Livereview: Rocksound Festival 2006
7. & 8. Juli 2006, Huttwil (BE)
By Kissi (Kis), Roger W. (Rog) & Nicole P. (Nic)  - All Pics by Kissi & Roger
Fragt man heute einen Schweizer Rock- und Metalfan, an welches Festival er dieses Jahr pilgern werde oder schon gepilgert war, erhielt man Antworten wie "Rock am Ring", "Bang-Your-Head!!!", "Earthshaker", "Sweden Rock" oder "Wacken". Was haben all diese Festivals gemein? Genau! Sie befinden sich alle im Ausland! Natürlich ist uns Metallern dies nicht zu verübeln, denn unsere Festivals (bis auf einige wenige Ausnahmen) bieten lediglich ein oder zwei Bands, die unseren Geschmack treffen. Dass dies bald nicht mehr der Fall sein muss, zeigte dieses Jahr das "Rock Sound Festival" in Huttwil, das sich in seiner zweiten Ausgabe in Sachen Line-Up noch um einiges steigern konnte, dafür jedoch in organisatorischer Hinsicht einige Patzer zu verantworten hatte.

Einer davon war das ungenügende Gelände. Nachdem man letztes Jahr mit dem grossen Sportrasen der Aussenanlage des nationalen Sport- und Kulturzentrums Huttwil einen wunderbar gemütlichen, überschaubaren und praktischen Platz gefunden hatte, musste man sich dieses Jahr schon wieder an einen anderen Austragungsort gewöhnen. Dabei erklärten die Organisatoren diese Verschiebung damit, dass man heftige Niederschläge und Sturmböen erwarte, und deswegen dies, sowohl den Bands wie den Besuchern gegenüber, für die bessere Variante halte (dabei regnete es am Samstag ein paar Minuten lang wenige Tropfen und am Sonntag sogar gar nicht!). Dazu kam noch der Umstand, dass dieses Jahr, trotz einem Tag mehr, weniger Tickets verkauft worden waren, was natürlich zu einem grösseren finanziellen Risiko führte. Gerüchteweise wurde die Schuld dem Schweizer Fernsehen zugeschoben, welches alle Acts auf der Innenbühne aufzeichnete und in der Halle natürlich bessere Bedingungen vorfand und sich nicht um die teuren Kameras sorgen musste, hätte es wirklich zu stürmen begonnen. Sei es wie's wolle, all dies führte zu einem grossen Nachteil: Durch diese Drinnen/Draussen Variante zerstreute sich das Publikum, was zum einen die Stimmung beeinträchtigte und zum anderen die Verpflegungs- und Verkaufsstände schmerzte, denn wer geht sich schon einen Hot Dog holen, wenn gerade Uriah Heep spielt und er dazu nach draussen gehen muss?!! Eben... - Dies alles wurde jedoch von dem äusserst abwechslungsreichen und vor allem recht rockenden Line-Up kompensiert, welches an Härte im Vergleich zur letztjährigen Ausgabe noch einen Zahn zulegen konnte. (Kis)


Erster Tag (Freitag, 7.7.06)

Negative
Den Startschuss zum rockenden Wochenende gaben am Freitag um 18.00 Uhr die Finnen Negative, die dieses Jahr schon im Vorprogramm von HIM und The Rasmus die Schweiz bereist hatten und somit doch schon dutzende kreischende Teenie-Girls anzulocken vermochten. Dabei überraschten mich die Skandinavier sowohl musikalisch als auch optisch, schienen die Jungs doch sowohl HIM als auch Hanoi Rocks gleichzeitig zu verkörpern ? Glam Rock mit allem was dazugehört, vermischt mit melancholischem, für Finnland typischem Gothic Rock. Permanentes Rockstar-Posing und die lasziven Bewegungen von Sänger Jonne Aaron erfreuten die ersten fünf Reihen (deren Durchschnittsalter irgendwo zwischen 14-17 Jahren lag) und machten die einstündige Vorstellung äusserst kurzweilig. Dazu trugen auch die oberabgefahrenen Outfits bei: Ein in braune Mönchskutte gehüllter, mit Jason-Maske bestückter Bassist, ein in Schlangenleder gehüllter Gitarrist mit Slash-Frisur oder die pinkigen Hosen, Tücher und Schuhe von Jonne... - Als Geschenk boten die Jungs dann auch noch einen neuen Song, die Vorabsingle "Planet Of The Sun" zum kommenden Album "Anorectic", welches Ende September erscheinen wird. Entlassen wurden die jungen Gothic-Girlies dann mit einem punkigen Cover von Led Zeppelin's "Rock'n'Roll", wozu das Publikum zwar noch einmal richtig Gas gab, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass gut 90% der ersten Paar Reihen keinen Schimmer hatten, dass der Song ein Cover ist... - Dennoch bleibt ein überraschend guter Eindruck zurück, da die Finnen auf jeden Fall humorvolle Rock Unterhaltung boten oder anders gesagt: Barbie Rock! (Kis)

Ad-Rian
Die Neben- sprich Aussenbühne einweihen durfte der Softrocker Ad-Rian, der mit richtigem Vornamen Adrian heisst und auf der offziellen Rock Sound-Homepage als echter Schweizer Rocker angepriesen wurde. Nach wenigen Takten des ätherisch wirkenden Sängers wurde aber klar, dass das Wort "Rock" hier doch ziemlich gewagt war, da er sich vom Härtegrad her im Bereich poppiger Ende-90er Gotthard oder Genesis bewegte. Atmosphärische, manchmal mit Pink Floyd Elementen versetzte Songs, die zu den schwebenden Bewegungen des lethargisch wirkenden Sängers passten und einen selbst fast in einen Dämmerzustand versetzten. (Kis)

Schandmaul
Wer Schandmaul bucht, bucht Party! Die deutschen Folk Rocker um Sänger und Multiinstrumentalist Thomas Lindner bringen die Bühnenbretter einfach immer zum Kochen. Das schien auch die Schweizer Bevölkerung zu wissen und so präsentierte sich die Eishalle äusserst voll, als das Sextett mit dem Instrumental "Das Mädchen und der Tod" 65 Minuten voller Tanzen und Hüpfen eröffnete. Wie immer gut gelaunt trieben die Grazien Birgit und Anna und ihre Jungs Thomas, Stefan, Matthias & Ducky reichlich Schabernack auf der Bühne, grinsten und schmunzelten ob der guten Stimmung. Rief man sich den letztjährigen Gig der Genre-Verwandten In Extremo in Erinnerung (die damals den Mittelalter-Part übernahmen), fiel auf, dass die Musik Schandmaul's für Unbekannte viel zugänglicher zu sein schien, als die schwer anmutende und auch härtere Soundwand der Berliner, die letztes Jahr lediglich von ihren Fans abgefeiert wurden. Doch was kann denn schon falsch gehen mit Nummern wie "Drachentöter", "Sichelmond", "Vogelfrei" oder "Dein Anblick", den immer wieder funktionierenden Hits der Band, zwischen welche man natürlich auch den einen oder anderen neuen Song vom aktuellen Album "Mit Leib und Seele" einstreute, wie zum Beispiel "Mitgift", "Lichtblick" oder das mitreissende "Kein Weg zu weit". Dass "Smoke On The Water" eigentlich ein neuer Song von Schandmaul ist, wurde dann auch noch klargestellt, bevor mit einem finalen Hüpfmarathon aus "Teufelsweib", "Herren der Winde" und der "Walpurgisnacht", bei welcher die Luft zu kochen schien, eigentlich der Gig beendet werden sollte. Doch von unzähligen La-Ola-Wellen überredet, überzogen die Süddeutschen Spielleute in Form von "Der letzte Tanz" doch noch fünf Minuten, was für die Fans natürlich immer noch zu wenig gewesen war. Wer also noch mehr Schandmaul erleben möchte: Am 20. Oktober treten sie im Casino Herisau und am 21. Oktober im Z7 in Pratteln auf. Ich werde sicherlich wieder dabei sein! (Kis)

The Delilahs
Dass nicht nur Männer rocken können wurde uns ja schon in Form der Amis The Donnas oder den Schwedinnen Crucified Barbara bewiesen. Dass aber auch die Schweizerinnen rocken, das zeigen alleine The Delilah's aus Zug. Das noch unglaublich junge Trio, das binnen einen Jahres von Unbekannt- zu nationaler Berühmtheit aufstieg, hat sich dem spartanischen Indie-Rock verschrieben und trifft so vielleicht nicht ganz meinen Nerv. Dabei fällt auch die etwas monotone Stimme von Bassistin und Sängerin XX auf. Dennoch macht es Spass, diesen gutgelaunten und vor allem auch gut aussehenden Girls zuzuschauen (was gibt es Schärferes als eine Frau, die Gitarre spielt? ;-). So rockten die Ladies zwar nicht ganz agil, aber dennoch aktiv die Bühne. (Kis)

The Locos
Nach dem Auftritt der Schweizer Mundart-Popper Patent Ochsner um Kuno Lauener, welche ich auf den Wunsch meines knurrenden Magens ausliess, drängten sich doch schon um die 700 Leute vor der Aussenbühne, nur auf eines erpicht: Ska Punk Party! The Locos, so lautet der Name der neuen Band von Ex-"Ska-P"-Sänger Pipi, der nach der Auflösung seiner alten Band einfach nicht genug von humorvollen und politisch nachdenklichen Texten haben konnte und so einfach genau das weiter macht, was er vorher schon tat. Alle Bandmitglieder waren sehr, sehr bewegungsfreudig, hüpften, rannten und bangten, und der Pipi selbst verwandelte sich von Song zu Song wieder einen neuen Charakter, so einmal als Polizist oder als Geistlicher. Die politische Message blieb dabei zwar auf der Strecke (ich denke nicht, dass das Gros der Besucher fliessend spanisch verstand), schaden tat es aber nicht, schien das Publikum sowieso mehr auf Spass aus zu sein, als sich hier jetzt den Kopf zu zermartern. Mein Kopf hielt den grosszügigen Einsatz von Bläsern (Saxophon, Posaune, Trompete) nicht länger aus und deshalb bereitete ich mich langsam seelisch auf den Headliner vor, der hoffentlich dieselbe Party-Stimmung hervorrufen würde: Krokus! (Kis)

Krokus
Um Punkt Mitternacht forderte dann die berühmteste Rockband der Schweiz, die unverwüstlichen, sich immer wieder irgendwie aufrappelnden Krokus zum Tanze auf, oder besser gesagt zum Bangen. Mit "Nightwolf" starteten die Mannen um Marc Storace (einziges verbliebenes Mitglied der glorreichen Besetzung) ihre Reise durch über 20 Jahre Hard Rock vom Feinsten. "Long Stick Goes Boom" folgte und schon jetzt war klar, dass die Band auch nach dem Ausstieg Fernando von Arb's (g) vor einem Jahr noch reichlich Gas geben kann, muss sich sein Nachfolger, respektive Rückkehrer Mandy Meyer (Ex-Gotthard, Ex-Katmandu) keinesfalls hinter seinem Vorgänger verstecken. Zwar schien der Saitenschrammler, wie so oft, wieder einmal nicht ganz mit der Technik zufrieden zu sein, was sich darin manifestierte, dass der Schwarzschopf des Öfteren von der Bühne verschwand und dabei einen etwas angepissten Gesichtsausdruck auflegte. Dennoch konnte dies die Stimmung auf und vor der Bühne nicht wirklich schmälern, was nun ja auch wirklich schwierig ist, derweil das grandiose The Guess Who Cover "American Woman" folgte. Dabei rockte die Rhythmus-Fraktion, bestehend aus Dominique Favez (g), Tony Castell (b) und Neuzugang Stefan Schwarzmann (d) was das Zeug hielt, warf sich in Posen und amüsierte mit ihrem unkaputtbaren Dauergrinsen. Mit "Hellraiser" kredenzte uns das Quintett schon jetzt den Titelsong der am 16. September erscheinenden neuen Langrille. Ein straighter Rocker der Marke "Nightwolf", wobei man sich an diesem Abend nicht wirklich ein Bild machen konnte, weil während "Hellraiser" Mandy's Gitarre nun endgültig aussetzt, was eine längere, circa fünf Minuten dauernde Pause nach sich zog. Sogleich witterte Storace seine Chance etwas Smalltalk zu praktizieren und machte dabei seinem Ruf als Quasselstrippe, die vor allem unnützes Zeugs von sich gibt, alle Ehre. In seinem typisch gebrochenen Schweizerdeutsch erzählte er ein paar Witze, flirtete mit den Frauen in der ersten Reihe oder erteilte Meyer eine rote Karte wegen Spiel auf Zeit. Natürlich hätte man die Zeit sinnvoller, vor allem musikalischer füllen können, aber Storace ist eben Storace und solche Spässe verzeiht man einem Sänger gerne, wenn er nach zwei Dekaden immer noch so zu singen versteht, wie zu "Headhunter"-Zeiten. Dies demonstriert der kleine Malteser sofort bei "Screaming In The Night", diesmal wieder mit den Licks Meyer's. Nach "Easy Rocker" feuern die Krokusse noch einen neuen Song auf uns ab, nämlich "Angel Of My Dreams", das mit seiner getragenen Stimmung an das schon erwähnte "Screaming In The Night" zu erinnern vermochte. Vom Vorgänger-Album brachte man lediglich eine Nummer, nämlich "Mad World", die im Vergleich zum darauf folgenden "Rock City" natürlich schon ein wenig schwächelt. Bei diesem Song war Mandy Meyer nämlich nicht mehr zu halten und die gute Laune wieder zurück gewonnen, solierte der Herr alles in Grund und Boden, was in einem kurzen, Deep Purple-artigen Duell zwischen Gitarre und Gesang endete, bevor "Rock'n' Roll Tonight" den Gig der Schweizer Rock-Könige gebührend abschloss. Doch wo bleibt "Bedside Radio", der Klassiker der Band? Kaum denkt man sich das, stürmte die Truppe schon wieder die Bühne und verabschiedete sich mit dem Hit, den nun wirklich jeder Schweizer Rocker sogar im Vollrausch sollte mitsingen können.

Da nach diesem Rock-Feuerwerk nun eine halbstündige Wartezeit anstand, verzichtete ich an diesem Abend auf die Vorstellung der Rammstein-Coverband Stahlzeit, welche laut Augenzeugen-Berichten die Berliner bis aufs kleinste Detail imitierten, sei es Outfit, Auftreten, Bühnenshow und natürlich Musik. Eine Band, die jedem Rammstein-Fan somit glücklich machte. (Kis)
 

Zweiter Tag (Samstag, 8.7.06)

Danke lieber Petrus! Nach dem wechselhaften und kalten Wetter vom Vortag, bescherte der Wettergott am Samstag nun endlich heiteren Sonnenschein und angenehme Festival-Temperaturen. Doch eigentlich spielte dies ja eh keine Rolle, spielten die Hauptacts wie schon erwähnt in der Halle...

Pure Inc.
Am Samstag hatte die Schweizer Band Pure Inc. um 14.30 Uhr die Ehre, den Musikreigen als erste Band des Tages zu eröffnen. Als die Jungs die kleinere Aussenbühne betraten und mit "Saviour" losrockten, waren die Zuschauer anfangs leider etwa so zahlreich gestreut wie Elefanten in der Wüste, doch änderte sich dieser Umstand glücklicherweise sehr schnell, so dass bereits danach richtige Reihen vor der Bühne entstanden. Mit ihrem riffbetonten, meist geradlinigen Hardrock der Marke "Break free", welchen sie gekonnt zum Teil mit etwas Blues vermischten, wusste die Truppe von Anfang an zu überzeugen und so war es auch kein Wunder, dass dem stündigen Auftritt je länger je mehr Leute beiwohnten. Sänger Gianni, welcher stimmlich etwas an Steve Lee von Gotthard erinnert, zeigte mit tieferen, melodiöseren Parts sowie mit hohen Shouts die ganze Bandbreite seiner Stimme und auch die Fähigkeit, diese gezielt variabel einzusetzen. Doch nicht nur Gianni sondern auch seine Mitstreiter verstanden es, Abwechslung in den Gig zu bringen, klangen die Songs doch einmal locker flockig, dann wieder stampfend und schwerfälliger, um schlussendlich in den etwas schnelleren Hardrock zurück zu finden, den sie zu Beginn ihrer Vorstellung serviert hatten. Das Publikum honorierte die Leistungen der Hardrocker mit Mitsing-Spielchen und kräftigem Applaus, so dass die Jungs zum Schluss nicht um eine Zugabe nicht herum kamen. Ein definitiv gelungener Auftakt des mittleren Festivaltages! (Nic)

Mayqueen
Nach den Schweizer Poppern Core 22 (so etwa Natascha oder Sina, einfach auf Englisch...) hiess es "We Will Rock You", nämlich durch die deutsche Equipe namens Mayqueen. Diese reine Queen Tribute Band machte es sich denn während einer Stunde zur Aufgabe, auf der sonnigen Aussenbühne den Spirit der wohl grössten Classic Rock Band ever auferstehen zu lassen. Dabei war es allen voran an Sänger Mirko Bäumer, den verstorbenen Freddy Mercury entsprechend wiederzugeben und dies sowohl mit Verehrung als auch Distanz. So passte seine hohe und klare Stimme so hervorragend zu dieser Rolle, wie die rote Lederhose und das dazugehörende, weisse Leibchen. Mit original interpretierten und so kongruent wirkenden Versionen von Übersongs wie "I Want To Break Free", "Somebody To Love" oder "Don't Stop Me Now" versetzten sie das Publikum somit in beste Feierlaune, liessen aber natürlich mit den ganz grossen Hits der Band, namentlich "Radio Gaga", "Bohemian Rhapsody" (da muss ich einfach immer an die Szene aus Wayne's World denken...), "We Will Rock You" und "We Are The Champions" bis zum Ende warten, wo dann die Reaktionen noch mal richtig, ja wirklich richtig laut wurden. Musikalisch wie in Sachen Frontmann Queen pur, dies lediglich mit zwei Abstrichen. Zum einen wirkte die Band recht lethargisch und bot überhaupt keine Anzeichen, sich bewusst zu sein, aufzutreten und zum anderen halt der fehlende Bombast. Queen steht für mich schlichtweg für grosses Rock-Kino und dies kann eine Band, die Nachmittags um vier Uhr spielt, einfach nicht bieten..., es sei ihnen aber verziehen. (Kis)

Uriah Heep
Halb sechs Uhr abends ? und immer noch den bratenden Feuerball namens Sonne am Himmel, sprich draussen Hitze pur. Uriah Heep waren auf der grossen Bühne angesagt. Da die beiden Bühnen wegen dem schlechten Wetter am Freitag kurzfristig getauscht wurden und somit die kleinere Bühne draussen und die grosse in der Halle aufgebaut waren, hätte man eigentlich meinen können, es gäbe für die nächsten 75 Minuten gute Musik bei angenehmen Temperaturen. Aber weit gefehlt, denn die sehr gut gefüllte Halle brodelte bereits, als die fünf gestandenen Herren von Uriah Heep die Bretter betraten. Als dann die ersten Töne der Briten erklangen, gab es definitiv kein Halten mehr. Mit ihrem typisch blueslastigen Easy-Hardrock der 70er-Jahre eroberte die Truppe um das letzte verbliebene Ur-Mitglied Mick Box die Zuhörer im Sturm. Dass die Songstrukturen der einzelnen Titel mit zum Teil nur genau drei Akkorden fast schon unverschämt einfach und banal waren, störte niemanden. Kein Wunder, denn wer es versteht, diese drei Akkorde dafür so genial verpackt in eingängigen Rock-Hymnen zu präsentieren wie Uriah Heep, dem sei die Banalität verziehen. Und wie heisst es doch so schön: Manchmal ist weniger mehr ? was in diesem Fall ganz eindeutig zutraf. Das Publikum war erstaunlicherweise bunt gemischt von Jung bis Alt, und obwohl die jüngere Generation die Akteure des Geschehens wohl nicht sonderlich gut kannte, klatschte und bangte sie bei Klassikern wie "Easy livin'" oder "Lady In Black" doch mindestens ebenso kräftig mit, wie die alteingesessenen Kenner der Band. Den Herren selbst war die Spielfreude auch nach satten 35 Jahren Bandbestehen immer noch deutlich anzusehen und auch der Humor ist ihnen in dieser Zeit offenbar nicht abhanden gekommen. Sänger Bernie Shaw meinte über seinen Mitstreiter Mick Box nur: "He can play any guitar as long as it's black!" Na, dann hoffen wir doch einmal, dass es in zehn Jahren immer noch schwarze Gitarren gibt! (Nic)

Manfred Mann's Earth Band
Nach der herausragenden Vorstellung von Uriah Heep war es eine Stunde später an Manfred Mann und seiner Truppe, die gute Stimmung beizubehalten. Zuerst schien es so, als könnten die Jungs diese Aufgabe nicht erfüllen, denn nach dem ersten Song klatschte das Publikum zwar ziemlichen Beifall, doch fiel er weit weniger euphorisch aus, als zuvor bei ihren langjährigen Labelpartnern Uriah Heep. Die Band, welche über eine über 35-jährige Bühnenerfahrung verfügt, rockte dennoch unbeindruckt los und gewann schlussendlich auf der ganzen Linie. Klassiker wie "Blinded By The Light" überzeugen nach wie vor mit einer guten Mischung aus rhythmisch-rockigem Sound und gefühlvollen Soli. Mit "Mighty Queen", das im Original im Gegensatz zu "Blinded By The Light" nicht von Bruce Springsteen, sondern von Bob Dylan stammt, zeigten die fünf Musiker zum Schluss nochmals ihr Können und streuten bewusst musikalische Zitate von Deep Purple's "Smoke On The Water" ein, was die Zuhörer sehr zu schätzen wussten. Das Rocksound Festival war in diesem Jahr ein Tribut an die 70er-Jahre. Mannfred Mann schien dies begriffen zu haben. Und so schwelgten nach dem Konzert noch viele Besucher in Erinnerungen, oder die Jüngeren in Vorstellungen daran, wie es damals gewesen sein könnte. (Nic)

Within Temptation
Wahnsinn! Man könnte Within Temptation fast schon als die Abräumer des Tages bezeichnen, denn die Konzerthalle war von der ersten Minute an gerappelt voll. Wurden schon die fünf Jungs der Symphonic Metaller mit tosendem Applaus empfangen, doch dies war noch nichts im Vergleich zu dem für die etwas verzögert auf der Bühne erscheinende Sängerin Sharon den Adel. Und dann legte das Sextett auch gleich mächtig los. Mal begann die Truppe mit zarten, sanften, zum Teil fast schon wehleidigen Engelsklängen von Sharon, um danach in ein gewaltiges Riffgewitter auszubrechen. Ein ander Mal hielt sie es exakt umgekehrt und startete mit Brachial-Riffs in den Song, um hinterher in der Strophe zur Ruhe zu kommen. Doch egal, welchen Weg die Holländer auch einschlugen, es gelang ihnen immer, den Zuhörer in wunderschöne Traumklangwelten zu entführen. Natürlich durfte für das Gelingen solcher Ziele auch das entsprechende Ambiente nicht fehlen. Zwei grosse Steinsäulen, mit Efeu-Ranken dekorierte Engel, massenhaft Nebel aus der Trockeneismaschine und vor allem aber eine perfekt auf die Musik abgestimmte Licht-Show erzeugten eine durchweg mystische, sphärische Grundstimmung. Der weiche Timbre von Sharons Stimme sowie auch ihre eleganten, fliessenden Bewegungen unterstützen das ganze Bild noch zusätzlich. Eindeutig stand Madame den Adel im Zentrum des Geschehens, was bei ihrer Erscheinung, ihrer Ausstrahlung und nicht zuletzt auch wegen ihrem theatralischen Talent nicht weiter verwunderte. Aber auch die Herren der Schöpfung hatten ihre Momente und bewegten sich auf der Bühne fast mindestens ebenso viel wie ihre Frontfrau selbst. Soweit bot die Band einen mehr oder weniger makellosen, fast perfekten Auftritt. Woran sie aber eindeutig noch feilen kann, ist an der Abwechslung der Songs, denn mit der Zeit schlich sich dort eine gewisse Monotonie ein, was den Auftritt schlussendlich etwas eindimensional wirken lies. Ansonsten aber eine wirklich reife Leistung, die ich gerne ein weiteres Mal bewundern werde. (Nic)

AC/DC Revival Band
Mancher wird sich wohl im Vorfeld des Festivals gefragt haben, was eine Coverband um diese späte, prominente Stunde auf der Nebenbühne verloren habe, während eine Band wie Pure Inc., die mit eigenen Songs überzeugen, den Posten des Openers innehalten musste. Nun, das Konzept mit dem Spielplan schien aufzugehen, denn der Platz vor der Nebenbühne war voll, als die AC/DC-Coverband pünktlich um 23.00 Uhr loslegte. Das Publikum freute sich über neue und ältere AC/DC-Klassiker à la "Live Wire", "Stiff Upper Lip" und "Dirty Deeds Done Dirt Cheap". Sänger Armin Petrasch überzeugte sowohl bei den Bon Scott und bei den Brian Johnson Stücken, obwohl er optisch eher Bon Scott glich. Bei "Hells Bells" wurde sogar die Höllenglocke ausgepackt, an welchen "Brian Johnson" zum Schluss auch rumturnte. Die "AC/DC Revival Band" bot eine authentische AC/DC-Show, bei der selbst die obligaten Striptease Spielchen bei "Bad Boy-Boogie" vom "Cover Angus Young" nicht fehlen durften. Bei "The Jack" entdeckte unsere Gastautorin Nicole dann verdattert, aber punktgenau die Essenz von AC/DC: "Das Lied ist ja ein ganz normaler Blues! Und ein sehr einfacher dazu, ich höre nur gerade drei Akkorde!" Tja, viel mehr braucht ein guter Song auch nicht. Und so schunkelte das Publikum bis zum Schluss bei weiteren Hits wie "Thunderstruck", "Highway To Hell" und "For Those About to Rock We Salute You". Bei Letzterem natürlich mit den obligaten Kanonen. Die AC/DC-Revival-Band weckte dann auch das Bedürfnis, das Original endlich wieder mal live zu sehen. Und so muss das auch sein, denn Coverbands sollten uns ja die Wartezeit auf das Original verkürzen. (Rog)

Saxon
Tragisch aber wahr, der Umstand dann, dass die nun folgenden Saxon, in Metalkreisen bekannt als eine der besten Livebands überhaupt, beim diesjährigen Publikum auf weniger Interesse stiessen als Within Temptation oder Uriah Heep. Denn fünf Minuten vor Konzertbeginn befanden sich vielleicht gerade mal 1000 Leute vor der Bühne. Wenigstens änderte sich dies während dem Intro hin zum Guten und so strömten die Besucher doch noch ansehnlich herbei. Doch wenn sich einer nicht von einer wenig mehr als halb gefüllten Halle irritieren lässt, dann ist das sicher Biff Byford, der Hüne mit dem schneeweissen Haar und den rabenschwarzen Augenbrauen. Mit "Lionheart" eröffneten die Briten, um erstaunlicherweise gleich mit "Heavy Metal Thunder" nachzulegen, einer der unzähligen Übernummern Saxon's. Sogleich fiel dann auch auf, dass der halt schon reichlich verzerrte Sound der Sachsen nicht nur dem einen oder anderen Festivalbesucher zu hart war, und so blieb die Halle spärlich gefüllt, was angesichts des folgenden "Dogs Of War" nicht wirklich störte, machte man halt selbst umso mehr Party! Dazu lud "Strong Arm Of The Law" natürlich förmlich ein, wozu sich auch der sonst eher ruhige Paul Quinn bewegte, wie schon lange nicht mehr. Biff, wie immer in Topform, konnte bei den kreischenden Lines von "Witchfinder General" noch mehr überzeugen und rannte auch bei "Backs To The Wall" und "Solid Ball Of Rock" von einem Bühnenende zum anderen (die Bühne präsentierte sich übrigens im gewohnten Saxon-Outfit, das heisst mit Metall-Gittern und dem roten, klassischen Saxon-Banner). Während "Motorcycle Man" riss dem Herrn Quinn eine Saite, weshalb Biff nach dem Song sofort überbrückte und das mit der Frage der Fragen: "An old song or a new song?". Auf den Vorschlag "Crusader" konnte sich der Hüne dann nicht verkneifen, ein knappes, sarkastisches "Zum Glück sind wir hier nicht in Dubai" loszulassen (Saxon wurde es wegen den sich um die Kreuzzüge drehenden Lyrics dieses Songs verboten, am dort stattfindenden "Desert Rock Festival" teilzunehmen, da sonst jene blutigen Feldzüge der Christen gegen den Islam verherrlicht würden). Überraschend wählte man "Dragon's Liar" vom "Killing Ground" Album (2003), was auch das Publikum überraschte, das damit nicht wirklich viel anfangen konnte. Doch da "To Hell And Back Again" nicht nur der Titel der im Herbst erscheinenden Live-DVD sein wird, sondern auch ein ultrageiler Song, konnte die Stimmung wieder in Metal-Party-Laune-Zonen katapultiert werden, zumindest bei den wenigen Besuchern, die Saxon auch wirklich kannten, denn beim Herumblicken wirkte die Zuschauerschar wirklich ziemlich zurückhaltend und eher beobachtend, statt agierend. Egal, dachten sich die Briten und setzten in Sachen Stageacting und Dauerbewegung noch einen drauf, während sie mit "Denim & Leather" und "Princess Of The Night" das reguläre Set beendeten und erschöpft von der Bühne abzogen. Doug Scarratt eröffnete danach mit einem gefühlvollen Gitarren-Solo den Headbang- beziehungsweise Mitsing-Overkill: "Wheels Of Steel", mit dem obligatorischen Singalong-Part, erfreute den Fan und dann, endlich: "Crusader"! Besser kann eine Liveband einfach nicht sein, denn was kann diese Metal-Bastion, die jetzt schon seit Dekaden fast ununterbrochen die Bretter dieser Welt rockt, mehr bieten als Spielfreude, Energie und geile Songs? Das Ende dieses abwechslungsreichen Samstag's bedeutete dann auch gleichzeitig das Ende unserer Präsenz am "Rock Sound Festival", und dies mit der Erkenntnis, dass der Sonntag (ausser der ausgedehnten Saiten-Akrobatik Joe Satriani's) nichts mehr zu bieten haben würde. (Kis)
 

Vor Ort dabei waren (vlnr):
Kissi, Roger W. & Nicole