage der Fragen: "An old song or
a new song?". Auf den Vorschlag "Crusader" konnte sich der Hüne dann
nicht verkneifen, ein knappes, sarkastisches "Zum Glück sind wir
hier nicht in Dubai" loszulassen (Saxon wurde es wegen den sich um
die Kreuzzüge drehenden Lyrics dieses Songs verboten, am dort
stattfindenden "Desert Rock Festival" teilzunehmen, da sonst jene
blutigen Feldzüge der Christen gegen den Islam verherrlicht
würden). Überraschend wählte man "Dragon's Liar" vom "Killing Ground"
Album (2003), was auch das Publikum überraschte, das damit nicht
wirklich viel anfangen konnte. Doch da "To Hell And Back Again"
nicht nur der Titel der im Herbst erscheinenden Live-DVD sein wird,
sondern auch ein ultrageiler Song, konnte die Stimmung wieder in
Metal-Party-Laune-Zonen katapultiert werden, zumindest bei den
wenigen Besuchern, die Saxon auch wirklich kannten, denn beim
Herumblicken wirkte die Zuschauerschar wirklich ziemlich
zurückhaltend und eher beobachtend, statt agierend. Egal, dachten
sich die Briten und setzten in Sachen Stageacting und Dauerbewegung
noch einen drauf, während sie mit "Denim & Leather" und "Princess Of
The Night" das reguläre Set beendeten und erschöpft von der Bühne
abzogen. Doug Scarratt eröffnete danach mit einem gefühlvollen
Gitarren-Solo den Headbang- beziehungsweise Mitsing-Overkill: "Wheels
Of Steel", mit dem obligatorischen Singalong-Part, erfreute den Fan
und dann, endlich: "Crusader"! Besser kann eine Liveband einfach
nicht sein, denn was kann diese Metal-Bastion, die jetzt schon seit
Dekaden fast ununterbrochen die Bretter dieser Welt rockt, mehr
bieten als Spielfreude, Energie und geile Songs? Das Ende dieses
abwechslungsreichen Samstag's bedeutete dann auch gleichzeitig das
Ende unserer Präsenz am "Rock Sound Festival", und dies mit der
Erkenntnis, dass der Sonntag (ausser der ausgedehnten
Saiten-Akrobatik Joe Satriani's) nichts mehr zu bieten haben würde.
(Kis)
Vor Ort dabei waren (vlnr):
Kissi, Roger W. & Nicole
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