Bang Your Head !!! - Festival 2019
Samstag, 13. Juli 2019 (Dritter Tag) / Balingen (D) - Messegelände
By Rockslave (rsl), Oliver H. (oli) & Tinu (tin) - All Pics by Rockslave & Tinu
Screamer
Nachdem die ersten beiden Tages-Opener Stormwarrior und Traitor soweit in Ordnung gingen, aber sicher nicht herausragend waren, sah das am dritten Tag etwas anders aus. Die schwedischen und 2009 gegründeten Screamer (nicht zu verwechseln mit den Prog Power Metal Amis) sah ich vor sieben Jahren erstmals live in der Schweiz. Der knackige Heavy Metal mit mehr oder weniger deutlichen Reminis-zenzen an die frühen Iron Maiden und etwas alten Motörhead überzeugte auf Anhieb, und das Debüt-Album «Adrenaline Distractions» befand sich bald darauf als wertiges Vinyl in der heimischen Tonträger-Sammlung. Zurück in der Gegenwart stellt man fest, dass das Line-up von damals, bis auf Drummer Henrik Petersson, komplett geändert hat. Das Gewichtigste davon ist der neue Frontmann Andreas Wikström, der seit 2015 an Bord ist und eine etwas andere Gesangsstimme als sein Vorgänger Christoffer Svensson besitzt. Geblieben ist zum Glück die Mucke, und diese weist immer noch die gleichen Trademarks auf. Mitunter wurde mit «Highway Of Heroes» ein brandneuer Track gespielt, der auf dem kommenden Album (VÖ im Oktober) vertreten sein wird. Screamer nutzten ihre fünfzig regenfreien Minuten auf jeden Fall optimal aus und waren klar der beste Tagesopener des ganzen Festivals! Das bescherte entsprechend wie verdient den grössten Publikumsaufmarsch für die erste Band des Tages. (rsl)


RAM
Tja, mit RAM ist das so eine Sache. Irgendwie haben sie durchaus etwas Interessantes an sich, andererseits kehrt schneller musikalische Lange-weile ein, als man "piep" sagen kann. Ihr Auftritt zur Mittagszeit liess aber hoffen, denn Frontmann Oscar Carlquist erklärte den Anwesenden kurz, dass Heavy Metal kein Sonntagsausflug sei, sondern es um Blut, Schweiss und Ehre gehe. Verwirrung machte sich unter den Zuschauern breit, und der Typ in Lederkluft auf der Bühne hatte schon nicht mehr die besten Karten. Es half auch nicht, dass die stets grimmig dreinblickenden Schweden, mit viel Leder und Nieten Eindruck schinden wollten. Sie legten danach ziemlich gut los und ihre Lieder von eisernen Tyrannen und Thronräubern kamen recht gut an, wobei ausgerechnet der Gesang von Beginn an schwer zu hören war. Ob deshalb oder anderweitig, die Band wirkte etwas steif und gehemmt. Für Lacher sorgten die Ausführungen zum neuen Song „Ravnfell“, zu dem sich Carlquist auf die Brust klopft und über Dinge in seinem Blut faselt, die offenbar noch älter sind als die „beschissenen Wikinger“. Who cares? Schnell wurde es Vielen auf dem Platz zu öde und die Reihen lichteten sich zusehends. Gerade am dritten Tag des Festivals ist es schon eine Überlegung wert, die Kräfte zu schonen und für die Headliner zu sparen. So hörte manch einer noch aus der Ferne, die Klänge, die nicht so recht überzeugen konnten. (oli)



Flotsam And Jetsam
Sie waren das absolute Highlight an diesen drei Festivaltagen. Was Flotsam And Jetsam an Melodien, filigraner Technik, Spielfreude und donnernden Rhythmen boten, suchte Seinesgleichen! Alleine schon Schlagzeuger Ken Mary markierte mit seiner unglaublichen Stickshow den Höhepunkt schlecht-hin, wie man das heute nur noch sehr sehr selten zu sehen bekommt. Oder wer von Euch hat schon jemals eine Thrash-Band mit solch einem coolen Showtypen gesehen? Es war ein Feuerwerk, welches mit Sänger Erik A.K. den passenden Dirigenten besass, der immer wieder bangend am Bühnenrand stand und stets in Bewegung war. Die schiere Gitarrenpower zu Songs wie «Iron Maiden», «Hammerhead», «Suffer The Masses» (wurde in letzter Zeit zu oft vergessen im Set!), «Dreams Of Death», «I Life You Die» und der Oberhit «No Place For Disgrace» liessen absolut nichts anbrennen, und selbst der Opener «Prisoner Of Time» bewies eindrücklich, dass die Herren noch immer in der Lage sind, neue Klassiker zu schreiben. Das, was die Amis da ablieferten, war uneingeschränkt ganz grosses Kino, das für alle nachfolgenden Bands am «Bang Your Head!!!» zum unerreichbaren Massstab wurde! Eine letztlich späte, um nicht zu sagen zu späte Ehre für eine unter Wert gehandelte Hammer-Band, die weitaus mehr Erfolg verdient gehabt hätte! (tin)
 


Armored Saint
Nach der Steilvorlage der Flots standen Armored Saint vor der schweren Aufgabe, als nachfolgende Truppe den Level halten können. Das schafften John Bush & Co. nicht ganz, auch wenn die ganze Truppe einmal mehr eine grandiose Live-Show bot. Aber es war die eingespieltere Einheit, welche Flotsam And Jetsam im direkten Vergleich als klare Sieger von der Bühne steigen liess. Auch wenn das Saint-Set mit «Underdogs» und «Nervous Man» zwei kleine Überraschungen bot, die wie die berühmte Bombe einschlugen. John singt noch immer wie ein Gott und es gibt wohl keinen agileren Bassisten aus den Staaten als Joey Vera, der erneut mit seinem Instrument verschmolz sowie mit seiner Gestik und Mimik immer wieder seine unbändige Spielfreude zum Ausdruck brachte. "They came, the saw, the conquer!" Und das nicht zu knapp. Wieso Flotsam und die Saints aber so früh auf die Bühne mussten, bleibt wohl für immer ein kleines Geheimnis. Leider blieb rückblickend beiden Truppen der grosse Erfolg verwehrt, auch wenn sie laufend Gottesgaben an neuen Werken veröffentlichten. Nach dem bis anhin eher durchzogenen Programm entschädigten Flotsam And Jetsam wie auch Armored Saint für vieles und liessen zumindest den Schreiber dieser Zeilen mit einem fetten Grinsen im Gesicht zufrieden von dannen ziehen. (tin)


Candlemass
Heuer standen die schwedischen Kult-Doomster zum insgesamt vierten Mal auf der Bühne des BYH!!! - 2002 wurde in Zusammen-hang mit der einher gehenden Reunion von 2001, respektive der Rückkehr des charismatischen Messiah Marcolin, Geschichte geschrieben. Dieser Wahnsinns-Gig wurde nachfolgend als offizielles Live-Album veröffentlicht und erzeugt immer noch Gänsehaut. 2005, begleitend zum selbst-betitelten Hammer-Album, wurde dann aber bereits wieder das Ende der zweiten Marcolin-Ära eingeläutet. Es sollte danach ganze elf Jahre dauern, bis Candlemass mit Mats Levén (2006, 2015 bis 2018) als Leadsänger wieder in Balingen auftauchten, der in der Zeit den geschassten Rob Lowe (2006 bis 2012) ersetzte. Im Februar erschien «The Door To Doom» als zehntes Studioalbum, und dies war verbunden mit der überraschenden Rückkehr von Ur-Sänger Johan Längquist, der ja das legendäre Debüt «Epicus Doomicus Metallicus» (1986) als "Guest" eingesungen hat. Die neue Scheibe schlug ordentlich ein, und schon am "Sweden Rock" konnte ich miterleben, wie der Kreis nicht treffender hätte geschlossen werden können. Wie schon im hohen Norden litt der sonst gute Gig ebenso an der viel zu frühen Tageszeit! Wer will denn Candlemass schon um 16:00 Uhr sehen?! Dadurch ging einiges verloren, und zudem fehlte es deutlich an Durchschlagskraft. An Johan Längquist (56) lag dies jedoch eindeutig nicht. (rsl)


Metal Church
Eigentlich hätten Metal Church den gleichen Siegeszug antreten müssen, wie Armored Saint und Flotsam And Jetsam. Doch die Truppe um Gitarrist und Mainman Kurdt Vanderhoof wählte einerseits den falschen Einstieg in das Set («Damned If You Do», «Needle And Suture») und andererseits blieben einige Klassiker überraschender-weise im Gitarrenkoffer liegen. Auch wenn Mike Howe einmal mehr toll sang, im direkten Vergleich mit den beiden genannten Bands aus der Heimat enttäuschte die Kirche sichtlich. Und dies obschon «Watch The Children Pray» mit lauten Fangesängen untermalt wurde. Auch die ansonsten klaren Gassenhauer wie «Start The Fire» und «Gods Of Second Change» hinterliessen nicht den nötigen Druck, den man sich wünschte. Mike versuchte zwar mit seiner agilen Performance und wie ein Duracell-Häschen über die Bühne hüpfend das Steuer noch entscheidend herum zu reissen. Doch es gelang ihm bei aller Anstrengung nicht, diesen Gig dennoch zu einem Siegeszug werden zu lassen. So blieb die Ernüchterung, dass auch Metal-Götter einmal einen mittelmässigen Tag einziehen können. Klar, im Vergleich zu anderen Bands war dies noch immer ein klasse Gig, aber für eine MC-Show doch sehr ernüchternd. Selbst «Fake Healer» als vermeintlich treffender Rausschmeisser konnte das Ruder nicht mehr herum reissen, und wo blieb eigentlich der Übersong «Metal Church»?! (tin)


Skid Row
Bei Skid Row war zum Glück Dave "Snake" Sabo zurück. Im Vergleich zum "Sweden Rock"-Gig war die Show in Balingen um einiges besser und riss das Publikum förmlich mit. Es ist einfach die Präsenz von "Snake", der die Fans mit einem blossen Lächeln zum Ausrasten bringen kann und der mit seinem Gitarrenspiel das bestimmte Etwas auslöst. «Slave To The Grind», «Sweet Little Sister» und «Big Guns» waren die ersten Songs, die sogleich von Balingen lauthals mitgesungen wurden. Skid Row gaben der Meute, was sie wollte. Als direkt danach mit «18 And Life» der erste riesengrosse Hit gespielt wurde, gab es kein Halten mehr. Der Refrain, die Intensivität, welche dieser Track noch immer in sich trägt, zauberte Gänsehaut auf den Körper der Anwesenden. Ebenso wie die Grimassen von Scott Hill, der alleine mit seinen Augen furchteinflössend wirkte. Bassist Rachel Bolan ist und bleibt einer der coolsten Bassisten und ein starkes Bindeglied im Bandgefüge. Der Punker sang erneut «Psycho Therapy» von den Ramones und sorgte für gewaltigen Druck. Sänger ZP Theart zeigt sich dieses Mal nicht als kleine Kopie von Ur-Shouter Sebastian Bach, sondern beschränkte sich darauf, sich selber zu sein, was ihm und der Show sehr gut tat. Er sang von Song zu Song besser und hatte Balingen fest im Griff. Klar leben die Jungs von ihrer musikalischen Vergangenheit, die ihnen auch millionenschwere Verkäufe einbrachte. Mit «I Remember You», «Makin' A Mess» und natürlich «Youth Gone Wild» kam das grosse Finale und liess Skid Row endlich wieder als die Band auftrumpfen, wie man sie sich wünscht. Ganz geile Show einer nach wie vor geilen Truppe. (tin)


Avantasia
Dann war es endlich soweit. Avantasia um Frontmann Tobias Sammet gaben sich als Höhepunkt des dritten Tages die Ehre. Seine Geschichte ist schon beeindruckend, wie er aus dem Dörfchen Fulda zu einem international bekannten und respektierten Sänger und Organi-sator eines Mammut-Projektes wurde. Während der letzten Jahre habe ich immer wieder Auftritte von ihm besucht, die grösstenteils grandios waren. Auch in Balingen hat der Meister wieder eine riesige Produktion auf die Beine, respektive auf die Bühne gestellt. Im Zentrum stand dabei natürlich seine neue Scheibe «Moonglow», wobei auch die alten Klassiker keineswegs fehlten. Sechs Stücke des neuen Werks nahmen etwa vierzig Minuten der 150 Minuten dauernden Show ein, eine gute halbe Stunde wurde gelabert und der Rest war Avantasia-History. Wo Avantasia draufsteht, stecken auch immer illustre Gäste drin. Sänger wie Jorn Lande und Bob Catley, die schon fast zum Inventar gehören, brillierten auch an dieser Show wieder. Daneben waren noch Geoff Tate und Eric Martin am Start. Ronnie Atkins fehlte an diesem Konzert, da er mit den "Maids" selber einen Auftritt hatte. Dafür stand Tobias Sammet erstmals deutlich mehr im Mittelpunkt, als man es von anderen Tourneen kennt. Macht grundsätzlich nichts, ausser dass der sympa-thische Frontmann dadurch noch mehr Zeit zum Quatschen hatte, als er es üblicherweise schon tut. Einmal querbeet und wieder zurück lautete die Devise. Kein Album wurde ausgelassen, und das Publikum dankte es mit Gesang und frenetischem Applaus. Einen Extra-applaus erhielt Tobi, als er das Publikum zu mehr Enthusiasmus aufforderte, indem er anmerkte, dass sich auch Veranstalter Horst "den ganzen Kasperkram hier anhören muss". Obwohl bei Avantasia alles auf dem Erzählen von Geschichten und bunter Show beruht, wirkt der ganze Tross niemals angestrengt oder gekünstelt. Im Gegenteil: sie strahlen aus, dass sie jede Menge Spass bei der Sache haben, auch als der Sänger die Show unterbrach, weil sich Schlagzeuger Felix Bohnke angeblich einmal verspielt hatte. Avantasia waren ein echter Headliner mit opulenter Bühne, abwechslungsreicher Show und tollen Melodien. Ihr Auftritt war mit Sicherheit ein Höhepunkt des diesjährigen Bang Your Head!!!-Festivals, und im Anschluss gabs noch das obligate Feuerwerk oben drauf. (oli)



 
Fazit: Das diesjährige BYH!!!-Festival gehört zur Sorte "eher nass" und bot dennoch ein abwechslungsreiches Programm. Klar fehlten diesmal grössere Namen im Billing, aber es war schon bezeichnend, dass erfolgsmässig "kleine Bands" wie Flotsam And Jetsam oder Armored Saint zeigten, wo der Hammer wirklich hängt. Des Weiteren entpuppten sich Venom Inc. in der Halle als Sieger auf der ganzen Linie und lieferten eine denkwürdige wie sehr intensive Performance ab! Aus Schweizer Sicht gaben sich Krokus insgesamt keine Blösse und verabschiedeten sich hiermit definitiv aus Balingen. Skid Row ohne Sebastian Bach? Was für viele Fans so eigentlich nicht funktioniert, wurde durch ZP Theart klar widerlegt, allerdings ohne das Original zu erreichen, geschweige denn zu übertrumpfen. Unter dem Strich bleibt die Ausgabe 2019 des BYH!!!-Festivals trotz des nervigen Wetters als weiteres Jahres-Highlight in bester Erinnerung! (rsl)
 
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