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Muss man an manchen
Festivals buchstäblich den Wecker stellen um auch wirklich keine
Band zu verpassen, erwies sich die Situation am Rock Sound
Festival etwas gemütlicher: Erst um 14:00 Uhr knallte am Samstag
nämlich der musikalische Startschuss in die zweite Runde
Rockspektakel. Wiederum überraschten Newcomer (Hellmute, Volbeat),
wiederum unterhielt Altbewärtes (Die Apokalyptischen Reiter, QL
& Gotthard) , wiederum zog man ganz grosse Klassiker (Thunder
und Alice Cooper) aus dem Hut und so konnte sich Herr und Frau
Schweizer-Rocker an den verschiedensten Stilrichtungen satt
hören. Auffallend an diesem Tag waren dabei die grossen
Konzertbesucher-Schwankungen, welche von Band zu Band auftraten.
Denn egal zu welcher Zeit: Wie viele Zuschauer den Weg in die
Halle fanden war der wahre Indikator für die Beliebtheit der
Truppe. (Kis)
14.00 - 14.40 Hellmute
15.00 - 15.40 Redeem
16.00 - 16.45 QL
17.15 - 18.00 Volbeat
18.30 - 19.15 Die Apokalyptischen Reiter
19.45 - 20.30 Samael
21.00 - 22.00 Thunder
22.30 - 00.00 Gotthard
00.30 - 02.00 Alice Cooper
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Hellmute
Selten habe ich mich auf den Opener, der um zwei Uhr Nachmittags
startete so gefreut wie an diesem Tag, und selten war meine
Vorfreude an einem Festival so
berechtigt, denn Hellmute, das energiegeladene Trio aus
Zofingen/Aarau waren, sind und bleiben eine der Party-Bands
dieses Landes, und dies bewiesen die Schweinerocker auch ohne
Umschweife auf dem Rock Sound Festival, obwohl sich zuerst nur
etwa 20 Nasen vor der Bühne versammelten. Mit "The He-Shes
Strike Back" hat der Dreier dieses Jahr den perfekten Nachfolger
zum grossartigen "Revenge Of The He-Shes" abgeliefert, und so
reihte sich nahtlos ein spartanisch roher Party-Kracher der
Marke "Order Me A Drink", "The Slave", "Keep On Rollin", "Shy
Fly" oder "Portable Woman" an den anderen. Basser und Frontmann
Kudi röchelte in bester Lemmy-Manier ins Mikro, Klampfer Schwe
liess mit Kippe im Mund den kaputten Rockstar raushängen und
Felldrescher Pidi drummte sich tight den Arsch ab, allesamt
reichlich besäuselt wirkend, was am Ende dazu führte, dass man
das Publikum den 'Rägeboge' machen liess und Kudi seine
verschwitzten Brustnippel lasziv rieb... Das war mal ein
Rock-Weckruf! (Kis)
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Redeem
Danach ist einer der Rock-Senkrechtstarter der vergangenen Zeit
am Start: Redeem, das junge Alternative Rock-Trio aus dem
Mittelland weiss gerade bei den jüngeren, weiblichen Fans sofort
zu gefallen, nicht nur mit dem typischen Flair amerikanischer
Mtv-Rocker, sondern auch mit dem passenden Sound. In der
Schnittmenge internationaler Chartstürmer wie Creed, Nickelback
oder Audioslave groovte sich Frontmann Stefano Paolucci mit
seinen Mannen durch ihr Set, mit welchem sie den Spassfaktor und
die Energie, die Hellmute zuvor zelebrierten, jedoch nicht
erreichten. Zu unauffällig das Stage-Acting, zu seicht zeitweise
Songs wie die im Radio wie im Fernsehen gespielte Ballade "Alive",
welche einer gewissen Daniela gewidmet wird. Die rifflastigen
Nummern "Look Around" oder das neue, exklusiv vorgetragene
"Lost" konnten dagegen noch den Einen oder Anderen mehr zum
Mitmachen bewegen, und Sympathie-Punkte ernten konnte man
natürlich auch mit Sprüchen wie: „Kauft Scheiben und T-Shirts
von uns, holt euch Autogramme, vergewaltigt uns, wir bieten
euch, was ihr wollt!“ Lockerer als auch schon, aber sicherlich
noch zu verbessern. (Kis)
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QL
In bierseliger Stimmung, in dieser musste das Publikum bei QL
schwelgen, denn dann macht der schweizerdeutsche Party-Punk der
Bieler erst wirklich Spass. Dass die Jungs sich dabei wegen
ausgedehntem Drum-Check etwas verspäteten nahm ihnen spätestens
zu Songs wie "Ängu", "W. Nuss" oder "Ewigi Liebi" niemand mehr
übel, und bei solchen Songs war eben auch Feierlaune angesagt,
egal ob am Gurten, in Frauenfeld oder eben am Rock Sound
Festival, QL sind begnadete Spassmacher, wissen jedes Publikum
zu animieren und stellen so immer eine gute Wahl für ein
Festival-Billing dar (2005 hatte man die Jungs mit Erfolg rocken
lassen). Dass das Ganze dann doch etwas sehr nach Plastik und
VIVA klang, schien indes auch niemanden zu kratzen, denn ob in
Cradle Of Filth-, Hammerfall- oder Soulfly-Shirt, die Menge
tobte, liess mit sich alles machen: Mal kreischte der weibliche,
mal grölte der männliche Teil, gerade die jüngeren Scharen
klatschten und jubelten euphorisch. Gerade das Emmentaler
Publikum kannte dabei natürlich die Texte von Volksliedern wie "Voguliesi"
oder "Es Buurebüebli" besonders gut, und so konnten QL auf
ganzer Linie punkten, trotz einer eher routiniert als spritzig
wirkenden Show. Überraschend gelungen, wenn ich dafür auch noch
ein paar Becher Gerstensaft mehr gebraucht hätte. (Kis)
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Volbeat
Kein Newcomer hat im Metal-Europa des Jahres 2007 für so viel
Furore gesorgt wie die nordischen Elvis-Rocker Volbeat. Der aus
Dänemark stammende Fünfer um Haartollen-Träger Michael Poulsen
zog dabei so viele Leute aus dem Sonnenlicht wie QL, dies hiess
aber nicht, dass es die R n' R-Metaller nicht verstehen würden,
eine Halle in Schutt und Asche zu hämmern. Mit voll aufgedrehter
PA und geschlossen in Schwarz gekleidet machten Volbeat aber
auch gar keine Gefangenen. Mit ihrem Zweitling "Rock The Rebel /
Metal The Devil" landeten die Skandinavier (gehört Dänemark
eigentlich zu Skandinavien?) eine Hammer-Scheibe, und auch live
konnten die Jungs mit all ihren Trademarks aufwarten:
Ultraverzerrte Gitarren im Hillbilly-Rhythmus und stampfende
Drums werden veredelt von der ölig, tiefen, doomigen Stimme des
Front-Halbstarken Poulsen, dessen durch Pomade glänzende Tolle
von Song zu Song weniger in Form stand, denn schweisstreibend
war diese Performance allemal, auch wenn das Publikum doch eher
als lahm zu bezeichnen war. Zwar bangte man zeitweise munter und
gelegentlich machten sich auch Anzeichen eines Pogos deutlich,
doch im Ganzen wirkten die Anwesenden eher erschlagen als
angetrieben. Ganz anders Gitarrist Thomas Bredahl, der die
sprichwörtlichen Hummeln wohl nicht nur im Allerwertesten,
sondern in sämtlichen Gliedmassen zu beherbergen schien,
zappelte er doch permanent herum. Einziger Negativpunkt
schliesslich war das etwas zu gleichförmige Material, das auf
Dauer nicht mehr zu fesseln vermochte, auch wenn dieses
Konglomerat aus Party, Death und Doom-Stimme mit Rock n'
Roll-Attitüde an sich wirklich Spass macht. (Kis)
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Die Apokalyptischen
Reiter
"Wollt ihr die absolute Reitermaniaaaa?!" – Was für eine Frage,
Leute, natürlich wollten wir sie und gleich vorneweg: Wir haben
sie bekommen, denn wo Reiter draufsteht, da sind die Reiter auch
drin! Nach pathetischem Intro stieg man mit "Friede sei mit dir"
ein und ging gleich aufs Ganze, allen voran Hauptreiter Fuchs,
der seine Zuschauer wie seine Mannen auf der Bühne unermüdlich
anpeitschte. Dabei zeigte sich die Konzerthalle wieder beinahe
so voll wie bei QL's Gig, und auch in Sachen Stimmung konnten
die Weimarer Exzentrik-Metaller locker mithalten. Nicht nur,
dass Tieftöner Volk-Man sich die Rübe schwindelig propellerte
und Tasten-Freak Dr. Pest mit SM-Maske im Käfig den Irren gab,
nein, die Reiter hatten auch reichlich Interaktions-Spass
mitgebracht, der weit über das übliche Sing-Along hinausgeht. So
forderte z.B. Fuchs "Alles, was Brüste hat" auf, die Bühne zu
entern. Dabei kam ihm die ängstlich penible Security in den Weg,
die da gar nicht mitmachte was dazu führte, dass man den Doktor
auf sie ansetzte, der die Sicherheitsleute prompt mit seiner
Peitsche zu züchtigen begann, so dass man zumindest eine holde
Dame auf die Bühne kriegte, die von Fuchs darauf zu "Sehnsucht"
wollüstig angesungen wurde. Luftbälle zum Spielen gab's dann zu
"We Will Never Die" geschenkt, und bei "Kleiner Wicht" durften
sich zwei Fans im 'Menschenmeer auf Luftmatratze überqueren'
messen (Preis: Apo. Reiter-Fanpackage). "Reitermania", "Sonne"
und "Dschingis Khan" gaben der durchgeknallten Meute (gemeint
sind sowohl Band wie Publikum) schliesslich den rasanten Rest,
und so war sich nach diesem kurzweiligen und abwechslungsreichen
Spektakel jeder Beteiligte sicher, dass es niemand Anderes als
die Reiter gibt, der gleichzeitig so brachial, verstörend,
humorvoll und unterhaltend sein konnte. Kann sich denn da jemand
wirklich über den etwas schwachen, undifferenzierten Sound
ärgern? (Kis)
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Samael
Eigentlich gibt es bloss drei Sorten, wie man Samael finden
kann: Entweder man kennt sie nicht, man liebt sie oder man
könnte die gesamte Band auf den Mond schiessen. Die erste
Möglichkeit schliesse ich aus, da man Samael kennen muss, vor
Allem, wenn man von sich sagt, sich im Rock- und Metalbereich
nur ein wenig Ahnung auszukennen. Möglichkeit zwei ist dann
möglich, wenn man sich in die Welt der Schweizer einlässt und
nicht stur, das wäre Möglichkeit drei, seiner Musikvorstellung
folgt, denn die unterstützen Samael mit Bestimmtheit nicht. Die
bereits 1987 gegründete Band spielt grundsätzlich Dark Metal,
was aber im Falle Samael ein verdammt weiter Begriff darstellt.
Tiefe Atmosphäre, Technoelemente, Spaceeinflüsse und
Schwarzmetallanteile sind nur ein paar der Zusätze, die Samael
zu bieten haben. Wie das Ganze live klang ist nicht wirklich
leicht zu erklären. Auf jeden Fall hatten Samael zwar ein
Schlagzeug, setzten aber lieber den Drumcomputer ein und konnten
so einen gewaltigen Bass erzeugen, der man tief in der
Magengegend spürte. Keyboardwände, gepaart mit schnellen und
schleppenden Drumparts, die von Gitarre, Bass und Stimme
begleitet werden. Wer sich auf den Weg in eine Welt der
Unscheinbarkeit, der vollkommenen Zeitlosigkeit machen will,
fühlt sich bei Samael mit Sicherheit wohl. Das Publikum war wie
erwartet geteilter Meinung und viele verliessen die Halle
bereits nach den ersten Songs, andere aber waren gefangen in den
musikalischen Händen der Schweizer und blieben bis ganz zum
Schluss wie in Trance. Ein weiteres Schmankerl, das bei Samael
vor Allem auf den neueren Stücken herauszuhören ist, sind die
Industrial-Elemente. Monoton, aber mitreissend könnte man das
kurz und bündig definieren. Fakt ist: Samael ist keine Band für
Jedermann, aber Samael verzaubern den Hörer, wenn der Hörer sich
mitreissen lässt, in eine wundervolle Welt. (Yan)
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Thunder
Mit den Worten "Du bist die Älteste unter den jüngeren
Mitarbeitern, die anderen kennen Thunder nicht!" wurde ich in
die Halle geschickt, um mir das Quintett aus dem Vereinigten
Königreich für ein Review anzuschauen. Nun gut, ich hätte sie
mir sowieso angeschaut, doch nun nahm ich die Band mit
Kritikerinnen-Augen unter die Lupe. Was das Vergrösserungs-Glas
zum Vorschein brachte, war dann sehr überraschend: War die Halle
zu Beginn noch erschreckend leer, so fanden sich mit der Zeit
immer mehr Leute ein, um sich Hits wie "Low Life In High Place"
oder "Gimme Some Lovin" anzuhören. Allerdings hatte ich die
Superballade "A Better Man" des 1992er-Albums "Laughing On
Judgement Day" schmerzlich vermisst, doch die grossartige Show
vor einem phänomenalen Publikum machte diesen Verlust wett.
Dafür, dass Thunder in der Schweiz eher zu den kleinen Nummern
zählen, wurden sie aber gefeiert wie die Grossen! (Mya)
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Gotthard
Die bekannteste Band der Schweiz in Huttwil und die Frauen, vor
allem über 30, stehen vor einem Kollaps. Steve Lee und seine
Männer sind Frauenhelden und spielen diesen Vorteil live
vollkommen aus. Vor Allem der Sänger zeigte sich von seiner
besten Seite und wirkte oft ein wenig machomässig. Musikalisch
boten Gotthard das Beste vom Besten und liessen keine Wünsche
offen. Feine Balladen folgten nach harten Hard Rock-Stücken und
sorgten so für ein sehr abwechslungsreiches Hörvergnügen. "Heaven",
"One Life, One Soul", "Anytime Anywhere" und viele andere Hits
wurden gespielt, und dies mit einer unvorstellbaren Perfektion.
Die Zuschauer sangen mit und genossen den Auftritt in vollen
Zügen. Man merkte den fünf Schweizern an, dass sie nicht zum
ersten Mal auf der Bühne standen und ihr Handwerk verstehen.
Gotthard wirken auf CD ziemlich schnell ein wenig langweilig und
man schaltet ungehemmt zum nächsten Stück. Live ist die Sache
ein wenig anders, die langsamen Songs sind der absolute
Oberhammer und die Hard Rock-Stücke wirken zum Teil ein wenig
ähnlich, was aber den Hörgenuss nicht schmälert. Steve Lees
Stimme kratzte auf der einen Seite gewaltig und plötzlich war
sie wieder klar wie Quellwasser. Die Instrumente wurden nicht
vergewaltigt sondern sehr sorgfältigt bedient, was man ja nicht
alle Tage zu sehen bekommt, vor Allem an Rock- und
Metalfestivals. Die Show wurde hauptsächlich von Steve Lee
geführt, der immer wieder was erzählt hat und wie oben erwähnt
öfters mal ein wenig den Prolo raushing. Die Schweiz braucht
mehr solche Bands, Gotthard zeigen, was für ein Potential in der
Schweizer Musikwelt steckt. Leider steckt man das Geld lieber in
unspektakuläre Eintagsfliegen oder musikalische Tiefflieger.
Gotthard sind ein Vorbild für die Schweizer Musik und werden
hoffentlich noch viel mehr erreichen! (Yan)
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Alice Cooper
Ich behaupte jetzt mal ganz einfach, dass nun der Augenblick
gekommen war, zu welchem sich sämtliche Bands, die bis dahin das
Rock Sound Festival beackert hatten, nun gespannt entweder am
Rand der Bühne versammelten oder davor standen, denn wohl kein
Rockmusiker würde sich die Show einer der wohl extravagantesten
Persönlichkeiten des Business sausen lassen. Alice Cooper hat
mit Hits wie "Poison", "School's Out" oder "Only Women Bleed"
und seiner schillernden Grusel-Show Musikgeschichte geschrieben,
und dass es der alte Herr auch heute zu begeistern versteht, das
machte er an diesem Abend, einem der wenigen Konzerte, welche er
dieses Jahr absolvierte, jedem klar. Ein riesiger roter Vorhang
mit dem legendären Pseudonym Vincent Furniers verhüllte die
Bühne, und als sich dann von hinten angestrahlt eine leicht
erkennbare Silouhette mit Zepter und Zylinder ausgestattet
ausmachen liess, gab es für das nicht mehr so ganz zahlreich wie
bei Gotthard (Müdigkeit, Zugzwang oder musikalische Ignoranz?)
erschienene Publikum kein Halten mehr, nachdem sich schon im
Vornherein "Alice! Alice!"-Rufe bemerkbar gemacht hatten. Zu den
ersten Klängen von "It's Hot Tonight" fiel dann das Laken und
Alice Cooper inklusive tight rotziger Truppe begann mit seinem
über eineinhalb Stunden dauernden Spektakel. Erhaben schnippisch
stolzierte der Horror-Rocker zwischen seinen agil posenden
Musikern herum, heizte dem Publikum gleich zu Beginn mit flotten
Klassikern wie "No More Mr. Nice Guy" und "Under My Wheels" ein,
bevor er zu "I'm Eighteen" seine altbewärte Krücke rauskramte,
bevor er zu "Is It My Body?" schon das erste Mal das zeitliche
segnete, somit durch Kutten tragende Roadies abtransportiert
werden musste. Ironisch patriotisch ging es bei "Lost In
America" zu und her, während Gitarren-Monster und Posen-Gott
Eric Singer stolz den CH-Kleber auf seiner Klampfe zur Schau
stellte ("Long Way To Go"). Unglaublich, wie viele Klassiker man
im Gepäck haben kann, denn nach dem ersten Drittel hatte der
gute Mann schon an die dutzend Alltime-Hits aus dem Zylinder
gepfeffert (u.a. auch "Desperado" und "Muscle Of Love"). Hatte
man bis anhin munter drauflos gerockt, auf epische Effekte
verzichtet und v.A. durch energetische Spielkunst und straighte
Party-Songs das Publikum verzückt, so hiess es nun erstaunt
glotzen, denn nun lud Mr. Cooper zum obligaten Dramatik-Teil.
Alices wohl grösster Geniestreich, "Halo Of Flies", wurde zu
einer ausgiebigen Jam-Session der Instrumente, vom Boss
dirigiert. Zu "Welcome To My Nightmare" krochen avantgardistisch
mit Plastik bespannte Kreaturen über die Bühne und brachten
gleich eine ganze Packung Tracks von der Scheibe mit, deren
Titeltrack sie sind: Während man "Cold Ethyl" zum Besten gab,
tanzte der Meister 'liebevoll' mit einer Leiche, nur um in Form
von "Only Women Bleed" zu Tränen zu rühren und mit "Steven"
wieder den Gruselfaktor zurückzubringen. Dass zu einer echten
Schock-Rock-Show auch der weniger nette Umgang mit Babys gehört
war klar, und so massakrierte unser aller Lieblingsmörder das
kleine Puppen-Menschlein gleich im Kinderwagen, "Dead Babies"
eben. Natürlich konnte zu einer solch dramatisch operesken
Darbietung keine ausgelassene Feierlaune herrschen, doch
weswegen sich nun einige Lücken im Publikum öffneten bleibt mir
bis heute ein Rätsel, denn was hier geboten wurde war doch beste
Unterhaltung und gleichzeitig genau das, was man von einer Alice
Cooper-Show doch erwartete, nicht? Genauso obligat: Alice in der
Zwangsjacke zu "Ballad Of Dwight Fry", bevor das Unabwendbare
seinen Lauf nimmt: Der alteingesessene Galgen wurde
herangefahren und mit Pauken und Trompeten wurde Mr. Cooper
artgerecht hingerichtet. War das das Ende? Nein, denn mit einem
Leichen-Medley, bestehend aus "Devil's Food", "Killer" und "I
Love The Dead" ergriff nun die Band die Führung, übernahm sogar
die Vocals, bis die Auferstehung vollzogen war. Vor einem
glitzernden Las Vegas-Flitter-Vorhang versetzte Alice (in
weissem Frack) die noch übrig gebliebene Meute endlich wieder in
Feierlaune, denn "School's Out"! Alles klatschte, johlte und
sang laut mit, so musste das sein! Der darauf folgende
Zugabenteil zog am gleichen Strang, und so wurde die
Dreifachkanonade "Billion Dollar Babies", "Poison" (ohne
irgendwelche Keys, sondern in spritziger 70's-Version) und das
von Alice als Politiker verkleidete (Slogan auf den von Roadies
hochgehaltenen Schildern: "Rock the Vote! A Troublemaker for
troubled Times – The Wild Party") "Elected" (Sympathiepunkte
durch das Schwingen der Schweizer Flagge) zum ultimativen Rock
Sound Festival-Schlussböller! Alice Cooper live: Theater,
Bombast, Dramatik, Horror, Party, Rock n' Roll! Ein würdiger
Abschluss für ein rockendes Wochenende. Das selbe wieder, bitte!
(Yan)
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